Leben in Blutdurst

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Dreihundert Jahre lebte ich wie ein Tier. Kein einziges Wort kam über meine Lippen, denn ich verachtete meine Muttersprache. So knurrte und grunzte ich mir selbst zu. Ich jagte mit meinen Händen und aß meine Beute roh. Oft tötete ich einfach weil es mir Freude machte. Am Tag verkroch ich mich in den tiefsten Löchern. Ich hasste jedes Licht. Deshalb trieb es mich immer tiefer in den Wald hinein. Die einzelnen schönen Buchen, an unserer Mauer wurden zu einem undurchdringlichen Dickicht. Kein Licht drang je an seinen Grund, denn hier herrschte der Finstere. Mein Äußeres interessierte mich nicht mehr und ich verlor jedes Gefühl für Zeit.

Doch während ich schlief kamen mir Bilder aus meiner Kindheit. Ich spürte die Wärme der Sonne, hörte meine Großmutter singen, ich spielte mit meinen Freunden... Ohne meine Familie wurde mir erst wirklich bewusst, wie sehr ich sie liebte. Jede Nacht wünschte ich mir ich würde zu Hause aufwachen. Doch kaum war ich wach so lag ich allein in der Kälte und im Dunkel.

Ich vermisste sie kurz und spürte dann, dass ich niemals zurückkehren konnte. Tausend Gründe sprachen dagegen. Ich sagte mir immer wieder, dass sie zu recht wütend wären und mich nicht zurück haben wollten. Dann verhärtete ich mich und hasste meine Familie dafür, dass sie mir Kummer bereiteten und tat alle Gefühle als Schwäche ab.

Langsam aber sicher bewegte ich mich auf die dunkle Festung zu. Dort rief ihr Herr mich. So gelangte ich in die Nähe der schwarzen Stadt. Dann sah ich sie, die Yrch. Ihr Meister spürte meine Nähe und schickte sie. Eine Patrollie von etwa zehn Mann war wenige Schritte von mir entfernt. Der Wald war vollkommen lichtlos und alles hatte Dornen wie Säbel. Die Luft stank wie ein ganzes Feld voller Leichen. Biester streunten umher und überall war der Tod. Ich war auf der Hut als ich ihre Fackeln sah und hörte ihre trampelnden Schritte. Sie schnüffelten und versuchten mich durch den Gestank zu wittern. Als würde Hexerei sie leiten kamen sie direkt auf mich zu. Mir brach der kalte Schweiß aus. Im Herzen war ich durch und durch Yrch. Grausam, skrupellos und unterm Schatten des Dunklen. Aber ich sah nun mal aus wie ein Elb, jene die dem Dunklen nie gedient hatten. Jene denen deshalb überall vertraut wurde.

Der Anführer kam direkt auf mich zu. Ein großer Bursche mit langen krummen Armen. Seine riesige Nase roch meinen Geruch Problemlos. Seine wenigen Haare hingen wie welkes Gras auf seine eingefallenen grüngelben Wangen. Alle trugen schwere schwarze Rüstungen, Schilde und Speere. Ich saß wie gelähmt vor Angst in meinem Versteck. Als sie nur noch zwei Meter vor mir standen, drehte sich der Anführer um, sog sein gezacktes Schwert und knurrte. Jeder Mann zog seine Waffe. Der Anführer hob gerade seinen Fuß, als ich in ansprang. Die Lust auf Blut hatte mich gepackt.

Fauchend wie eine Katze sprang ich aus dem Gebüsch und biss ihm sie Kehle durch, bevor er mich überhaupt wahrnahm. Die Soldaten waren zu überrascht um einzugreifen. Doch dann kamen sie. Der Geschmack von Blut in meinem Mund lies mich in einen Regelrechten Blutrausch fallen. Ohne zu zögern, griff ich die vordersten zwei an und brach einem den Kehlkopf, solange der andere mich mit dem Speer, des toten Hauptmanns, schlug. Die anderen kamen zögernd. Sie wollten unbedingt bewundern, wie ihr Kamerad röchelte und starb. Der eine Yrch griff nach meinem Speer. Ich ihm in den Bauch und wollte ihm den Speer aus der Hand reißen und ihn aufspießen. Doch als ich gerade meine ganze Kraft anwandte spürte ich einen Schlag auf den Kopf und alles wurde schwarz.

