Sohn des nahenden Krieges

2 1 0
                                    


Vielleicht bin ich ja falsch in dieser Welt. Oft fühle ich mich als würde ich nicht dazu gehören. Dass ich ein Einzelfall bin tröstet mich nur wenig. Zur Hälfte Elb zur Hälfte Biest, sowohl Wasser als auch Feuer. Ich sehe aus wie die einen und benehme mich wie die anderen.

Ich war das Kind des nahenden Krieges. Meine Mutter war die Königin von Salem. Sie ritt mit ihrer Schwester aus und wurde von Yrch überfallen. Der Schlag kam völlig überraschend. Beide wurden gefangengenommen und gefoltert. Die Yrch ahnten, dass beide strategische Informationen wussten. Als Tante Lelivan spürte, dass sie es bald verraten würde, atmete sie das Wasser ein statt es zu trinken. Sie brach röchelnd und keuchend zusammen. Die Yrch waren so fasziniert von ihrem Leid, dass sie einander zu Tode drückten um es zu beobachten. Der Herr des Dunkels hat sie dafür bestimmt büßen lassen, doch sie sind zu fasziniert vom Tod um jemals zu helfen. So starb meine Tante mit ihren Geheimnissen.

Nun kam meine Mutter an die Reihe. Ich hab nie erfahren was sie genau erleiden musste. Man sagte mir nur, dass sie an der Grenze des Wahnsinns stand, als man sie befreite. Normalerweise töten die Yrch alle Gefangenen, wenn eine Festung angegriffen wird. Doch meine Mutter ließen sie nicht ohne Grund am Leben. Sie trug mich.

Man hatte nie davon gehört, dass die Yrch je eine Elbin begehrt hätten. Doch dieses eine und einzige Mal geschah es. Solange Elbenkinder sich geborgen fühlen und still den Stimme von außerhalb zuhören, brannte ich wie Feuer im Leib meiner Mutter. Der Wunsch zu zerstören lag mir im Blut. Ich spürte ihren Schmerz und in mir entbrannte eine wilde Habgier. Doch meine Mutter ließ mich ihre ganze Liebe spüren. Mitten in die Freude an ihrem Leid kam dieses unbekannte Gefühl. Eine sonderbare Wärme, wenn auch gezeichnet von Leid und Trauer. Ich lernte diese Wärme zu genießen und bekam den Wunsch sie zu erwidern.

Oft rolle ich mich heute noch zusammen und träume mich geschlossenen Augen von dieser Wärme. Wäre ich damals gestorben, so wäre ich glücklich gestorben. Doch Mutter bot ihre letzte Kraft auf und brachte mich zur Welt. So nahm ich ihr das Leben.

Das erste was meine Augen sahen war ein grelles Licht. Ich schrie vor Angst. Es war so kalt und zugig. Große Hände nahmen mich und sorgenvolle Augen sahen mich an. Sie sahen in meinem Gesicht, dass Gesicht meiner Mutter, so wie auch die Fangzähne in meinem Mund. Unten lag ein riesiges Wesen. Ein letztes Mal lächelte der Mund für mich und dann schlossen die Augen sich für immer. Die Wärme verschwand. Eine Welle von Schmerz durchlief die Riesen. Glitzernde Tränen liefen aus ihren Augen. König Adriel atmete tief ein und sang.

Die war meine Eleptika. Mein Lebenslied. Ein jeder Vater singt es seinen Kindern und es wächst mit ihnen. Die Klage um meine Mutter wich der Freude über meine Geburt und einer Hoffnung, die mich mein Leben lang begleiten sollte. So fing mein Lied an.

Schon während des Lieds fing der König an mich immer fester an seine Brust zu drücken und der Prinz presste sich an uns. Beide hielten mich fest, als wollten sie den Tod aufhalten, wenn er kommen würde um mich zu holen. Trauer mischte sich mit dem Gefühl, dass diese beiden Riesen für mich kämpfen und sterben würden, wenn es nötig wäre.

Dann erhielt ich einen Namen. Fealim, heißt Dämmerung. Jeder hoffte mein Licht würde zunehmen so dass ich Elb sein würde.

Der König nahm sich meiner an und zog mich wie sein eigenes Kind auf. Als ich die Brüste meiner Amme blutig biss, ließ mich sein Entsetzen starke Schmerzen spüren. Nun ekelte ich mich vor mir selbst und bekam von nun an eine Flasche. Mein erwachsener Bruder lehrte mich zu singen. Und ich sang. Lange bevor ich das erste Wort sprach kannte ich schon Melodien. Lange bevor ich sie verstand spürte ich schon wie Poesie die Herzen der anderen berührte. Weil der König mich liebte, duldete er keinen Ungehorsam. Mit aller Kraft trieb er mir alles Yrchische auch. Ich war glücklich - und doch gehörte ich nie dazu.

