☕1☕

1.1K 104 238
                                    

Jeonghan

Mit einem Pfeifen auf den Lippen schlenderte ich den den Gang des Krankenhauses entlang und zögerte, als ich die Treppe erreichte. In Pathologie nach unten oder nach oben zu der Kühlkammer, in der die Blutkonserven aufbewahrt wurden? Im Grunde war es egal, wo ich mir was holte, ein eiskalter Snack war beides.

Das Leben war nicht leicht, wenn man versuchte das Richtige zu tun und sich seine Menschlichkeit irgendwie zu bewahren. 

Nach ein bisschen Überlegen machte ich mich auf den Weg nach unten in die Pathologie. Wir haben da eine frische Leiche rein bekommen, also konnte ich da wahrscheinlich was abgreifen.

Ein Vampir brauchte eigentlich nicht viel Blut von einen Menschen, solange er sich bei Gelegenheit im Wald dann einen Hirsch wegjagte, doch ganz ohne ging es eben auch nicht. Praktisch war dann, wenn man als Krankenpfleger in einem Krankenhaus arbeitete. Dann fiel nicht auf, wenn mal was weg kam. Für mich war es die optimale Lösung.

Ich mochte Menschen an sich und ich half gerne, daher lag mir der Beruf sowieso und wenn ich damit noch nebenbei meine Probleme lösen konnte, dann war das quasi eine Win-Win-Situation. Mit dieser Einstellung war ich unter den Vampiren jedoch ziemlich ungewöhnlich. Die einzigen, die da noch mit zogen waren meine Eltern und meine Geschwister. Nicht dass es mich sehr stören würde. Generell lebte man besser, wenn man nicht allzu viele an sich ran ließ, vor allem, wenn man ewig alt wurde. 

Ich schlich mich also in die Pathologie und sah die Unterlagen des Toten durch. Was hatten wir denn Schönes? Einen Mann im Alter von 25. Sein Name war Billy Brown und er hatte einen Blutspendeausweis. Na, lief doch. Dann brauchte ich kein schlechtes Gewissen haben, wenn ich mir ein paar Milliliter davon genehmigte. Ich sah schnell nach im welchen Fach er lag und ging dann rüber zu der Wand mit den Fächern und öffnete es.

Doch zu meiner Überraschung war es leer. Ich betrachtete das leere Fach irritiert und überlegte, wie ich mir das erklären sollte. Hatte Jenny das falsche Fach erwischt? Das konnte ich mir nicht wirklich vorstellen, die Gute war sehr gewissenhaft. Ich musterte das leere Fach und bemerkte, dass dort ein Zettel lag. Ich griff danach. Es war der Zettel, der eigentlich an den Zeh des Toten gehörte. Auf dem stand auch Billy Brown. Doch das war nicht alles. Auf der Rückseite hatte jemand geschrieben: Bye, Bitches!

Was zu Henker? Hatte sich jemand erdreistet eine Leiche zu klauen? Wäre ich kein Vampir würde ich wahrscheinlich dezent ausflippen. Wie creepy war das bitte? Aber so ging ich im Kopf die Möglichkeiten durch. Ich war nicht einzige Vampir der Welt und wenn jemand meine Vitalfunktionen checken würde, dann würde ich auch in einem der Fächer landen.

Ich warf den Zettel wieder zurück ins Fach und schloss es, bevor ich mich umdrehte und die Augen schloss. Ich atmete tief durch die Nase ein und durch den Mund wieder aus. Doch ich konnte keinen anderen Vampir wittern. Doch dafür wittere ich etwas anderes. Es dauerte einen Moment bis ich den Geruch zuordnen konnte. Wann hatte ich das zuletzt in der Nase? Das war gute 300 verdammte Jahre her, doch dafür war mir zu dieser Zeit der Geruch viel zu vertraut gewesen.

Ein Dschinn.

Ich schnupperte noch mal. Ja, das war definitiv ein Dschinn. Wenn den einer pennend irgendwo erwischt hatte, dann konnte ich auch verstehen, wie er im Fach gelandet war, so ein Dschinn-Herz schlug in der Minute vielleicht 0,3 mal oder so, dann konnte man schon mal für tot gehalten werden. Besser ich schmiss den Typen gleich aus dem Krankenhaus, bevor er Chaos stiftete. Das hatten Dschinn nämlich so an sich. Ich musste es wissen, ich hatte meine Erfahrungen mit Dschinns.

Der Gedanke versetzte mir einen Stich in mein untotes Herz. Sollte mal jemand sagen als Vampir hätte man keins, ich spürte meins viel zu oft.

Ich schob ihn beiseite und machte mich daran der Witterung zu folgen. Der Geruch wurde schnell stärker, um genau zu sein musste ich grade mal rüber ins Labor. Vorsichtig bewegte ich mich in Raum und sah mich um. Das einzige Licht, was den Raum ein bisschen erhellte, war die Beleuchtung der Bildschirme, die angelassen worden waren. Mutiger, als ich mich fühlte, machte ich das Licht an. "Komm raus und zeig dich, wenn ich dich suchen muss wird es ungemütlich", zischte ich möglichst selbstbewusst, auch wenn ich nicht wirklich Lust hatte mich mit einem Dschinn anzulegen.

