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                           3 Jahre später

„Ich bin in der Bibliothek und dann gucke ich nochmal beim alten Plattenladen vorbei, vielleicht haben sie jetzt endlich die neue Platte von Green Day ! Ciao, ich esse bei der Arbeit !", rief meine beste Freundin und Mitbewohnerin Lena mir zu, als sie die Tür der drei-Zimmerwohnung hinter sich zu schlug.

Seufzend widmete mich wieder meinen Büchern, deren Inhalt sich nicht von alleine in meinen Kopf einpflanzte, leider.

Ich musste unbedingt für eine Klausur nächste Woche lernen und heute Abend arbeitet ich auch noch zu allem Übefluss bis halb drei in der Kneipe unter uns. Ich stand genervt auf und machte meinen Weg in die Küche.

In unserem Kühlschrank schlug mir gähnenden Leere entgegen, super ich hatte auch noch vergessen einzukaufen.

In der Hoffnung irgendwas Essbares zu finden, stieß ich Hinten auf ein RedBull.

Innerlich dankte ich Gott, für Lenas Schusseligkeit, dass Energygetränk nicht nach vorne zu den anderen Getränken geräumt zu haben. Mit einem Zischen öffnete ich das Getränk und nahm direkt einen großen Schluck.

Diese Energiezufuhr musste mir doch irgendwie helfen. Warum blieb denn dieser dämliche Stoff nicht in meinen Gehirnzellen hängen ? 

Den Job in der Kneipe hatte ich von Beginn an. Als wir vor fünf Monaten über die Kneipe zogen, bot sich der Job als Barkeeperin einfach an.

Während ich dreimal die Woche an der Bar bediente und am Wochenende gelegentlich mal mit meiner Gitarre auftrat, arbeitet Lena als Kellnerin in der edlen Pizzeria Lucia.

Wir musste irgendwas nebenbei verdienen, denn unseren Eltern konnten und wollten wir nicht ständig auf der Tasche liegen. Die Jobs waren zwar nicht die Besten, aber wir kamen ganz gut durch.

Das uns beide die selbe Uni angenommen hatte, war pures Glück. Ziemlich schnell hatten wir die kleine Wohnung, 20 Minuten entfernt von der Universität, für einen günstigen Preis gefunden. Ebenfalls pures Glück.

Die Uni war echt schwer, aber wir fanden schnell Anschluss, was alles natürlich sofort etwas erleichterte. Mehrmals in der Woche trafen wir uns mit unseren Freunden, lernten, chillten oder gingen zusammen feiern (was meistens Taras Idee war, eine Kellnerin, die ebenfalls in der Bar arbeitete).

So langsam gewöhnte man sich an die neue Umgebung, die neuen Leute und den neuen Stress.

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„Johanna, nicht träumen ! Weiter abwaschen !", rief mir Jack von der Seite zu.

Jack war 35 Jahre alt und hatte im Alter von 21 beschlossen, seine eigene kleine Bar zu eröffnen. Er war die Gelassenheit in Person und ein richtiger Witzbold. Trotzdem war er meist der Einzige, der über seine Scherze lachte. Er war der Erste wirklich nette, den ich in der Stadt kennen lernen durfte und über die Zeit wurde er für mich wie der coole Onkel auf den Familienfeiern, den jeder mag.

Ich widmete mich wieder den Tassen.

„Hey Johanna. Kannst du heute die Bar übernehmen ?  Ich weiß nicht, ich fühle mich schon den ganzen Tag so schummerig..."

Ich drehte mich um und vor mir stand eine bleiche Tara. „Yo Girl, was hast du denn gemacht ?", fragte ich sie leicht erschrocken.

„Wie gesagt, ich weiß es nicht. Bestimmt irgendwas falsches gegessen oder so..."

Ich nickte und übergab ihr das Abtrocknetuch. „Kein Problem, ich übernehme das. Mache ich eh viel lieber als das hier.", lachte ich und band die Schürze ab.

„Ja, damit du mit heißen Mädchen flirten kannst, du Lappen.", sie grinste schwach.

Ich zwinkerte und ging an ihr vorbei. Wo sie recht hatte, hatte sie recht.

