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Jeonghan

Letzteres kam in einer Mischung aus Verzweiflung und Belustigung.

Ich war derweil noch immer halb paralysiert von seiner Berührung und starrte ihn unverwandt an. Aufwachen, Jeonghan. 

Warum war ich so ein Trottel? Warum hatte ich mir keinen neuen Partner gesucht und zur Hölle warum brauchte ich nur seine Stimme hören, um ihm wieder halb zu verfallen. Schnell und bestimmt drückte ich sein Hand weg.

Er fuhr sich durch das schwarze Haar und seufzte bekümmert, doch das war nur von kurzer Dauer. Schnell schlich sich wieder ein sanftes Lächeln auf sein Gesicht. "Es ist schön dich wiederzusehen", meinte er und klang dabei fast schon schüchtern. "Ist es das?", fragte ich kühl. Ich wandte mich um und machte mich daran das Labor zu verlassen. Er folgte mir. 

"Hey, ich weiß du bist zu Recht fürchterlich wütend auf mich, aber ich kann es erklären", beteuerte er. "Ich höre?", erwiderte ich. Stille legte sich über uns. "Okay, ich kann es nicht erklären", gab er zu. Er überholte mich und stellte sich mir in den Weg. "Aber es war nicht mein Plan, dass es so läuft, glaub mir. Manchmal haben wir Dinge einfach nicht in unserer Hand und gerade ich bin so einigen Dingen unterworfen", beteuerte er. 

"Was willst du mir bitte weiß machen? Du wolltest mich gar nicht ohne ein Wort verlassen und nach 300 Jahren fällt dir auf, dass du mir das mal sagen könntest?!", regte ich mich auf. Joshua blinzelte nur. "300 Jahre", echote er tonlos, "Scheiße, welches Jahr haben wir?" Ich sah ihn erneut misstrauisch an. Was wollte er mich glauben lassen? "2018?", meinte ich unentspannt und die Resignation schlich sich auf Joshuas Gesicht. "Das alles ist noch viel schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte", murmelte er und lächelte traurig. 

Warum wollte ich ihn glauben? Ich sollte ihm nicht glauben. Warum auch immer er meinte plötzlich wieder bei mir aufzutauchen, das alles konnte eine Masche sein, die nur dazu diente mich dahin zu bekommen, wo er mich haben wollte. Ich sollte mir über keines seiner Worte Gedanken machen. Er sollte mir sowas von egal sein. Das ganze war 300 verdammte Jahre her. 300! Nicht 3, nicht 30, 300!

Auf der anderen Seite... was waren schon 300 Jahre für Wesen wie ihn und mich? 

Ich schallt mich selber einen Narren dafür, dass ich auch noch Ausreden suchte, warum ich es in 300 Jahren nicht geschafft hatte ihn zu vergessen. Und schlimmer noch: Er brauchte nur fünf Minuten vor mir stehen und er erfüllt mich mit dieser Unruhe, die für meinesgleichen wohl dem Herzklopfen am nächsten kam. Warum war ich nur so dumm?

Es war als wäre er nie weg gewesen. Zumindest für meinen Körper war es das. Dieser sehnt sich schon jetzt nach Joshuas Berührung, bekam ein Kribbeln im Bauch bei jedem Lächeln, dass der Dschinn zeigte und wollte seine Nähe suchen. 

Oh nein. Das machen wir nicht. Verfallen ist nicht. Körper! Sei nicht so eine verdammte Hure, nur weil die letzten Jahrhunderte nie jemand aufgetaucht war, der Joshua hätte das Wasser reichen können. 

Zum Glück waren Kopf und Herz auf meiner Seite. Der Kopf war gekränkt und das Herz verletzt und blutete. Sie waren beiden nicht gut auf Joshua zusprechen. Das sollte reichen, um nicht den selben Fehler noch mal zu machen und mich wieder in ihn zu verlieben. Das wäre schon ziemlich dämlich. 

Warum dachte ich überhaupt darüber nach?!

Ich schreckte auf, als ich hörte, wie der Fahrstuhl einen Ton von sich gab. Verdammt. Das musste Jenny sein. Ich drängte Joshua zurück, der mich überrascht musterte und schob ihn hinter einen Schrank und versteckte mich ebenfalls hinter diesem. Das war eigentlich viel zu nah an Joshua dran, doch ich wollte nicht riskieren, dass sie uns sah, zum mal es sie ein bisschen irritieren dürfte, wenn die Leiche, die sie Vormittags bekommen hatte, plötzlich der neue Kollege war. 