Als ich wieder Dinge spürte sah ich viele wirre Träume. Meine Großmutter sang ein Gutenachtlied. Deutlich hörte ich ihre Stimme. „Zeig mir das Meer, zeig mir das Meer. Ich will sehen weit und blau, groß und tief..." Dann wurde alles dunkel und hundert haarige Hände mit langen Krallen griffen nach mir. Ich wurde aufgehoben und um mich ertönten Schmerzensschreie. Zufrieden stand ich in der Finsternis und lauschte, aber dann bohrten sich die Krallen in meine Haut und die Hände begannen an mir zu zerren. Ich schrie vor Schmerz und alles grölte vor Lachen. Man zerriss mich. Statt aufzuwachen sah ich meinen Vater. Er lächelte und bückte sich zu mir. Ich lag im Bett und er wollte mich küssen. Doch dann zerrnarbte sich sein makelloses Gesicht und seine blonden Haare wurden zottig und grau. Sein Lächeln wurde ein höhnische Grimasse. Innerhalb von einer Sekunde war er ein Yrch und biss mir in den Hals. Auf einmal lag ich einem stinkenden Kerker. Ich griff ihm an die Kehle und erwürgte ihn. Ein ganzes Yrchvolk lachte. Einer nahm mich grinsend an die Hand. „Du gefällst mir", sprach er mit einem zwielichtem Grinsen, „Lass uns essen." Er führte mich zu einem Tisch voller roher Fleischstücke. Ich hob einen an und führte ich zum Mund, als ich im Fleisch die wohlbekannte Stimmer hörte: „Oh ihr vier Winde! Ich rufe euch. Welcher von euch ist salzig, welcher sah das Meer. Oh zeigt mir das Meer, oh zeigt mir das Meer. Trag mich auf euren Schwingen hin – zum Meer, zum Meer dort will ich hin."

Später erfuhr ich, dass ich 50 Jahre lang auf dem Tisch in der Hexenküche lag. Ein harter Kampf tobte in mir. Der Dunkle selbst machte sich an mich ran. Er wusste, dass in mir noch Liebe schummerte. Mit ganzer Kraft versuchte er sie mir auszutreiben. Ganz Yrch sollte ich werden, aber ohne mein Aussehen zu verändern und anpassungsfähig genug um mich zu verbergen bis meine Stunde kam. Als Elb sollte ich kommen, die Menschen überzeugen, ihr Vertrauen wäre mir garantiert... dann sollte ich sie auf Kommando verraten. Kein Yrch hat es je geschafft seine Grausamkeit lange zu verbergen. Ich aber sollte mich in ganz elbischer Manier unter Kontrolle haben. Galant, sympathisch, bildschön und doch durch und durch Yrch sein.

Alle Hexenmeister, alle seine Lehrlinge hatten versagt nun bot er selbst alles auf. Doch er hatte seine alte Kraft eingebüßt. Nie hatte er geschafft Elben ganz an seinen Willen zu binden ohne sie voll und ganz in Yrch zu verwandeln. Doch ein weiterer Yrch nütze ihm gar nicht. Seine Sklaven vermehrten sich wie die Fliegen. Er hätte nur eine große Kraft verschwendet um mich zu verwandeln. Deshalb versuchte er es anders. Doch jeder Versuch mich im Traum meine Verwandten angreifen zu lassen ließ mich erschaudern. Der Traum brachte einen Horror nach dem anderen, aber es nützte ihm gar nichts. Die Wut machte den Dunklen völlig blind und er tötete drei der fünf Hexenmeister und ließ tausend Yrch zu Tode foltern.

Da der Traum versagte sollte nun der Einfluss der anderen mich abstumpfen lassen. Sie nannten mich Groutscharg was Grausamkeit heißt. Die Yrch waren zu mir dass, was sie freundlich nennen. Sie ließen mich die Fleischstücke zuerst aussuchen, gaben mir das Vorrecht Gefangene zu töten... Doch es brachte nicht viel. Meine Freude an Schmerzensschreien verging als ich ihre Blutüberströmten Gesichter sah. Ihre Augen starrten mich panisch an und aus ihrem Blicken schrie die Verzweiflung selbst. Ich war angewidert.

Irgendwas in mir hielt mich zurück. Zwar liebte ich den Schmerz und mochte Blut doch das elbische in mir spürte den Schmerz anderer. Deshalb folterte ich die Gefangenen eher wenig. Ich Stach die Nadeln so schnell unter ihre Nägel, dass sie sofort vor Schmerz bewusstlos wurden. Wenn ich sie in eine Kiste sperrte, kam ich holte ich sie vorzeitig raus,... Mit der Zeit gewöhnte ich mich aber Stück für Stück.

Zudem weigerte ich mich am Anfang Menschenfleisch zu essen, so dass ich fast verhungerte. Doch man erhielt mich am Leben, da ich unersetzbar war. Wollte ich das übliche Essen nicht, so konnte man etwas anderes für mich holen. Der Dunkle hatte Zeit und ich war für ihn eine vergleichslose Chance.

Langsam nahm ich die Sitten der Yrch an. Zum Beispiel war es Sitte den schwächsten Mann eines Bataillons zu finden und dann gemeinsam zu verspeisen. So fraßen wir auch die meisten Schwerverwundeten und alle die durch den Krieg verstümmelt wurden.

Komischerweise fiel meine Grausamkeit auf die Yrch zurück. Ich wünschte mir ihr Leid und genoss ihre Schreie. Aber andere Kreaturen taten mir Leid. Ich hasste die Yrch und ich hasste das elbische, weil es mich Mitleid spüren ließ aber am aller meisten hasste ich mich selbst.

DämonologieWhere stories live. Discover now