-30- Milch ohne Tiere

624 52 7
                                    

Beorn brummte vor sich hin und stellte die Axt neben dem Baumstumpf mit den Holzscheiten ab. Ohne ein Wort ging er durch die Tür, aus der die Zwerge gekommen waren und ließ sie hinter sich weit geöffnet. Ich nahm meinen Blick erst von Thorin, als Gandalf mich anrempelte und ich fast vornüber fiel. Mit wütender Miene starrte ich ihm hinterher, als er Beorn folgte und uns mit einem Winken befahl, ebenfalls wieder in die Holzhütte zu gehen. Thorin drehte sich augenblicklich um und folgte den beiden. Etwas enttäuscht, warum auch immer, sah ich ihm nach, strich mir dann meine Jacke glatt und näherte mich wieder dem Haus. Als ich eintrat, hörte ich Beorn einen klimpernden Kessel aufsetzen. Er schien uns wohl zunächst als seine vorübergehenden Gäste akzeptiert zu haben. Es war gut, jemanden wie ihn, einen Beorninger, einen Verbündeten nennen zu können. Zumal sogar die Orks den Hautwandler zu fürchten schienen. Auch, wenn er selber nicht ganz von unserem Besuch begeistert war. Beorn stellte riesige Teller mit Essen auf den Tisch, darunter waren frisches Haferbrot, Beerenmarmelade und eine große Schüssel mit Honig. Bei dem Anblick verkniff ich mir ein Lachen. Gandalf wies uns an, uns an die lange Tafel zu setzen und nahm selber neben dem Stuhl von Beorn Platz. Bevor ich mich auf den hintersten Stuhl im Raum setzen konnte und damit möglichst weit von allen anderen saß, vollführte Gandalf eine Handbewegung, die mich notgedrungen zu ihm rief. Er zeigte auf den Stuhl gegenüber von ihm, dem Stuhl rechts neben Beorn. Oh. Um den Hautwandler zu besänftigen, dass er nicht neben einem Zwerg sitzen muss?, überlegte ich. Ich zögerte kurz, denn Beorns riesige Erscheinung neben mir sitzen zu sehen bereitete mir doch etwas Sorge. Falls er nämlich doch noch wegen irgendetwas wütend werden sollte, würde er das höchstwahrscheinlich zuerst an mir auslassen. Trotzdem ging ich quer durch den Raum und versuchte, mich auf den Stuhl zu setzen, doch er war ziemlich hochgebaut. Verdammt, ist das erniedrigend. Der Halbling kommt nicht auf einen Stuhl, das muss bestimmt zum Lachen sein. Natürlich war es das, vor allem, wenn sich ein Zwerg namens Fili neben einen setzte.
,,Bilbo, brauchst du zufällig eine Hand?", sagte er unerhörter Weise und lachte laut. Innerlich zerfraß mich der Scham, äußerlich kochte ich vor Wut.
,,Nein", meinte ich mit einem vernichtenden Blick und Fili hob abwehrend die Hände.
,,Gut, gut. Ich überlasse es ganz dir." Er setzte sich mühelos auf seinen Stuhl, der mir sowieso auch viel niedriger als meiner vorkam. Ich legte meine Hände auf den Stuhl, hüpfte schnell hoch und saß dann auch am Tisch, wie schon all die anderen Zwerge und Gandalf. Ich sah nach vorne und zu meinem Schreck saß neben Gandalf natürlich niemand anderes als Thorin, der den Blick zu seiner Rechten gewandt hatte. Jetzt, da er genau vor mir saß, bietete sich mir die gute Möglichkeit, seine Erscheinung ausführlicher zu betrachten. Sein Gesicht wirkte bleicher als an den letzten Tagen und er schien den ganzen Morgen in Gedanken versunken zu sein. Die tiefen Schnitte auf seinen Wangen und seiner Nase traten besonders hervor und ließen mich mit einem mulmigen Gefühl im Bauch zurück. Sein Ausdruck war eisern, doch ich konnte ganz leicht in seinen Gesichtszügen den Schmerz erkennen. Ich war über seine Zähheit erstaunt und noch viel mehr besorgt, denn wer wusste, wie schlimm es eigentlich um ihn stand. Er lauschte aufmerksam Dwalins Worten und schluckte plötzlich. Wie gebannt sah ich an seinem Hals hinunter und stellte mir vor, wie es wäre, wenn ich ihn berühren könnte. Schlagartig wurde mir in die Seite gestoßen und ich drehte mich hektisch von dem Anblick weg.
