10. Wein und Wasser [2]

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- Harrys POV -

Was machte dieses Mädchen nur mit
mir? Ja, ich hatte mir vorgenommen, ehrlich zu ihr zu sein und sie etwas näher an den wahren Liam, Louis, Niall und auch den echten Harry heranzubringen.
Doch ein solcher Seelenstriptease, wie ich ihn nun schon wieder hingelegt hatte, stand nicht in meinem Sinn.

Aber bloß ein Blick in ihre blau-grauen Augen genügte und die Worte sprudelten aus meinem Mund, ich wollte ihr einfach alles von mir offenbaren.
Und der Wein tat vermutlich sein Übriges.

Alleine dass sie hier saß, war Balsam für die Seele, während ich uns beiden vor Augen führte, wie die Stimmung bandintern tatsächlich war. Sie sollte wissen, wie haushoch in dieser Branche Schein gegen Sein gewann.

„Aber", hörte ich ihre zaghafte, fragende Stimme. „Aber soll das heißen, dass sich quasi ein kollektives Band-Burnout anbahnt?"

Sie hatte mit Wasser gestartet, doch inzwischen hatten wir die zweite Flasche Rotwein geleert und nun stand bereits der Gin vor uns auf dem gläsernen Tisch.
„Ich glaube, Burnout ist nicht die richtige Diagnose", antwortete ich, berührt davon, wie besorgt sie mich ansah.

Jeff hätte bereits die Verträge herausgeholt, mich auf Klauseln hingewiesen und mir lang und breit verständlich gemacht, dass sich all das nicht auf die Arbeit auswirken durfte und wir trotzdem alles mitnehmen mussten, was sich uns bot.
Doch Elena saß hier, sah mich an und schenkte dem Menschen Harry Mitgefühl.

Mitleid war nicht das, worauf ich hinauswollte. Es war einfach ein erleichterndes Gefühl, dass ich von Außenstehenden mal wieder als Mensch, als fühlendes Wesen, wahrgenommen wurde.

„Was meinst du dann damit, wenn du sagst, dass deine Art und diese Branche nicht zusammen passen?", wollte sie wissen.
Es mochte am steigenden Alkoholpegel liegen, doch Elena hatte im Laufe dieses Abends sichtlich an Scheu verloren und schien mich nun um jeden Preis verstehen zu wollen.

Ihre unbequemen hohen Hacken hatte sie inzwischen ausgezogen und saß jetzt zusammengekauert auf dem breiten Sofa, den rechten Ellenbogen auf der Rückenlehne abgelegt, in der linken Hand ihr Glas und musterte mich aufmerksam.

„Ich war immer jemand, der", versuchte ich meine Gedanken in Worte zu fassen, musste aber doch noch einmal in mich gehen.
„Jemand, der in jedem das Gute gesehen hat und ich jedem mit Liebe im Herzen begegnen wollte.
Das geht viel zu oft verloren auf unserer Welt, wir laufen so blind und abgestumpft durchs Leben. Alles könnte von heute auf morgen besser werden, wenn jeder sein Herz ein bisschen öffnen würde und auf andere achten würde."

Ich hoffte inständig, Elena würde mich in diesen Sekunden nicht für völlig verrückt erklären oder meine Worte für eine Masche halten.
Mir war nicht verborgen geblieben, wie unsicher und skeptisch sie heute war, mit mir auf mein Hotelzimmer zu kommen. Da blieb bloß zu hoffen, dass sie genug Menschenkenntnis besitzen würde, um zu erkennen, wie ernst es mir war.
Und ihrem sanften Blick zufolge tat
sie das auch.

„Und jetzt", redete ich weiter. „Jetzt bin ich hier im Maximum der Rücksichtslosigkeit angekommen. Ich habe so viel Macht. Wenn ich bloß jemanden anlächle oder umarme, dann kann ich damit seinen ganzen Tag retten, es ist verrückt und könnte sich so gut anfühlen. Aber die Industrie, die daraus geworden ist, fühlt sich so schrecklich falsch an."

Verstehend nickte Elena und sah mich traurig an. Ich wusste, dass sie mir nicht helfen konnte, doch alleine mir all das von der Seele zu reden, fühlte sich bereits gut an.

„Du bräuchtest echt mal Urlaub", hörte ich sie schließlich sagen und erkannte ein leichtes Grinsen auf ihrem wunderschönen Gesicht.
Sie zog mich nicht ins Lächerliche, doch sie wusste ganz offensichtlich ganz und gar nicht mit der bedrückenden Stimmung umzugehen.
Und sie vertrug definitiv keinen Alkohol, der Gin hatte ihr nun den Rest gegeben.

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