Außer mir hatte keiner das Bedürfnis andere an den Haaren zu ziehen oder Sandburgen zu zerstören. Die anderen rauften nur wenn sie wütend waren oder um ihre Kräfte zu messen. Ich aber hatte Freude an den Schmerzen anderer und genoss es ihre Schreie zu hören.

Schlimmer noch war mein Durst nach Blut. Er wurde so schlimm dass ich anfing nachts Mäuse zu fangen um sie lebendig zu essen. Ich ekelte mich mit ganzem Herzen und doch konnte ich es nicht lassen. Es machte mir einfach zu viel Spaß.

Ich schämte mich für mich selbst und hasste mich. Vater erzog mich mit Ermahnungen und Strafen und als das nicht half mit Schlägen. Verzweifelt sah meine Familie wie ich das Dämonische genoss. Er und mein Bruder Hilurim wandten ihre ganze Kraft an um mich für die Dinge wie Poesie und Sterne zu begeistern. Doch sie schafften nie mir meine Grausamkeit auszutreiben. Ich konnte stundenlang die Sterne bewundern oder Bände von Gedichten lesen. Beides rührte mich zu Tränen und trotzdem freute ich mich jedes Mal, wenn jemand litt.

Eines Tages fiel Hilurim die Treppe herunter. Ich hörte ihn schreien und musste grinsen. Ich gab mir große Mühe mir das Lachen zu verkneifen als ich kam um ihm zu helfen. Er stand am unteren Ende der Treppe und rieb sich den Rücken. „Mir ist nichts zugestoßen," versicherte er ruhig den Wachen, die schon da standen.

In diesem Moment prustete ich los. Ich lachte, dass ich zu Boden fiel und Speichel tropfte von meinen Fangzähnen. Hilurim drehte sich um und bückte sich zu mir. Mein Lachen verging sofort als ich sein Entsetztes Gesicht sah. Er sah mir in die Augen, als wollte er auf den Grund meines Herzens blicken. Lange sah er mich nur an.

„Fealim, liebst du mich?", sprach er endlich.

Mir kamen die Tränen und ich drückte mich an ihn.

„Es tut mir so leid... Ich... ich konnte nicht anders."

Er nahm mich auf den Arm. Ich schmiegte mich an ihn und wünschte, er würde mich für alle Ewigkeit festhalten. Mehr Beweis brauchte er nicht. Trotzdem spürte ich die Sorgen tief in ihm. Lange standen wird so bis ich zu ihm aufblickte und er mir etwas sagte wovor ich mich mein ganzes Leben gefürchtet hab.

„Es dämmert, Fealim, pass auf sonst wird es Nacht."

An diesem Abend lag ich zitternd im Bett. Ich hätte ihm so gerne widersprochen, aber er hatte recht. Innerlich begann ein Kampf. Die Hälfte von mir schwor, dass ich niemals ins Dunkel sinken würde. Morgendämmerung und nicht Nacht wollte ich sein. Hell, lieb und voller Hoffnung.

Doch eine zweite Stimme sprach dagegen. Solang ich mich mit aller Kraft sträubte und mich selbst verwünschte, fragte diese nur: „Ist das Dunkel wirklich so schlimm?"

Ich war zu Hälfte eine Lebensform die nur Hass kannte. Vor Zeiten hieß es seihen Elben gefangen worden. Dann bot der Dunkle seine ganze Kraft auf und verwandelte sie in etwas was ihm besser gefiel. Lieblos, Grausam, Skrupellos und Kontrollierbar. Yrch waren die bittersten Feinde der Elben.

Lange bevor die Zeit gezählt wurde, war mein Großvater im Krieg der Vernichtung gefallen. Meine Großmutter sagte immer die ganze Welt sei dabei umgewälzt worden. Ströme versiegten, das Meer fraß Küsten, Berge rückten vor und der Meeresgrund kam an Licht. Der Dunkle Heerscher war besiegt, aber nicht vernichtet. Jedes Kind kannte die Geschichte.

Nur erholte er sich und griff wieder nach den Yrch. Die kleinen Schatten Reiche die sich nur darin einig waren, dass Foltern ihnen Freude macht, vereinten sich nun zu einer Macht die nicht zu unterschätzen war. Die Überfälle wurden systematisch und die Angriffe wurden ein Krieg.

DämonologieWhere stories live. Discover now