Kapitel 6 - Ryan

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Ryan

Zeitgleich mit Kapitel 5.

Neuer Tag, neue Erfahrungen und neue Überraschungen dachte ich mir, als ich von meinem Motorrad stieg und auf das alte Gebäude zuging. Theoretisch hätte ich heute mit einem Paul eine andere Station angeschaut, aber er wurde plötzlich krank und deswegen entschloss ich mich auf der selben Station wie gestern zu bleiben. Das lag zwar nur an einer Person, aber das musste ja niemand wissen.
Drinnen empfing mich die bekannte Kälte und Ruhe. Jedoch ließ der Gedanke an Lili, auf die ich gleich hoffentlich traf, mein Inneres erwärmen und ein Grinsen trat auf meine Züge.

Du bist komisch.

Ich spazierte zu den Treppen und begab mich auf die entsprechende Station. Dort angekommen, spielt sich der gleiche Ablauf wie gestern ab. Alle Patienten trotteten aus ihren Zimmern mit dem Unterschied, dass die Tür geschlossen blieb, aus der Lili hätte kommen müssen. Verwundert ging ich in die Cafeteria. Vielleicht war sie ja dort.

Aber auch hier fehle sie fehlte gänzlich. Irgendwas in mir wollte sie unbedingt sehen. Zum einen, weil ich wissen wollte, ob sie sich an die Abmachung hielt und zum anderen, weil...ja...keine Ahnung. Es sah bestimmt bescheuert aus, wie ich umherirrte.

Vor ihrer Zimmertür angekommen, klopfte ich sanft an, aber es herrschte Stille. Ich drückte die Türklinke nach unten und spickte durch den kleinen, nun offenen Spalt in das Zimmer. Wieder nichts.
Verwirrt schloss ich die Tür und suchte jemanden, der vielleicht wusste, wo sich das braunhaarige Mädchen befand. Einen Augenblick später fand ich Lydia und eilte auf sie zu. Sie schien mir ganz nett.
„Wo ist Lili?" fiel ich direkt mit der Tür ins Haus.
„Dir auch einen guten Morgen. Wo Lili sich befindet kann ich dir nicht sagen. Ist sie nicht in ihrem Zimmer?" hakte sie nach, doch ich schüttelte den Kopf. „Im Speiseraum ist sie auch nicht."
„Hm. Dann geh Adam fragen. Der wird es sicherlich wissen. Viel Glück." zwinkerte sie mir zu und verschwand. Auf direkten Weg zu Adam, malte ich mir die schrägsten Fantasien aus.

Wieso machte ich mir eigentlich so viele Gedanken um ein Mädchen, dass ich kaum kannte? Ich wusste vielleicht wie sie hieß und welche Krankheit sie hatte, aber ihre Geschichte kannte ich kein Stück.

Ich blieb vor dem breitgebauten Mann — alias Adam stehen und sah, wie er mit jemanden diskutierte. Kurz spickte ich über seine Schulter und sah einen ziemlich aufgewühlten älteren Mann vor ihm stehen, der sich durchgehend die Haare raufte. „Können sie keine Acht auf meine Tochter geben?! Wie kommt es dazu, dass sie wieder im Krankenhaus liegt?" regte sich der Spanier verzweifelt auf

„Beruhigen sie sich Martino. Lili ist dort in guter ärztlicher Behandlung und sie ist schon wieder wach. Sie muss unbemerkt Sport gemacht, oder andere Methoden angewendet haben, dass sich ihr Zustand so rapide verschlechtert hat und ihr Herz aussetzte."

Lili. Ich spürte, wie mir die Farbe aus dem Gesicht blich, aber ich durfte mir meine Angst nicht anmerken lassen, obwohl meine Gedanken nur um sie kreisten.

„Es ist mittlerweile das sechste Mal, dass sie wegen ihrem Herzen im Krankenhaus liegt. Könnt ihr nichts tun, damit dieser Fall nicht mehr Eintritt?!"
„Eine stetige Bewachung wäre vielleicht ganz sinnvoll." mischte ich mich ein. Dunkelblaue Augen fixierten mich und der dunkelhaarige Mann fing langsam an zustimmend zu nicken.
„Das ist nicht möglich. Wir bräuchten dafür zwei, die in ineinandergreifenden Schichten arbeiten und ausschließlich bei ihr bleiben würden. alle Kollegen haben jedoch schon ihre feste Zeiten." winkte Adam ab und schaute entschuldigend.