Zu meiner Überraschung gehorchte der Dschinn sofort und richtet sich hinter dem Tisch auf, hinter dem er sich versteckt hatte. Zu meinen unendlichen Schock war das nicht irgendein Dschinn ... es war mein Dschinn. Also mein ehemaliger Dschinn. Joshua. 

Ich war völlig überfahren von seinem Anblick, denn das letzte Mal, dass ich ihn gesehen hatte war vor verdammten 300 Jahren. Damals, als ich glücklich mit ihm gewesen war, bis er wohl beschossen hatte, er hat genug von mir hat und einfach ohne einen Ton verschwunden war.

Und jetzt tauchte er einfach aus dem nichts wieder auf. Ich hatte mit allem gerechnet, aber sicher nicht mit ihm. 

Ich gefror einen Moment in meiner Bewegung und schwankte zwischen dem Bedürfnis ihm an die Kehle zu gehen, zu flüchten oder mich in seine Arme zu werfen.

Er schien das Problem, dass mein Anblick irgendwelche widersprüchlichen Gefühle in ihm auslösen würde, scheinbar nicht zu haben. Er erkannte mich, ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und kam um den Tisch herum. Ich zog scharf die Luft ein und dreht mich schnell weg. Was zur Hölle?! Er war mehr als offensichtlich nackt.

"Jeonghan!", rief er aus und ich konnte das Lächeln in seiner Stimme hören. "Ich-" "Um Himmels Willen! Könntest dir was anziehen?!", unterbrach ich ihn und mustere das Weiß der Wand vor mir. Ich spürte, wie meine Wangen warm wurden. Das konnte doch nicht wahr sein. Ich war untot, verdammt, ich hatte kein Herz, das mit Blut in die Wangen pumpen konnte, also warum wurde ich überhaupt rot?

"Es ist nicht so, als hättest du mich nicht schon nackt gesehen", meinte Joshua belustigt. Doch ich fand das alles andere als lustig. Wollte ich daran erinnert werden, wie nah er mir gekommen war? Nein. Bevor ich es verhindern konnte, hatte ich mich ihm zugedreht und ihn angefaucht. Gott. Ich sollte meine Gefühle nicht so nach außen tragen. "Ich seh schon, das ist kein gutes Thema", stellte Joshua nüchtern fest. 

Ich schnaubte. Nein, das war es nicht. Was sollte das Ganze? Er konnte nicht von ein auf den anderen Tag verschwinden und dann genauso plötzlich wieder auftauchen. Was erlaubte er sich eigentlich? Ich hatte vielleicht die erste Dekade nach seinem Verschwinden sehnsüchtig darauf gewartet, dass der Kerl wieder auftauchte, doch irgendwann hatte auch ich damit abgeschlossen. Jetzt brauchte ich ihn auch nicht mehr. 

Wie war er überhaupt hier hergekommen?

Ich hörte ihn schnipsen. Immer ein Zeichen dafür, dass er seine Magie benutzt hatte. "Besser?", fragte er und ich sah zu ihm rüber. Er trug nun dasselbe wie ich. Das sollte wohl fürs Erste gehen. Er sollte es so aus den Krankenhaus raus schaffen. Mir konnte es ja rein theoretisch egal sein. Er kam zu mir rüber und musterte mich und diesmal zierte ein eher vorsichtiges Lächeln sein schönes Gesicht. 

"Wieso ist dein Haar so ergraut?", wollte er wissen und ich zog eine Augenbraue hoch. Grau? Hallo? "Sie sind blondiert", grummelte ich und verschränkte die Arme. Joshua lachte leise, ob der Geste. "Macht man das heutzutage so? Ist das ein Zauber? Ich meine ... es steht dir echt gut du siehst hübsch damit aus, es ist nur so ungewohnt." 

Ich wusste gar nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich riss mich zusammen, um nicht verlegen zu werden. "Das ist kein Zauber das ist Chemie", meinte ich und gab mich genervt. "Chemie? So wie Alchemie?", fragte er. Der Typ machte mich jetzt schon fertig.

"Entschuldige", meinte Joshua, denn offensichtlich war mir mal wieder anzusehen, was ich dachte. "Vielleicht sollte ich einfach die sechs, sieben Stunden warten, bis die Synchronisation durch ist, dann stelle ich auch nicht so dämliche Fragen", meinte er und ich schenkte ihm einen misstrauischen Blick. "Was für eine Synchronisation?", fragte ich und er lachte leise. 

Er streckte die Hand aus und strich mir mit den Fingerspitzen über die Wange, so wie er es früher immer getan hatte und ich kam nicht umhin es zuzulassen. "Du bist immer noch der Alte", meinte er mit einem Lächeln.

"Und du hast dich immer noch nicht damit beschäftigt, was ein Dschinn eigentlich ist."

Falling for youWhere stories live. Discover now