,,Du starrst schon wieder", flüsterte mir Fili zu und gab mir ein wissendes Zwinkern. Leicht verärgert stieß ich Luft aus meiner Nase aus und ignorierte seinen Blick. So langsam geht mir Fili doch wirklich auf den Zeiger. Denkt, er habe zu bestimmen, wo ich hinschauen darf und wo nicht. Gerade hatte ich ein wenig Zeit, ihn wieder anzusehen... Ich frage mich doch nur, was ihm fehlt... und natürlich, wie man ihn aufmuntern könnte. Letzteres versuchte ich mit einem Kopfschütteln aus meinen Gedanken zu streichen. Beorn nahm den Kessel von der Feuerstelle, kramte fünfzehn riesige Becher aus einem Schrank hervor und füllte sie mit... Milch? Er ging um den Tisch herum und stellte jedem Zwerg brummend einen Becher vor die Nase, bei Gandalf und mir blieb er still. Dann setzte er sich auf seinen Stuhl und nickte kurz in die Runde, um uns das Speisen zu erlauben. Die Zwerge bedienten sich zögerlich an dem Essen, doch ich verspürte keinen Hunger. Ich starrte in meinen Becher. Die weiße Flüssigkeit schimmerte mir entgegen, doch konnte ich mich nicht daran erinnern, ein milchproduktierendes Tier gesehen zu haben. Überhaupt sah die Milch ganz anders als die aus, die ich aus dem Auenland kannte. Sicher, dass das nichts anderes ist? Sieht nicht nach Kuh-, Schafs- oder Ziegenmilch aus. Hmm... Ich warte lieber ab, wie die Zwerge darauf reagieren, bevor ich davon trinke. Kili hatte seinen Mund schon an den Becher gesetzt, doch Fili neben mir starrte genau wie ich in den Becher. Er musste wohl den gleichen Zweifel wie ich haben. Doch anders als bei mir wanderten seine Mundwinkel in die Höhe, warum auch immer. Nach einem kurzen Augenblick lehnte ich mich zu ihm und fragte:
,,Sag mal... findest du es nicht auch komisch, dass wir hier eine milchige Substanz vorgesetzt bekommen, wo es doch im ganzen Haus kein einziges Tier gibt?" Bevor Fili darauf reagieren konnte, verschluckte sich Kili laut und prustete in seinen Becher. Die Milch spritzte ihm dabei genau ins Gesicht und tröpfelte an seinen Bartstoppeln hinunter. Fili fing sofort an schelmisch zu grinsen und warf seinem Bruder entgegen:
,,Genau so sah Dérek nach unserem kleinen Späßchen aus." Kili verschluckte sich noch einmal, stellte den Becher schnell ab und stieß seinen Bruder mit so einer Wucht weg, dass er fast gegen mich prallte.
,,Bei Durins Bart, Fili, du bist so ekelhaft!", stieß er aus und wischte sich mit dem Ärmel die Flüssigkeit aus dem Gesicht. Ich starrte die beiden stumm an, denn ich wusste nicht, was hier vor sich ging. Fili lachte verspielt, doch Kili senkte den Blick.
,,Jetzt kann ich Dérek nie mehr unter die Augen treten", merkte er an und schüttelte den Kopf. Fili stieß seinen Bruder neckisch in die Seite und meinte aufziehend:
,,Ach was, mich kannst du doch auch noch ertragen. Jetzt weißt du dafür endlich, bei wem ich die Finger im Spiel hatte." Er beugte sich plötzlich zu seinem Bruder herunter und senkte die Stimme.