„Ich könnte die Nachtschicht teilweise übernehmen." verließen die Worte schneller meine Lippen, als ich überhaupt darüber nachdenken konnte.
„Das würdest du machen?" fragten beide und ich nickte. Ich meine, einen gewissen Glanz in den Augen von Lili's Vater gesehen zu haben ehe er mir aufrichtig auf die Schulter klopfte. „¡Muchas gracias!" (Danke vielmals)

Im Pausenraum schweiften meine Gedanken ununterbrochen zu Lili und wie es ihr wohl gerade erging. Da ich aber noch kein Feierabend hatte, durfte ich nicht zu ihr und sobald ich hier fertig war, endete die Besucherzeit im Krankenhaus. Dafür würde ich sie morgen früh abholen. Außerdem begann morgen der erste Tag, in der ich die Nacht bei Lili verbrachte. Ich war mir sicher, sie würde das alles andere als gut heißen, aber im Inneren war sie froh, nicht alleine zu sein. Das wusste ich.
Ich schnappte mir mein Handy und teilte die Neuigkeiten erst meiner Mutter und anschließend der von meinen Kumpels und mir errichteten FSJler - Gruppe mit.

Gruppenchat:
Ryan: Jo, ich werde jetzt Nachtschichten machen.
Cole: bist du bescheuert?
Brian: in dieser Irrenanstalt?
Ryan: das ist keine Irrenanstalt.
Cole: und was ist mit Davids Houseparty übermorgen?! Du lässt dir doch nicht die den Alk und die end geilen Weiber entgehen, oder?!
Ryan: Ich passe auf das Mädchen auf, von dem ich euch erzählte.
Cole: Auf den Stock. Dein Ernst?
Brian: die bricht doch zusammen, wenn du sie knallst.
Cole: Brian! Er lässt uns wegen dem Stock im Stich!
Ryan: Hört auf Jungs! Ich knall' sie nicht und nenn sie nicht nochmal Stock Cole! Du wirst deine geliebten Kronjuwelen schneller los sein, als du aua sagen kannst.
Cole: Hört ihr das Knistern?
Brian: ich sehe auch die sprühenden Funken!
Ryan: ihr seid doch bescheuert.

Gruppenchat Ende.

Wisst ihr...an sich waren die beiden total korrekt, aber es gab Situationen, in denen sie sich wie Kinder benahmen.
Wir waren Neunzehn und Cole wurde bald schon zwanzig. Da ging wohl eine Menge schief.

Als die Pause ihr Ende fand, verschwand ich in den anliegenden Garten und schaute mich um. Obwohl die Fläche relativ groß war, fühlte ich mich durch die Zäune eingeengt. Wie sollte man ihr gesund werden, wenn man das Gefühl von Freiheit verlor? Ich verstand es nicht aber ich wusste schon, wie ich Liliana ein wenig mehr Lebensfreude bereiten würde.

Bei meinem Rundgang erblickte ich wieder einmal Lydia und ging zu ihr. Sie saß auf einer Bank und schaute in den Himmel.
„Hey." ihr Blick fiel auf mich und ihre Mundwinkel hoben sich ein wenig. „Na. Und weißt du jetzt, wo Lili ist?" ich bejahte und schaute geradeaus.
„Ich werde ab morgen ganze Nächte bei ihr verbringen."
Erstaunt hob sie eine Augenbraue und fing direkt an zu grinsen. „Uhh."
Ich schüttelte nur lachend den Kopf.
„Ne jetzt aber mal im Ernst. Ich glaube, dass es ihr guttun wird. Sie hatte sich ewig isoliert und nie gesprochen. Vielleicht ändert sich das ja jetzt!" Hoffnung schimmerte in ihren Augen. Lili musste ihr wirklich viel bedeuteten. „ ich hoffe es. Sag mal, wie lange kennst du Lili schon?"

[...]

„Und so haben wir uns kennengelernt." sie war das komplette Gegenteil von Lili. Sie sprach wie ein Wasserfall und hörte auch nicht auf.
Aber wow. Sie kannten sich seit der Grundschule, verloren sich dann aus den Augen und sahen sich vor drei Jahren in der ersten Klinik wieder, bevor sie zusammen in die selbe Psychiatrie mussten. Was Lydia mir in 30 Minuten erzählte, konnte ich in keiner Minute zusammenfassen. Man musste bedenken, dass sie mein Zusammengefasstes noch stark ausschmückte.

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Wie findet ihr Ryan? 🧡

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