Über den Abend wurde es voller und ich hatte alle Hände voll damit zu tun, Getränke zu mischen, Biere auszuteilen und mir Lebensgeschichten anzuhören.

Für Andere hört sich das vielleicht quälend langweilig an, aber ich mochte es. Jeder Mensch hat seine eigene Geschichte zu erzählen und keine war wie die Andere. Für meinen Plan, Journalistin oder Autorin zu werden, war hier ein guter Platz um Inspirationen zu finden.

„Ein Becks bitte!" „Kommt sofort!", ich bückte mich, um das kalte Bier aus dem Kühlschrank zu holen, als das Klimpern des schrecklichen Glockenspieles über der Eingangstür neue Gäste verriet. Ich machte mir eine gedankliche Notiz, Jack endlich zu überreden dieses abzubauen.

„Hier das Becks...", ich kam hinter dem Tresen hervor und stellte das kalte Getränk vor dem Herren hin. Ich wand mich zu den beiden neuen Gästen :

„Und für sie darf's wa-" Ich brach mitten in meinem routinierten Satz ab und blickte die Beiden genau an.

Da war sie. Nach drei langen Jahren stand Emelie Giesing wieder vor mir. Sie war erwachsener geworden. Etwas gewachsen und ihr Gesicht hatte deutlich zu sehende Kanten bekommen. Ihre langen, braunen Haare waren, wie damals, leicht gewellt. Als ich ihr direkt in die Augen blickte, stand alles still. Diese blauen Augen, die ich so lange geliebt hatte und gleichzeitig so verflucht hatte.

"Johanna...", hauchte sie.

"Johanna ! Nein, was ein Zufall ! Wie schön, was machst du hier ?!", meldet sich Emelies Begleiter zu Wort.

Ich riss meinen Blick von Emelie und blickte in das erfreute Gesicht von Jonas.

„Ich- ich weiß nicht, ich arbeite hier schätze ich mal...", stotterte ich, immer noch wie in Trance.

„Jaaa... Wie geht es dir ? Wie haben uns so lange nicht gesehen. Wie viele Jahre ? Drei ? Ich fasse es nicht. Da geht man mit seiner Freundin durch die Stadt und beschließt noch etwas zu trinken und da steht eine alte Bekannte vor einem. Ich meine nicht nur eine gewöhnliche Bekannte, nein. Du weißt was ich sagen will...", sprudelte Jonas.

Das waren zu viele Worte auf einmal, dennoch verstand ich eins ganz genau :  „Deine Fr-Freundin ?", krächzte ich, sogar meine Stimme hatte mich verlassen.

„Ja! Seit fast drei Jahren schon !", Jonas lächelte und legte einen Arm um Emelie.

Mein Blick viel wieder auf sie. "Seit drei jahren also schon, was ? Was ein Zufall.", meine Aussage triefte nur so vor Ironie.

Jonas schien es nicht zu merken und nickte nur glücklich, aber das Mädchen verstand mich genau.

Betreten guckte sie zu Boden, als wäre dies genau die Situation, die sie nie haben wollte. Damit wären es schon zwei Menschen, die alles dafür tun würden um wo anders zu sein.

Ich hätte gut und gerne für meine Klausur pauken können, all die dreckigen Gläser abwaschen können oder einfach schlafen. Endlich mal eine Nacht mit genügend Schlaf, aber nein. Ich stand in einer beschissenen Bar und bediente das Mädchen, was mir so viel Schmerz zugefügt hatte mit ihrem Freund, unserm Kumpel von damals. Es war wie in einem schlechten Hollywoodfilm.

„Ich finde... Ja, ich finde wir sollten uns zu einem Kaffee treffen. Wie wärs ? Ich meine du und Emmi, ihr habt euch doch so viel zu erzählen. Am Wochenende haben wir beide noch nichts vor. Hast du Bock Johanna ?", schlug Jonas euphorisch vor.

Ich blickte ihn an, bei dem Spitznamen, den er Emelie gegeben hatte, zog sich alles zusammen.

„Ich danke nicht, dass-", druckste ich rum, während ich verzweifelt versuchte mir eine gute Ausrede einfallen zu lassen.

„Ich finde das eine gute Idee.", Emelie blickte mich direkt an.

❥ You will always be with me I Kurzgeschichte IМесто, где живут истории. Откройте их для себя