,,Wortwörtlich", schnurrte er. Kili schob ihn mit angeekelter Miene von sich und Fili lachte laut und schallend. Ich sah die beiden unverständlich an und blickte in den Becher vor mir. Ich hatte meine Finger darum gelegt, um sie aufzuwärmen und starrte in den Inhalt. Mit wirren Gedanken ließ ich die weiße Flüssigkeit umherschwappen und dachte über die Worte der beiden nach. Nach einem langen Augenblick weiteten sich dann meine Augen. Oh Gott. Fili hat doch nicht... Oh. Mein. Gott. Hilfe! Reflexartig schob ich den Becher von mir weg und hatte wirklich Glück, dass er nicht umkippte oder die Flüssigkeit über den Rand schwappte. Schnell sah ich nach rechts. Beorn schien in ein Gespräch mit Gandalf verwickelt zu sein und hatte meine Reaktion wohl nicht mitbekommen. Ich sah umher, doch die restlichen Zwerge unterhielten sich ohnehin laut miteinander und bemerkten mich nicht, wie immer.
,,Na Bilbo, dürstet es dich etwa nicht?", höhnte Fili und sah mir herausfordernd in die Augen. Doch statt mich angegriffen zu fühlen, kam mir der Gedanke für einen unerwarteten Rückschlag. Wenn Fili wirklich das denkt, was ich denke, dass er denkt, dann denke ich hoffentlich richtig. Blamieren möchte ich mich jetzt ungern. Ich erwiderte nichts auf Filis Bemerkung und griff stattdessen wieder nach dem Becher. Ich brach den Augenkontakt zu ihm nicht, als ich den Becher an meine Lippen hielt und einen großen Schlunk daraus nahm. Seine Augen huschten von meinen Augen zu meinen Lippen, dann hinunter zu meinem Hals. Ich gab einen kleinen genießerischen Laut von mir und bemerkte, wie sich seine Augen weiteten. In einem Zug trank ich den Inhalt aus und knallte den geleerten Becher auf den Tisch. Die, ich hoffte, es war so, Milch tropfte mir von der Lippe über mein Kinn hinunter. Mit meinem Finger wischte ich den Rest ganz langsam und provozierend weg. Fili starrte mich mit offenem Mund an und zum Abschluss meines Hohns zwinkerte ich ihm sogar noch zu. Fili wurde ganz blass im Gesicht und senkte den Blick auf die Tischplatte. Ich sah in die Runde und wurde von allen Seiten angestarrt, sogar von Gandalf und Beorn, der jedoch eher einen fragenden Blick im Gesicht hatte. Die Zwerge brachen in lautes Gelächter aus und richteten alle ihre Blicke nur auf Fili. Dieser wirkte eher wütend als beschämt, doch das musste er einmal aushalten. Wie oft ich schon von ihm gepiesackt wurde... Tja, leg dich nicht mit Bilbo Beutlin an, fand ich und lächelte verschmitzt. Ich bemerkte einen weiteren, weitaus eingehenderen Blick auf mir. Mein Kopf drehte sich in die Richtung. Thorin. Ein Schauer lief mir über den Rücken. Bei dem finsteren Gesichtsausdruck, mit dem er mich ansah, gefror mir das Blut in den Adern. Oh oh. Scheinbar bis auf dem Blut in meinen Wangen, denn die wurden natürlich ohne Ausnahme heiß wie ein Kaminfeuer. Thorin schien seinen Becher nicht angerührt zu haben und hatte wohl gerade dem Gespräch von Gandalf und Beorn gelauscht. Natürlich ist er wütend, ich habe das wichtigste Gespräch unserer Reise mit meiner Ich-muss-mich-beweisen-Aktion unterbrochen. Doch... ich möchte nur wieder diese Nähe zu ihm. Diese kleinen Augenblicke zwischen uns, die etwas mit mir machen. So wie eben. Es war ein reizendes Gefühl... Warte. Wie bitte? Ich sollte meine Fantasien aus dem Spiel lassen..., dachte ich und wich seinem Blick aus. Ich starrte auf den Tisch und zählte die Einkerbungen und Schrammen. Bitte wechselt das Gesprächsthema. Bitte. Und tatsächlich räusperte sich Gandalf unüberhörbar und sah zu Beorn. Dieser war aufgestanden und füllte die Becher ein weiteres Mal, dabei ging er um den Tisch herum.
,,Nun, du bist derjenige, den sie Eichenschild nennen. Sag mir...", er schüttete den Becher von Thorin bis zur Kante und beinahe schwappte etwas über, ,,warum ist euch Azog der Schänder auf den Fersen?" Thorin sah mit einem undefinierbaren Ausdruck auf den Becher, dann hob er seinen Blick.
,,Du hast von Azog gehört? Woher?", fragte er und seine dunkle Stimme klang mir laut in den Ohren wider. Zuletzt hatte ich sie am gestrigen Nachmittag gehört. Beorn sah ihm genau in die Augen und setzte einen neutralen Ausdruck auf.
,,Mein Volk war das erste, das in den Bergen lebte... bevor die Orks aus dem Norden kamen. Der Schänder tötete den Großteil meiner Familie", sprach er und die Zwerge sahen sich verunsichert an. Ich wollte mir nicht vorstellen, wie es wäre, wenn das Auenland von Orks überrannt werden würde. Da stach mir etwas Metalliges an Beorns Handgelenk ins Auge. Es war eine enge Handschelle und seine Haut darunter war mit roten Striemen besetzt. Am Ende hing eine verrostete Stahlkette herunter, die sich immer wieder um sein Bein schlug. Ich schluckte, nun ebenfalls unsicher.
,,Doch einige von uns versklavte er. Nicht zum Handwerken, müsst ihr verstehen. Zur Vergnügung. Hautwandler einzusperren und sie zu foltern schien ihn zu amüsieren." Er sah uns düster an und ich legte bei seinen Worten meinen Kopf schief.
,,Es gibt andere wie dich?", platzte es aus mir heraus und ich zog Beorns Blick auf mich, ebenso wie die der Zwerge und Gandalf. Beorn sah mich lange an, bis er weitersprach.
,,Damals gab es viele von uns...", antwortete er und sah auf den geleerten Becher vor mir herab. Seine Antwort warf Fragen auf, die mir auf der Zunge brannten.
,,Und heute?", fragte ich mit gesenkter Stimme und versuchte, die Blicke der Zwerge auszublenden. Sie schienen nicht davon erfreut zu sein, dass ich den Hautwandler ausfragte. Beorn richtete sich auf und nahm meinen Becher. Er strich in Gedanken vertieft über die raue Holzoberfläche und sah mir dann wieder genau in die Augen.
,,Heute gibt es nur noch einen." Ich starrte ihn an, denn diese Antwort hatte ich nicht erwartet. Mit einem zermürbenden Gefühl im Magen senkte ich meinen Blick. Beorn trat zu dem Ofenfeuer und setzte einen weiteren Kessel mit der weißen Flüssigkeit auf.
,,Ihr müsst den Berg vor den letzten Tagen des Herbstes erreichen", fiel ihm auf, ohne, dass er den Blick auf uns richtete. Gandalf drehte sich zu ihm um und beobachtete den Hautwandler genauestens.
,,Bevor Durinstag endet, ja", sagte er zustimmend und Beorn schwang den Kessel umher.
,,Euch geht die Zeit aus...", merkte er mit etwas verdunkelter Stimme an. Er griff nach dem Kessel, drehte sich zu uns um und befüllte meinen Becher wieder. Oh nein, nicht noch einmal, schoss mir durch den Kopf und ich bemerkte Filis Blick auf mir. Ich schnappte mir ein Stück des Haferbrotes und kaute darauf herum. Es schmeckte besser, als ich erwartet hatte.
