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Jeonghan

Ich schwankte zwischen einem Café und meiner Wohnung, doch ich musste schnell feststellen, dass Joshua scheinbar zu einer Wunderblume mutiert war. Zumindest tat er so.

Zugeben, dass wäre ich wohl auch, wenn ich 3 Jahrhunderte in einer Öllampe - oder was auch immer - er nannte es 'Gefängnis' - verbracht hätte. Doch ich wusste nach wie vor nicht, ob ich ihm das so recht abkaufen sollte. Generell verwirrte mich sein plötzliches Auftreten maßlos. 

Vielleicht hätte ich mich doch mal mit Dschinns beschäftigen sollen, bevor ich angefangen hatte einen zu daten. Dann wäre mir vielleicht eine Menge Ärger erspart geblieben. Doch das Ding war eben ... es war mir egal gewesen, was er war. 

Es war mir auch jetzt egal. Für mich war ein Dschinn genauso wichtig wie ein Mensch oder ein anderer Vampir. Ich kam sogar mit Werwölfen klar und wertete diese nicht ab für das was sie waren. Es war schlicht und ergreifend irrelevant für mich. Also hatte ich mir jetzt auch nicht wirklich die Mühe gemacht herauszufinden, was einen Dschinn nun ausmachte.

Für mich war Joshua einfach immer Joshua gewesen. 

Wir waren kurz noch mal in die Klink geschnipst, damit ich meine Schicht beenden und meine Kleidung wechseln konnte. [Stell dir vor, Jeonghan, in Pathologie ist eine Leiche verschwunden, kannst du das vorstellen? - Was nein, das ist ja unerklärlich.] 

Als ich Joshua draußen wieder traf, hatte der sich schon einen Überblick über die Menschen gemacht und wie sie so rum liefen und hatte sich - dafür, dass er angeblich 300 Jahre gefangen gewesen war - doch recht zielsicher ein Outfit zusammen geschnippst. 

Wir waren zu meiner Wohnung gefahren und ich hatte ihn auf dem Sofa geparkt, bevor ich in die angrenzende Küche gegangen war um Kaffee zu machen. Joshua sass jetzt also auf meiner Couch und spielte fasziniert mit meinem Zauberwürfel und dreht an den Seiten herum, um ihn irgendwie zu lösen und ich beobachtete ihn dabei von der Küche aus, während der Kaffee durchlief.

Joshua mit einen Zauberwürfel in den Händen war wahrscheinlich ein Bild, dass jedes Herz erweichen würde. Er sah so niedlich aus, wie er den Würfel konzentriert drehte und dabei die Zunge zwischen die Lippen nahm. Als wäre er die Cuteness in Person. Aber ich wusste es besser. Der Typ war nur cute, wenn er es wollte und den Rest der Zeit war er alles andere, als das.

Als ich mit dem Kaffee fertig war füllte ich ihn in zwei Tassen und parkte diese auf einem Tablett. Ich ging in meine Stube zurück und stellte das Tablett ab, bevor ich mich setzte und mir eine der Tassen nahm. Joshua legte den Zauberwürfel beiseite und musterte neugierig das was ich angeschleppt hatte. Ich reicht ihm einfach die zweite Tasse. Ich sass ein Stück entfernt von ihm auf die Couch und zog die Beine an. "Vorsicht, dass ist heiss", warnte ich. 

"Was ist das?", wollte Joshua wissen und roch an dem Kaffee. "Es riecht gut." Misstrauisch beäugte er das schwarze Getränk. "Kaffee", meinte ich. Er probierte ihn und verzog das Gesicht, doch er bemühte sich schnell um einen neutralen Ausdruck. "Han, das ist giftig", klärte er mich auf. "Das ist Kaffee", wiederholte ich, doch ich erntete nur einen besorgten Blick. "Jeonghan, das ist bitter. Also ist es giftig", beharrte Joshua. Ich zog eine Augenbraue hoch. "Das ist einfach Kaffee, ich trinke das jeden Tag", erwiderte ich. "Vielleicht solltest du das nicht tun", meinte Joshua, doch dann stutzte er. "Oder ich warte einfach bis die Synchronisation durch ist, vielleicht verstehe ich es dann." 

