Kapitel 15

2.5K 125 5
                                    

Plötzlich setzt sich jemand auf meinen Rücken und drehe meinen Kopf, um diese Person anzusehen. Corporal Levi hat es sich gemütlich gemacht, das rechte Bein auf das linke gelegt und die Arme verschränkt. Sein Gesichtsausdruck ist wie immer kalt und undurchdringbar. "Du bist am leben. Hast sogar die Chance, dem Galgen für immer zu entkommen. Und dann heulst du hier rum?" Sein gewicht drückt auf mein Rückrat und ich bekomme plötzlich wieder Kraft! Wut steigt in mir auf und ich starre den schwarzhaarigen Zwerg an! Dann geht alles blitzschnell! Ich stehe auf, schmeiße ihn von meinem Rücken, springe auf den am Rücken liegenden Corporal und hole im Sprung noch ein Messer aus meinem Jackenärmel! Dieses halte ich ihm stinksauer an die Kehle und halte ihn mit meinem Gewicht auf seiner Brust auf dem Boden! "Du hast keine Ahnung, was ich durchgemacht habe du verdammter Zwerg!" zische ich und er sieht mich an, als würde ich ihn gerade langweilen! "Ich bin am Hungertuch nagend aufgewachsen und habe mein Leben riskiert, um mit zwölf Jahren meinen ersten Mord zu begehen! Nur, damit meine undankbare Familie etwas zu essen hat! Ich habe jahrelang ein doppelleben geführt! Am Tag war ich die brave Tochter und in der Nacht eine Mörderin! Habe trainiert wann es ging und bin doch letztendlich von meinem Bruder und Erwins Plan erwischt worden! Mein Leben hätte vor sieben Jahren vorbei sein sollen, hätte man in der Nacht nicht einen Sieg gegen die Titanen gefeiert! Betrunkene leute sind verdammt leicht zu übertölpeln! Ich bin geflohen und habe dann bis vor zwei Tagen noch vor der Mauer gelebt! Und den rest kennst du ja!" Ich stehe auf und lasse das Messer wieder in meinem Ärmel verschwinden. Von oben herab sehe ich ihn an. "Und jetzt sag mir, dass ich keinen Grund hätte, wenigstens ein bischen Gefühl zu zeigen!" füge ich hinzu.

Dann strecke ich ihm meine Hand entgegen. Eine eigentlich komplett abwegige Geste. Levi sieht mich noch eine weile an und nimmt dann meine Hand. Mit einem Ruck steht er wieder auf seinen Beinen und ich muss zugeben, dass er schwerer ist als gedacht! Mit einem genervten schnalzen seiner Zunge klopft er sich den Rücken und die Hose ab und sieht mich dann an. "Wenn du das nochmal machst Sera, dann werde ich persönlich dafür verantwortlich sein, dass du entweder die nächsten Tage nur läufst oder Putzdienst hast!" knurrt er und ich lege den Kopf schief. "Nichts gegen dich Corporal... Aber nichts ist schlimmer als die Todesstrafe oder das verlassen werden seiner Familie. Also würde es mir nichts ausmachen!" erwiedere ich und mir wird von hinten eine Hand auf die Schulter gelegt. "Reiz es nicht aus Sera! Levi macht seine drohung wahr und ich möchte meinen persönlich unterstellten Rekruten nicht an ihn verlieren!" Erwin hat sich zu meinem rechten Ohr hinuntergebeugt und ich sehe ihn aus dem Augenwinkel an. "Wollen Sie mir gerade helfen Kommandant Erwin Smith?" Als er sich wieder aufrichtet, drehe ich amüsiert grinsend meinen Kopf und sehe ihn nun komplett an. Er muss ebenfalls ein bischen schmunzeln und nickt. "Das will ich auf jedenfall Rekrutin Sera Torn!" Ein kalter schauer läuft mir den Rücken hinunter. "Bah! Sag nie wieder den vollständen Titel!" Lachend füge ich hinzu: "Das hört sich total bescheuert an!" Erwin lächelt und nickt wieder. "Und du nennst mich bitte auch nicht beim vollen Titel. Ich glaube, dass wir schon eine andere Stufe der höflichkeit erreicht haben! Ausserdem... Kennen wir uns nun schon länger!" Grinsend nicke ich und sehe dann zu Levi. "Also Corporal... Muss ich immer noch Putzdienst schieben?" Der schwarzhaarige verdreht die Augen. "Tch... Ich hab keine lust auf Streit mit Erwin. Also nicht!" Grinsend gehe ich hinter ihn, lege meine Arme über seine Schulter, lasse sie hinunter baumeln und lege meinen Kopf auf seinen. "Hehe! Ein Streit mit Erwin ist wirklich beschissen! Besonders wenn beide Pläne die er geschmiedet hat funktionieren und dich an den Galgen liefern!" Breit grinsend sehe ich den blondhaarigen an und versuche, bei seinem Gesicht nicht laut loszulachen! Eine mischung aus erschrocken sein, schuldgefühlen und erkenntnis huscht über sein Gesicht und ich fange an zu kichern. "He! Ist doch egal Erwin! Ich lebe und bin dir sogar persönlich unterstellt!" Ich trete von Levi zurück und gehe an beiden vorbei zum Ausgang. "Na kommt!" rufe ich und drehe mich zu ihnen um. "Ausser ihr wollt natürlich, dass ich wegen nichtstun beim Richter angeschwärzt werde und der Prozess wieder stattfinden muss. Und der wird ja schließlich mit anderem Ende sein!" Da sonst niemand mehr vom Aufklärungstrupp da ist, sehen sich Erwin und Levi kurz an, bevor sie sich in bewegung setzen.

