38. Schlusstrich

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- Harrys POV -

Sie hatte es tatsächlich getan, Elena war noch am gleichen Tag zum Flughafen gefahren und war zurück nach England geflogen.
Ich wusste selbst nicht, was ich erwartet hatte.
Immerhin hatte sie nicht den Eindruck gemacht, als würde sie es sich nochmal anders überlegen. Ihr Entschluss hatte festgestanden und sie hatte diesen auch sofort in die Tat umgesetzt.

Ich wusste nicht, ob ich mich in den letzten Stunden überhaupt bewegt hatte.
Starr saß ich immer noch im Sessel in der Ecke meines Hotelzimmers und starrte auf meine Hände.
Immer wieder hallten ihre Worte in meinem Kopf nach, als mich plötzlich ein energisches Klopfen an der Türe wieder aufschrecken ließ.

Sofort schnellte mein Blick auf die Wanduhr.
Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren. Ich hätte bereits vor 15 Minuten unten in der Lobby sein sollen, um den heutigen Arbeitstag anzutreten.

Stattdessen zog ich nun apathisch meine Hotelzimmertüre auf und sah Louis, gefolgt von Liam im Türrahmen stehen.
Sie mussten nichts sagen, ich sah es bereits in ihren Gesichtern, dass sie von den jüngsten Ereignissen wussten.

„Jeff hats uns gerade erzählt", bestätigte Louis auch direkt meinen Verdacht. „Also, dass Elena gekündigt hat und abgehauen ist."
Seufzend senkte ich den Kopf, als Louis es nochmal laut ausgesprochen hatte und trat einen Schritt zur Seite, als die beiden ungefragt in mein Zimmer stürzten.

„Niall wäre auch mitgekommen, aber einer von uns musste bei Jeff bleiben - quasi als...Pfand", erklärte Liam und musterte mich mitleidig.
„Wie erwartet ist Jeff da unten nämlich auch höllisch ungeduldig und erwartet uns alle in spätestens 15 Minuten unten."

Stöhnend ließ ich mich wieder zurück in den Sessel fallen und sah den beiden leer entgegen.
Ich wusste noch nicht einmal, ob ich gerade froh war, sie zu sehen, aber - wie so oft - hatte ich scheinbar ohnehin keine Wahl.

„War sie hier? Hat sie vorher mit dir geredet?", wollte Louis sofort wissen.
Er schien beinah genauso geschockt wie ich selbst von Elenas plötzlicher Entscheidung.

Teilnahmslos nickte ich.
„Und zwar?", hakte Louis ungeduldig nach.
„Sie will all das hier nicht mehr. Den Job, die Branche, die Öffentlichkeit, mich", antwortete ich mechanisch, ohne meine Freunde dabei anzusehen.

Liams verächtliches Schnauben jedoch war alles, was ich hören musste.
„Ich wusste es!", zischte er ungehalten. „Ich habs von Anfang an gesagt, dass das unter keinem guten Stern steht!"

„Du hast damals gesagt, dass Elena durch Harry die Karriereleiter hochklettern will", hörte ich Louis raunen. „Offensichtlich ist hier ja das Gegenteil der Fall."

An dieser Stelle hob ich meinen Blick doch wieder und sah Louis direkt in die Augen.
Nicht Liam, sondern Louis war derjenige, der von Anfang an recht gehabt hatte.
Ich hatte Elena in Modests Haifischbecken geworfen und sie in ein Leben katapultiert, das sie nie gewollt hatte.

„Bin ich selbst schuld daran?", fragte ich ihn zusammenhangslos, doch Louis schien dennoch zu verstehen, wovon ich sprach.
Seufzend schüttelte er den Kopf.
„Du warst... bist verliebt. Da besteht nun mal alles aus Hoffnung und man sieht nur das, was man sehen will. Aber leider war Elena wohl doch nicht für all das hier gemacht."

„Ach, das ist doch Bullshit!", schritt Liam ein und schüttelte verständnislos den Kopf. „Man kann sich doch wohl zusammenreissen und Opfer bringen!"

Scharf sah Louis unseren Bandkollegen an, während sie das Ende meiner Liebe diskutierten.
„Na, das hat sie wohl doch auch versucht!", verteidigte er plötzlich Elena. „Oder wie nennst du das, was sie all die Monate hier gemacht hat? Aber man kann niemandem vorwerfen, dass man ein normales, vernünftiges Leben führen will. Nicht jeder ist wie Sophia. Sieh' dir Eleanor an, sie ist auch ohne mich besser dran!"

Dieses gesamte Thema war Louis' wunder Punkt, das war mir bewusst.
Er verfluchte unser öffentliches Leben besonders oft. Entsprechend konnte er sich auch in die Menschen hineinversetzen, die durch uns in dieses Leben hineingezogen wurde - und hatte Mitleid.

„Es tut mir schrecklich leid für dich", richtete Louis dann doch nochmal das Wort an mich. „Aber dann ist es wohl wirklich besser so. Lieber jetzt ein Ende mit Schrecken, als wenn du sie unglücklich gemacht hättest und ihr euch jahrelang dahingequält hättet."

Ich dachte noch lange über Louis Worte und seine Einstellung an sich, nach - ebenso wie über Elenas Worte.
Innerlich war ich verwüstet, tot und leer, doch nach außen hin musste die gute Miene behalten werden.
Vielleicht schien ich etwas zurückhaltender in den Interviews, doch ich lächelte, lachte und antwortete so gutgelaunt ich konnte.
Nie hatte mich dieser Job mehr angestrengt, als in diesen Tagen.

Doch je länger ich darüber nachdachte, desto mehr konnte ich Elenas Entscheidung nachvollziehen.
Zwar linderte das nicht den Schmerz darüber, dass sie weg war, doch es schenkte mir Hoffnung, dass es eines Tages besser werden würde - auch wenn diese Hoffnung verschwindend klein war.

Ich glaube der Tag, an dem mich Elena verlassen hatte, war der Tag, an dem ich endgültig in dieses Loch fiel, in dem meine Bandkollegen längst festsaßen.
Wir waren vier verlorene Jungs, die sich verirrt hatten und endlich ein Zuhause finden wollten, stattdessen aber bloß immer weiter in die Dunkelheit liefen.

Mit jedem Tag wurde Louis Gesicht fahler, Nialls Lachen leiser, Liams Alkoholkonsum höher und mein Leben leerer.

Liams On-Off-Beziehung mit Sophia war wohl noch das kleinste Problem der Band, doch am Ende waren wir alle am selben Punkt - am Boden.

Ich hatte keinen Ton von Elena gehört, nicht eine Silbe.
Der Ärger über ihre plötzliche Anreise war zwar inzwischen verschwunden, doch es gab Wunden, die heilte selbst die Zeit nicht - oder in diesem Fall war es viel mehr eine Lücke, die niemals jemand füllen würde.

- 5 Monate später -

„Wann geht die Pressemeldung raus?"
„Morgen. Dann gibt es kein zurück."
Fragend und in der Hoffnung, jemand würde einlenken, sah Jeff in die Runde, doch niemand rührte sich.

„Schick sie am Besten gleich heute noch raus", kam es bloß trocken von Louis.
Spätestens seitdem Louis Modest einen Skandal beschert hatte, indem er eine seiner Partybegleitungen geschwängert hatte, konnte das Verhältnis zwischen ihm und Jeff ohnehin nicht mehr angespannter werden.
„Glaub mir", knurrte Jeff zurück. „Nicht nur ihr freut euch auf diese Auszeit!"

Ein wahres Wort.
Wobei freuen in diesem Zusammenhang wohl nicht das richtige Wort war.
Alles in uns verlangte nach dieser Auszeit.
In zwei Monaten durften wir endlich unsere wohlverdiente Pause antreten.

„Schon ein bisschen seltsam, dieses Gefühl, nicht?", sah uns Niall nervös an, doch auch ihm stand Erleichterung ins Gesicht geschrieben.
„Es ist der richtige Schritt", versicherte ich ihm überzeugt.

Dessen war ich mir sicher.
Als Band hatten wir keine Chance, jemals zur Ruhe zu kommen.
Es war an der Zeit sich zurückzuziehen, Kraft zu tanken, das Leben zu sortieren und sich darüber klar zu werden, wer man in all diesen Jahren überhaupt geworden war und wohin man wollte.

Es wäre niemandem gegenüber fair gewesen, auf diese Weise weiterzumachen.
Wir waren nicht mehr wir selbst und früher oder später würden das auch unsere Fans zu spüren bekommen.

Wir mussten endlich die Chance bekommen, uns zurückzuziehen. Wie lange es dauern würde, bis wir wieder in der Lage waren, in diese Formation zurückzukehren, wussten wir alle nicht.
Doch das war auch in Ordnung, wir wollten uns zum ersten Mal in unserem Leben die Zeit dafür nehmen.
Ich für meinen Teil hatte jedenfalls eine ganze Menge wieder in geordnete Reihen zu bringen.

Open up to me || h.s.  ✓Where stories live. Discover now