Kapitel 1

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Gähnend wache ich auf und strecke mich so weit es geht. Die kleine Höhle, in der ich schon seit Jahren lebe, ist zwar nicht sehr groß, aber es reicht für mich und dafür, dass keine Titanen hineinkommen! Noch etwas verschlafen reibe ich mir die Augen und streiche mir durch die Haare. Dann räume ich meinen Schlafplatz zusammen. Dieser besteht aus Blättern und den Sachen, die die Leute immer hier lassen, wenn sie wieder Titanen töten. Einzelne Messer, Kleidungsfetzen und diese langen Klingen ihrer schwerter. Meistens sind sie extrem Stumpf. Aber mit ein bischen schleifen und bearbeiten, sind sie eigentlich recht schnell wieder auf vordermann gebracht! Das meiste der Kleidung ist jedoch blutverschmiert und es dauert ewig, bis man im nahegelegenen Fluss alles herausbekommen hat. Natürlich ist das ein wenig Grabräuberei, denn schließlich klaue ich diese sachen auch teils den Toten! Aber brauchen können es die Jungs und Mädls eh nicht mehr. Und wenn es am ende dann noch irgendwie verwendung findet ist es doch gar nicht SO schlecht oder?

Ich richte mich auf und kann gerade noch so in der Höhle stehen. Ich bin nicht die größte, aber auch nicht unbedingt die kleinste. Mittlere 1,65m messe ich und bin zufrieden damit. Durch das Leben ausserhalb der Mauer, habe ich mir einige Eigenschaften aneignen müssen. Zuallererst hätten wir hier die absolute stille. Kein Ast knackt, wenn ich herumschleiche! Schließlich will ich nicht, dass ich im nächsten moment im Maul eines der Titanen lande! Ebenso musste ich mir enorme Geduld aneignen. Die Biester stehen teilweise stundenlang an einem Fleck und ich kann nicht von meinem Versteck weg, ohne gesehen oder gehört zu werden. Dann verharre ich dort, bis die Luft rein ist. Denn weglaufen, nützt hier auch nichts. Zwar habe ich eine enorme Ausdauer und wendigkeit bekommen! Aber gegen 10-Meter Titanen komme ich mit meinen Stummelbeinchen nicht an! Meine einzige Hoffnung besteht darin, einen Baum schnell genug zu erklimmen oder ihn abzuhängen, in dem ich haken schlage wie ein Kaninchen! Mit geübten Griffen schnappe ich mir meine Messer, die ich entweder gestohlen oder aus den ehemaligen Schwertern gemacht habe und stecke sie ein. Unterhalb meiner schwarzen Jacke habe ich einige Messerhalfter, in denen ich alle verstauen kann. So habe ich einen fast endlosen Vorrat an Wurfgeschossen für die Augen. Wenn ich jemals so unvernünftig sein sollte, mich in die nähe eines Titanen zu wagen! Geduckt schleiche ich mich aus meiner behausung und höre mich um. Das entfernte stampfen eines Titanen ist laut zu hören! Aber das interessiert mich nicht wirklich. Schnell husche ich in das nächstgelegene Gebüsch. Meine Höhle liegt in einem kleinen Waldstück. In der ferne kann man die Mauer erkennen, die hoch aufragt, um all jene Titanen aus den behausungen der reichen fernzuhalten! Etwas verächtlich schnaube ich und schüttle den Kopf.