,,Dies ist der Grund, weshalb wir den Düsterwald durchqueren müssen", erwiderte Gandalf ruhig und sah auf die Flüssigkeit, die in den Becher floss. Beorn goss ihn diesmal glücklicherweise nicht ganz bis zur Kante und fing dann wieder an, den Tisch zu umrunden. Thorin wirkte von Gandalfs Vorschlag überhaupt nicht begeistert und sah ihn mit dunkel brodelnden Augen an. Seine Lippen blieben dennoch versiegelt, wahrscheinlich reichte es ihm, sich vorzustellen, wie er Gandalf die Luft aus der Kehle drückte. Beorn ließ sich auf einem Sessel neben der Kochstelle nieder, als er alle Becher befüllt hatte.
,,Eine Dunkelheit liegt auf diesen Wäldern. Grausame Wesen kriechen unterhalb der Bäume. Es gab ein Bündnis. Zwischen den Orks von Moria und dem Nekromanten von Dol Guldur. Ich würde es nicht riskieren... außer in dringendster Not", sprach er unheilvoll und ich blickte etwas eingenommen zu Gandalf. Er nahm meinen Blick auf und versuchte, mich mit einem leichten Kopfschütteln zu beschwichtigen.
,,Wir werden dem Elbenweg folgen, dieser Pfad ist noch immer sicher", sagte er überzeugt und mit fester Stimme. Doch im Nachhinein wirkten seine Worte etwas zögerlich. Thorin erhob sich mit ernster Miene von seinem Stuhl und drehte uns den Rücken zu. Ich griff nach meinem Becher, legte ihn an den Mund und nahm einen Schluck, während ich ihn beobachtete. Fili neben mir gab ein kleines Grunzen von sich, doch ich beachtete ihn nicht. Wer weiß, was in seinem Kopf schon wieder vorgeht..., fand ich. Thorin verschränkte die Arme vor der Brust und ich wusste, dass er über die Worte der beiden nachdachte.
,,Sicher?", warf Beorn skeptisch ein und sah zu dem Zauberer.
,,Die Waldelben des Düsterwalds sind nicht wie der Rest ihrer Sippe. Sie sind weniger weise, dafür umso gefährlicher." Ich senkte den Becher in meiner Hand und sah über die unerfreuten Gesichter der Zwerge hinweg. Beorn schwieg einen kurzen Augenblick und sah auf seine Handschellen hinab. Dann lehnte er sich in seinem Sessel zurück und behauptete kühl:
,,Doch das ist nicht von Bedeutung." Thorin drehte sich um, seine welligen Strähnen wirbelten auf und gaben seiner Umdrehung etwas Stattliches. Was? Ich... sollte das lassen. Schnell nahm ich noch einen Schluck aus dem Becher, bevor ich mich schon wieder vor allen blamierte. Thorins tiefblaue Augen glitten zu Beorn.
,,Was meinst du?", fragte er und seine Stimme klang einen Hauch verächtlich. Doch in seinen Augen spiegelte sich der Zweifel wider. Beorn lehnte seinen Kopf zur Seite, während er den Zwergenkönig von oben bis unten musterte.
,,Diese Länder wimmeln nur von Orks. Ihre Zahl vermehrt sich. Und ihr seid zu Fuß. Ihr werdet den Wald niemals lebend erreichen", erwiderte er. Ungewiss krallte ich mich mit den Finger an meiner Stuhllehne fest und bemerkte es erst, als Fili draufstarrte. Bei Beorns Worten lief mir die Angst durch den Bauch. Mein Blick wanderte wieder zu Thorin, er hatte die Zähne aufeinander gebissen und blickte Beorn mit so viel Ärger und Zweifel an, dass mir der Atem stockte. Wenn schon der König unter dem Berge zweifelt... wie kann es sich dann für uns zum Guten wenden?, dachte ich.
Beorn stand vom Sessel auf, ging an den Zwergen vorbei und starrte in die abwechselnd leeren und vollen Becher. Als er bemerkte, dass meiner erneut geleert war, huschte für einen minimalen Augenblick ein zufriedener Ausdruck über sein Gesicht. Wie bitte, was? Oh nein...
,,Ich mag keine Zwerge", brummte er plötzlich und ich hörte einige der Zwerge schnauben. Thorin sah ihn wütend an. Ich war mir sicher, er musste sich denken, weshalb wir hier noch unsere Zeit verschwendeten, wenn uns der Hautwandler sowieso nicht helfen wollte.
