der Mann von nebenan

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Samstagmorgen, bereits 25 Grad im Schatten, bisher nur einen Kaffee und eine Schale Cornflakes vernichtet und was sagte die Waage?

Mit hängenden Schultern und mieser Laune im Gesicht stieg Elli von eben diesem Glasgestell herunter und würdigte die digitale Anzeige keines Blickes mehr. 126 Kilo...

Schade, dass Ihr Leben kein Bridget Jones Tagebuch war und ihr Gewicht die gleiche Zahl in britischen Pounds, denn dann wäre sie etwas mehr als 57 Kilo leicht, aber so...

Seufzend bezog die Brünette Stellung vor ihrem Bodenlangen Spiegel und betrachtete ihr Gesicht. Das lange, dicke Haar wellte sich leicht an den Spitzen, ihre Augen waren groß und braun wie die Strähnen um sie herum und ihre Nase hob sich keck in einer kleinen Spitze empor. Alles in allem ein niedliches Gesicht, bis hin zu den schwungvollen Lippen und den hohen Wangenknochen.

Doch dann kamen der Hals, der bereits zu dick erschien, und die kleine Speckrolle unter ihrem Kinn. Das Schlüsselbein war gar nicht erst zu sehen und durch ihre Oberarme wirkten ihre Schultern unnatürlich breit.

Nun, das Gute daran war, dass man wenigstens noch die typisch weibliche Sanduhrenform erkennen konnte – anders als bei manch anderen Personen ihrer Gewichtsklasse – doch alles in allem war sich Elli in einer Sache sicher: Vom Hals an abwärts konnte man sie gerne in Stücke hacken.

Sie drehte sich von ihrer vielleicht noch annehmbaren Front zur Seite und begutachtete das Ding, das am schwersten zu verstecken war: Ihren Bauch. Groß und rund stellte er sich von ihr ab, beinahe wie ein Schwangerschaftsbauch, wenn da nicht die kleine Rolle am unteren Ende wäre, die herum zu baumeln begann...

Sie seufzte, wandte sich schnell ab, ehe sie in noch tiefere Depressionen versinken konnte und griff sich das Knielange weiß-schwarze Sommerkleid über dem Badewannenrand.

„Elli", hallte es da schon durch die Wohnung und noch bevor sie den Neckholder richtig schließen konnte, platzte ihre Mutter herein. „Elli, Elli, hast du schon mal raus gesehen?", sang sie mit quietschender Stimme und sprang wie eine Siebzehnjährige zum Fenster.

Ihre Tochter seufzte theatralisch.

„Mama, was willst du?", fragte sie wenig begeistert und stieß dabei schwer die Luft aus.

„Mama hat schon wieder einen neuen Freund für dich gefunden.", sang ihr zehnjähriger Bruder von der Wohnungstür her, in der er mit verschränkten Armen lehnte. „Knutsch, knutsch."

„Ben, hast du heute nicht ein Fußballspiel?", wollte Elli wissen und kam zu ihm hinüber geschlendert.

„Ja und genau dahin waren wir eigentlich gerade unterwegs...", grummelte der Blondschopf, als ihre gemeinsame Erzeugerin erneut zu ihnen gesprungen kam, ihre Tochter schnell am Handgelenk packt und mit sich schliff zum Fenster.

„Da guck nur, guck, ist der nicht süß?", freudig hüpfte sie von einem Fuß auf den Nächsten und wies hinaus.

Von Peinlichkeit geblendet – zum Glück konnte niemand außer ihrem Bruder das Schauspiel miterleben – warf Elli einen Blick durch die Scheibe und sah gerade noch einen kurzgeschnittenen, dunkelblonden Kopf und zwei muskulöse Arme eine große Kiste in das Nachbargebäude tragen.

„Also Mama, ganz ehrlich, früher hast du ja wenigstens noch Fußballerwaden vollgesabbert, aber dass du jetzt schon auf Pappkartons stehst... na ich weiß ja nicht."

„Sie meint den Typen darunter, du Huhn!", warf Ben von hinten in die Runde und Elli konnte nur die Augen verdrehen. Langsam kam der süße, kleine Junge wohl doch ins schwierige Alter...

Genauso wie du bist...Место, где живут истории. Откройте их для себя