Wir hielten beide den Atem an und warteten, bis Jenny vorbei gezogen war. "Wir müssen so dringend hier raus", flüsterte ich mit Nachdruck und Joshua grinste mich mit leuchtenden Augen an. "Sagtest du wir?", fragte er leise und beugte sich zu näher zu mir. Ich gab ihn einen Schlag zwischen die Rippen, doch der erstickte Laut, den ich ihn damit entlockte, ging in einem Schrei von Jenny unter. Joshua sah mich an. "Offensichtlich fehlt ihr eine Leiche", meinte er trocken belustigt und ich schenkte ihm einen was-du-nichts-sagst-Blick. 

Ich machte Anstalten das Weite zu suchen, doch Joshua hielt mich an der Hand fest und zog mich zurück. Er schlang einen Arm um mich, doch ich versuchte ihn wegzudrücken. "Han", flüsterte er eindringlich und hob die Hand. Er schnippste und kaum war dieses verklungen waren wir nicht mehr im Labor, sondern wo ganz anders, irgendwo unter einer Brücke. Ich löste mich schnell von ihm und strich meine Arbeitskleidung glatt. Ich warf einen Seitenblick zu Joshua und musterte ihn, wie er die Umgebung betrachtete. 

"Ich komme mir vor wie in einer anderen Welt", meinte er und atmete einmal geräuschvoll aus. "Das hat nicht mehr mit der Stadt zu tun, die ich kenne." Ich schnaubte verärgert. "Also ob, Joshua!", knurrte ich. "Willst du mir jetzt echt weiß machen du hast die letzten 300 Jahre verpasst? Ich bin nicht dämlich, okay?" Joshua wandte sich mir zu. Er seufzte schwer. "Was ist, wenn es genau das ist, Jeonghan?", fragte er. 

"Ja, klar", meinte ich abfällig. "Und kaum kommst du zurück - von wo auch immer -  und dann landest du zufällig in dem Krankenhaus in dem ich arbeite und fällst mir praktisch vor die Füße." Joshua sah mich ernst an. "Das war kein Zufall. Ich habe es mir gewünscht. Manchmal bekommen auch Dschinns einen Wunsch erfüllt", sagte er. 

Ich schwieg. Auch Dschinns konnten sich was wünschen? Und sein Wunsch soll ich gewesen sein? "Was ist denn überhaupt passiert?", wollte ich wissen und verschränkte die Arme. "Ich kann nicht über alles reden", meinte Joshua ausweichend und ich zischte, worauf er sich zu mir wandte und mir die Hände auf die Schultern legte. "Jeonghan, bitte, hass mich nicht", meinte er leise. Ich sah ihn mit großen Augen an. Ich war vielleicht nicht mehr gut auf ihn zu sprechen, doch hassen war viel zu viel gesagt. Wie sollte ich ihn hassen?

Ich antwortete nicht, sondern seufzte nur, was ihn wohl genug ermutigte um weiter zu sprechen. "Jeonghan, ich weiß es ist vielleicht ein bisschen zu viel verlangt, aber bitte ...." Er schien sich sammeln zu müssen. Offensichtlich wollte er nichts falsches sagen. "Ich weiß 300 Jahre sind eine verdammt lange Zeit und Gefühle verändern sich in der Zeit sicherlich, wahrscheinlich hast du schon längst jemand anderen an deiner Seite, aber bitte. Schick mich nicht weg von dir, lass mich wenigstens versuchen dir immerhin ein Freund zu sein." 

In mir kämpfte so ziemlich alles miteinander. Die Seite die Joshua vermisst hatte gegen die Vernunft gegen die Dummheit gegen die Erinnerungen gegen die Trauer gegen die Hoffnungen gegen die Resignation gegen den Wunsch ihn wieder zu sehen gegen die Nostalgie gegen die Angst gegen die Kränkung gegen Verletzung gegen den Stolz.... Es wollte nicht aufhören. Ich biss die Zähne zusammen. Ich sollte ihn zum Mond schießen, doch die Worte, die beinhalteten, dass er gefälligst verschwinden soll, wollten mir nicht über die Lippen kommen. 

"Ich geb dir eine Chance dich irgendwie zu erklären" meinte ich. "Eine Chance?", hakte Joshua nach. Ich nickte gestresst. "Wenn ich dich danach raus schmeiße, dann meld dich nie wieder bei mir." Joshua sah mich nervös an. "Was machen wir denn?", fragte er und ich seufzte. 

"Lass uns einen Kaffee trinken."

Falling for youWhere stories live. Discover now