,,Sie sind gierig... und blind...", sprach Beorn und ich blickte schräg zur Seite, dort, wo er stand. Ich sah, dass Nori in dem Moment eine kleine weiße Maus auf den Arm hopste und er sie unwirsch von seiner Hand schob.

,,Blind für das Leben derer, das sie für weniger würdig als ihres halten", gab Beorn bei dem Anblick von sich und Nori erstarrte. Der Hautwandler streckte langsam seine große Hand aus und nahm die Maus vorsichtig hoch. Mit dem Zeigefinger streichelte er ihr fürsorglich über den Kopf. Er stand nun unmittelbar vor Thorin, der auf die kleine Maus in der riesigen Hand sah. Der Blick des Hautwandlers richtete sich auf Thorin, der ihn hart erwiderte.
,,Doch Orks hasse ich mehr." Es herrschte eine angespannte Stille, in der Thorin nach einiger Zeit abwartend eine Augenbraue hob. Beorn verzog seine Lippen zu einem ruhigen Lächeln, das jedoch verzerrt aussah.
,,Was braucht ihr?", fragte er friedfertig.
Ein warmes Bettchen, dachte ich sofort und pulte Stroh von meiner Schulter. Ab dem Moment hörte ich den Stimmen von Gandalf und Beorn nicht weiter zu, ich war viel zu sehr in meine Gedanken an mein wunderschönes Beutelsend vertieft. Das werde ich eine lange Zeit nicht wiedersehen. Wenn ich doch nur wieder in einem richtigen Bett schlafen könnte... mit weicher Matratze, Kissen und Decken, die mich überall wärmen. Doch... wärmen tut mich auch etwas anderes. Sogar besser als irgendeine Decke es jemals könnte. Und der jemand saß genau vor mir.
,

,Bilbo, Kili, gehen wir?", fragte Fili und stand schon von seinem Stuhl auf. Er fasste seinem Bruder und mir an die Ärmel und zog uns mit sich. Will er uns noch mehr von seinen Geschichten erzählen? Nein danke, ohne mich. Meine Gedanken hat er auch noch unterbrochen..., meckerte ich innerlich. Ich versuchte mich vorsichtig aus seinem Griff zu befreien, doch er bemerkte es augenblicklich. Kili hingegen schaffte es mit einem starken, verärgerten Ruck und Fili sah ihn leicht verwirrt an. Kili zuckte die Schultern.
,,Ich gehe schon mal vor. Die Sachen zusammensuchen, die Beorn erwähnt hat", erklärte er sich. Fili nickte mit zusammengekniffenen Augen und Kili verschwand aus der Küche. Fili dachte nicht daran, den Zwergen beim Zusammensuchen von Proviant zu helfen und zog mich stattdessen weiter zur Tür. Doch noch mehrere Schritte bevor er dort ankam, trat plötzlich Thorin vor ihn und versperrte den Weg zum Ausgang. Sein Blick war düster und es wirkte, als würde er Fili am liebsten eigenhändig aus dem nächsten Fenster schmeißen. Er ging einen großen Schritt auf seinen Neffen zu und knurrte mit drohender Stimme:
,,Wohin soll es denn nun wieder gehen? Verschwindest du erneut wie die letzten Male und lässt dich gar nicht mehr bei deinen Gleichgesinnten blicken? Geh und beschaff die Sättel." Fili ließ schlagartig meinen Ärmel los und senkte den Kopf. Er nickte stumm, drehte sich weg und entfernte sich mit schleifenden Schritten von uns. Ich wusste, mir drohte nun auch eine Strafe und hoffte, ich musste nicht in die Nähe von Ponys oder Pferdehaaren kommen. Thorins Augen wanderten zu mir und er sah mich von oben herab einnehmend an. Das wärmende Gefühl in meinem Bauch nahm stark zu. Mit einem Kopfnicken in Richtung Tür befahl er mir, ihm nach draußen zu folgen.
Ich konnte ihm nicht widerstehen.

King Under The Moantain | bagginshieldWhere stories live. Discover now