Ich stützte die Lippen. "Was für eine gottverdammte Synchronisation?", fragte ich und stand auf. Ich ging wieder rüber in die Küche und begann Joshua einen Kakao zumachen. Vielleicht war ja das dem Herr genehm. "Sagtest du grade 'gottverdammt'?", hörte ich ihn fragen und ich lehnte mich etwas zurück, um ins Wohnzimmer zu sehen.

"Ja, heute zutage kommst du dafür nicht mehr auf den Scheiterhaufen", gab ich an. "Oh", meinte Joshua und wandte sich wieder seiner Tasse zu. Er probierte tapfer noch ein zweites mal, nur um wohl für sich selbst festzustellen, dass das echt nichts für ihn ist und die Tasse beiseite zu stellen. 

Ich machte den Kakao fertig und ging wieder nach drüben. Ich stellte ihm nun diesen hin und er betrachtet das ganze misstrauisch, doch er probierte das Getränk schließlich und schmunzelte. "Das schmeckt immerhin nicht giftig", stellte er fest. Ich verdreht ergeben, vielleicht sogar ein bisschen amüsiert, die Augen. "Kaffee ist nicht giftig", wiederholte ich nur und nahm meinen Kaffee wieder zur Hand. 

Joshua betrachtete mich ein paar Augenblicke und ein Lächeln schlich sich auf sein Gesicht, doch ich konnte bei besten Willen nicht sagen, was in seinem Kopf vorging.

"Synchronisation", griff er stattdessen das Thema wieder auf, "ist das höchste Gut eines Dschinn, um sich zu verbergen, vor allem, wenn er aus seinen Gefängnis befreit wurde und viel Zeit verpasst haben sollten." Er seufzte. "So wie ich jetzt."

Ich schwieg und musterte ihn kritisch, was wenn er sich was zusammen spinnte? Warum hatte ich nie was davon gehört? Gut, vielleicht, weil ich mich nie sonderlich mit Dschinns befasst hatte, außer eben, dass ich einem gut 10 Jahre bis in die Haarspitzen verfallen gewesen war. 

Betonung auf war.
Jetzt war ich es nicht  mehr.
Ganz sicher nicht. 

"Es läuft in Etappen ab. Das Wichtigste kommt immer zu erst: Eine Identität, die einigermaßen passt. Der Instinkt eines Dschinn ist es nicht aufzufallen. Also stellte sich die Sprache nahezu sofort auf die Umgebung und die Zeit ein und man hat ein Gespür für das passende Erscheinungsbild. Dann folgt in den nächsten 3 Stunden, dass allgemein Wissen, damit man Konversation betreiben kann ohne im Dunkel der Welt der zwischenmenschlichen Interaktion wie ein Freak zu leuchten und dann, nach und nach, der Rest - bis einem nach spätestens 7 Stunden gar nicht mehr auffällt, dass der Dschinn ein paar Jahrzehnte verpasst haben könnte. Oder eben drei Jahrhunderte." 

Letzteres klang bitter und für einen Moment huschte etwas in einer Mischung aus Trauer, Bedauern und - zu meinem Erstaunen - Wut über sein Gesicht. Ich legte den Kopf schief. "Wie bist du aus deiner Öllampe gekommen?", fragte ich. "Meiner was?" Joshua zog irritiert die Augenbrauen zusammen. "Ist das ein Klischee?" Er schien für sich selbst zu stutzen und in seinem Hirn zu kramen. "Das ist ein Klischee", beantwortete er sich die Frage selbst mit einem kleinen Lachen. "Öllampe ist für Anfänger. Ich steckte in einem Tintenfass." 

Einem Tintenfass

Falling for youWhere stories live. Discover now