Dann zucke ich zusammen! Drücke mich automatisch weiter in den Busch und drehe langsam meinen Kopf! Titan! Einer der 10-Meter Kolosse kommt auf mich zu, scheint mich aber nicht zu bemerken! Still verharre ich in der gleichen Stellung. Die Äste des Gebüsches pieksen unangenehm, aber es ist zum aushalten. Als die Füße immer näher kommen, halte ich sogar den Atem an! Mein Herz rast und ich beobachte aufmerksam und misstrauisch. Bei jedem Schritt vibriert der Boden und lässt mich und alles andere wanken! Plötzlich bleibt er neben dem Gebüsch stehen und sieht sich um! Egal wir oft ein Titan in meiner nähe ist... Jedes mal bekomme ich diese leichte Panik! Aber erstens ist es glaub ich ganz gut, dass man sich nicht komplett daran gewöhnt, denn ansonsten unterschätzt man die Gefahr! Und zweitens ist man immer fluchtbereit! Doch als dieser Titan dann plötzlich seine Hand nach meinem Gebüsch ausstreckt, ist die ganze erzwungene Gelassenheit von vorhin weg. Ich spanne alles an und springe aus dem Busch! Dem rascheln und reissen hinter mir zu urteilen, hat der Titan gerade den Busch ausgerissen und ich kann mir denken, dass er mir jetzt hinterher sieht! Im vollen sprint laufe ich von meinem Versteck und meiner Höhle weg! Wieso? Weil die Titanen sonst versuchen werden in diese zu gelangen und den Eingang verstopfen könnten! Ausserdem habe ich keine Lust, mich in jener zu verschanzen! Ich habe keine vorräte mehr. Das heißt, dass ich nicht länger als zwei Tage dort ausharren könnte, ohne zu verdursten! Schon höre ich die laufenden schritte des Titanen hinter mir und konzentriere mich auf meinen Weg! Der Wald ist nicht groß! Ich muss auf einen der Bäume! Wie ein Hase schlage ich haken. Links, rechts, links, rechts! Versuche, der greifenden Hand des Titanen aus dem Weg zu gehen und zu entfliehen! Zu meinem Glück sehe ich einen passenden Baum, auf den ich schnell flüchten kann! Die Äste wachsen in einem passenden abstand und ich sprinte darauf zu! Ich schaffe das! Ich hab das immer geschafft! Mit aller kraft laufe ich auf den Baum zu und schätze den Abstand zum untersten Ast ab! Ein drehen meines Kopfes und der Blick nach hinten verrät mir, dass der Titan nicht aufgegeben hat und ganz knapp hinter mir ist! Leise zweifel tauchen auf und ich erreiche den Baum! Mit aller Kraft stoße ich mich ab und greife nach dem ersten Ast! Doch anstatt diesen auch nur zu berühren, umschlingen mich große Finger und halten mich fest! Mit entsetzen stelle ich fest, dass der Titan mich in seinen riesigen Griffel hat und ich bekomme fast keine Luft! Panisch winde ich mich und beisse in die Hand! Ein kleiner erfolg zeigt sich zumindestens, denn ich bekomme meine Arme frei und stütze diese nun auf der Hand ab! Ich versuche, mich aus seiner Hand zu ziehen! Doch es hilft nichts, denn der Griff wird nur noch stärker und vor schmerz zucke ich zusammen! Scheiße! Ich werde nicht durch einen verdammten Titan sterben! Wut steigt in mir auf und ich nehme eines der Messer heraus! Immer wieder steche ich auf die mich umschlingende Hand ein! Aber mehr als dampf des sich sich heilenden Titanen in der fresse bekomme ich nicht. Nicht einmal ein Zucken! Immer näher kommt das aufgerissene Maul und verwesender Gestank schwebt mir entgegen! Die gelben Zähne sind riesig und zwischen dem Ober und Unterkiefer ziehen sich speichelfäden. Die Zunge glänzt im schein der aufgehenden Morgensonne und die Dunkelheit des Rachens ist ein großer Kontrast dazu. Tja... Das wars wohl! Auf wiedersehen verdammte Welt...! Dann sehe ich hoch in die Augen des Titanen. Diese sind auf mich gerichtet und blicken mich emotionslos an. Ich entspanne mich. Gebe auf und lasse mich in das Titanenmaul führen. Schließe die Augen und denke an meine Familie, die noch irgendwo im inneren der Mauer leben muss. Zwar haben sie mich verstoßen, aber immerhin waren sie meine Familie! Meine Mutter und mein Vater. Meine beiden Brüder... Ich spüre die ekelhafte wärme des Atems auf mir und die Feuchtigkeit, die im Maul herrscht. Speichel tropft auf meinen Kopf und läuft langsam an diesem hinunter.

Doch plötzlich stockt der Titan! Ich höre unbekanntes surren und dann ein Geräusch, als ob man mit einem Messer durch Fleisch schneiden würde! Ich öffne meine Augen und drehe meinen Kopf nach draussen, da ich schon halb im Maul bin. Kurz zischt irgendetwas vorbei und hinterlässt mich staunend! Das waren doch die, die die anderen Titanen immer töten! Ein bischen Hoffnung keimt in mir auf und ich merke, wie die Hand um mich herum locker wird! Ich könnte doch noch überleben! Schnell winde ich mich aus der erschlaffenden Hand und halte mich an den übergroßen Zähnen fest! Mein Ausdruck ist entschlossen und die Kraft kehrt wieder in meine Glieder zurück! Als ich merke, wie der Titan in die Knie geht und langsam nach vorne sinkt, spreize ich meine Beine, stütze meine Füße auf den Backenzähnen ab und stoße mich mit aller Kraft ab! Mit einem grinsen entkomme ich dem Maul und bin nun in der Luft. Schnell konzentriere ich mich auf die Landung und komme etwas ungemütlich auf! Doch ich rolle mich ab und atme dann tief durch! Die frische Luft ist der reinste segen und die kühle ist ein enorm großer unterschied zum innenleben des Mauls. Aber um einiges besser! Etwas angeekelt wische ich mir den schmoder aus dem Gesicht und den Haaren. Dann sehe ich mich zum Titanen um. Dieser beginnt schon zu rauchen und sich somit aufzulösen. Der Teil des Genick's liegt ein wenig entfernt und hat sich ebenfalls schon fast aufgelöst. Er liegt mit dem Gesicht auf dem Boden und ich kann den Ausdruck nicht mehr sehen. Dennoch kann ich mir vorstellen, dass er sich nicht geändert hat. So wie er sich eh nie ändert! Eine bewegung im Augenwinkel lässt meinen Kopf drehen und die Aufmerksamkeit darauf lenken! Es ist einer dieser fliegenden Kerle mit den kompliziert aussehenden Apparaten. Schwarze Haare und gleichgültiger Blick. Grüner flatternder umhang und weiße Hose mit braunen stiefeln und braunen Lederbändern. Seine schwerter dampfen und das Titanenblut verschwindet langsam wieder. Eine weile starren wir uns einfach nur an. Ich, weil ich immer noch etwas geschockt von dem beinahe Tod meinerseits bin und er... keine Ahnung, wieso er mich anstarrt! Doch als ich ein weiteres surren höre, sehe ich kurz in diese richtung, drehe mich um und laufe in die Richtung, aus der ich gekommen bin!

Schwarz/Weiß-DoppellebenWhere stories live. Discover now