Endlich aus dem Gerichtsgebäude, atme ich tief ein und genieße die nachmittagssonne, die mir warm auf mein Gesicht scheint. Die Narbe auf meiner rechten Wange erwärmt sich schneller als der rest und ich streiche vorsichtig über die Wulst drüber. Das daranhängende Erlebniss ist mehr als nur ein vergessenes Ereigniss und ich seufze. "Tja... Damals war ich eben noch naiv...!" murmle ich vor mich hin und erstarre, als ich plötzlich eine Hand auf meinem Kopf spüre! Die noch ein wenig ungewohnten kurzen braunen Haare fliegen ein bischen umher. "Wir waren alle Naiv Sera. Auf die ein oder andere weise. Wichtig ist nur, dass man daraus lernt!" Ich drehe meinen Kopf zu Erwin und sehe hinauf in sein Gesicht, dass mehr oder weniger freundlich ist. "Ich habe aus all meinen Narben gelernt. Und aus fast allen meiner Taten." Nachdenklich sehe ich nach vorn und folge Levi, der stumm vorran durch die Straßen geht. "Nur nicht aus der, dass ich nie wieder hätte hier her kommen sollen. Das war der einzige Fehler, den ich begangen habe. Vielleicht hättet ihr mich nach einiger Zeit vergessen und ich hätte ohne großes Aufsehen wieder in die Mauern gekonnt. Nach ein paar Jahrzehnten." Der schwarzhaarige dreht leicht seinen Kopf und sieht mich herablassend an. "Und doch hast du es. Du wurdest gefangen und vor Gericht gebracht. Und du wurdest freigesprochen. Was willst du mehr?" Ich schließe zu ihm auf. "Familie? Freunde?" Ich schüttle den Kopf und fange an zu lächeln. Mein Blick ist gen Himmel gerichtet. "Obwohl ich wahrscheinlich nie wieder in diesen Genuß kommen werde! Ich vertraue niemandem und niemand vertraut mir. Das scheint wohl schon so eine Art naturgesetz zu sein!" ich zucke mit den Schultern und spüre dann einen Schmerz, am linken Oberarm! Ich sehe dorthin und bemerke, wie Levi seine Hand unter dem grünen Cape verschwinden lässt. Etwas empört sehe ich ihn an! "He! Was sollte das?!" Emotionslos blickt er zurück. "Naturgesetz."

Schwarz/Weiß-DoppellebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt