Epilog

491 26 6
                                    


Liebe Johanna,

Das hier ist etwas was ich schon viel früher hätte machen sollen. Ich hätte es auch nicht aufschreiben sollen, sondern mich dir gegenüber stellen und dir in die Augen gucken sollen. Ich hätte deine Hände nehmen sollen und dir mein Herz ausschütten sollen. Aber ich tue es nicht, denn ich habe den richtigen Moment verpasst. Ich habe meine Chancen mit dir verpasst, obwohl ich genau wusste, wann ich sie hatte. Aber so war es immer bei uns, oder nicht haha ? Wir haben immer unsere Momente verpasst, unsere schönen Sachen kaputtgemacht.

Ich aber habe etwas viel Schlimmeres getan. Ich habe dich verletzt und zwar so sehr und auch noch mit vollem Bewusstsein, darüber was ich dir antue. Wir waren immer besonders, du warst immer besonders. Ich weiß nicht mehr wann, aber irgendwann habe ich mich gefragt, was denn so besonders an dir ist. Ich saß in meinem Zimmer und habe eine Pro und Contra-Liste über dich erstellt. Ich saß Stunden da und habe nur auf die Proseite was geschrieben... Bis ich dann verstanden habe, dass du für mich einfach perfekt bist. Und das war der Moment, der alles verändert hat. Ich habe realisiert das ich dich liebe. Lieben, im Sinne von romantischer Liebe (das muss man bei uns beiden ja immer mal wieder erklären, was man wirklich meint...). Aber dies war auch der Moment wo ich Angst bekommen habe. Soviel Angst, dass ich mich selber Jahrelang belogen habe. Angst vor mir selber, vor der Situation, aber am meisten vor diesen Gefühlen. Diese gefühle, die so stark waren und oft so unberechenbar für mich. Ich habe diese Gefühle nicht zu gelassen, ich wollte nicht. Ich wusste nicht, wie du für mich empfindest. Und auch wenn ich immer ein bisschen geahnt habe, dass du auch mehr für mich empfindest hat es nichts an dem Fakt geändert, dass ich verdammt Angst hatte und immer noch habe. Sich selber zu finden ist verdammt gruselig, besonders wenn du umgeben bist von Menschen, die eine Erwartungshaltung dir gegenüber haben. Die Dinge für deine Zukunft schon geplant haben Und genau wissen wo du in fünf oder zehn Jahren sein sollst. Für wen Platz ist und für wen nicht. Du warst schon immer viel mutiger als ich. Du hast zu dir gestanden und hattest keine Angst, die Welt zu erkunden und zu akzeptieren. Dich zu akzeptieren. Auf die Meinung Andere zu scheißen. Ich weiß, nichts kann dieser Brief gut machen, aber vielleicht verstehst du mich etwas besser. Ich bin sehr sicher, du tust es.

Ich danke dir. Danke für viele tolle und schöne Momente. Danke, dass ich durch die lernen konnte, von dir lernen konnte. Ja, ich bin lesbisch und es fühlt sich so verdammt gut an, es endlich zu sagen bzw auch zu schreiben. Auch wenn ich es schon viel eher hätte tun sollen. Aber vielleicht musste es so sein. Es war das, was die Zukunft für mich hatte. Erinnerst du dich an Madrid ? An diese eine Nacht ? Ich bin sicher, du weißt welche ich meine. In dieser Nacht habe ich dir soviel von mir gezeigt. Wir haben kurz über die Zukunft geredet. Wir haben uns geküsst. Die Nacht hat sich wie ein ganzes Jahrhundert angefühlt. Nicht weil es langweilig oder sonstiges war, nein ganz sicher nicht, aber weil ich soviel gespürt habe, mich so lebendig Gefühlt habe... Danach war alles anders. Aber ich würde es nicht ändern wollen. Nichts würde ich in dieser Nacht anders machen wollen. Danach ? Oh Gott, verdammt gerne. Aber ich kann es nicht. ich kann es einfach alles nicht ändern. Ich musste lernen und das habe ich auch. Aber ich wünschte, ich hätte dir meinen Lernprozess ersparen können. Du bist ein toller Mensch und ich bin mir so verdammt sicher, du findest deinen Weg und dein Glück.

Ich werde mich auf die Suche nach mir, meinem Weg und meinem Glück machen, denn ich habe gemerkt... Hier sitzen, nichts tun und der Vergangenheit nach zu trauern ist viel schlimmer, als neu Fehler zu machen. Sie zu akzeptieren und aus ihnen zu lernen. Und das wichtigste : Sie wieder gut zu machen. Ich bereue vieles in meinem Leben, aber am Meisten, dass ich weiß das ich meine Fehler bei dir nicht wieder gut und vergessen machen kann. Aber ich muss es akzeptieren und nun weiter machen.

Du hast mich mal in einer Nacht gefragt, wo wir Sternschnuppen beobachtet haben, ob ich an Seelenverwandschaft glaube. Du hast mit so viel Leidenschaft davon gesprochen, du hast gesagt, dass Seelenverwandte irgendwann zu einander finden. Das sie zusammengehören, egal was sie trennt. Und du hast auch geflüstert, dass du deinen Seelenverwandten schon gefunden hast. Ich glaube du dachtest, ich habe es nicht gehört, weil ich ja angeblich schon geschlafen habe. Aber ich habe jedes einzelne Wort verstanden. Auch ich hatte meinen Seelenverwandten gefunden. Es fühlt sich nicht wie ein "Lebwohl" an, sondern wie ein "Auf Wiedersehen", denn Seelenverwandte finden zu einander, egal was sie trennt. Irgendwann finden sie sich. Auch wenn das heißt, dass ich dich wiederfinden muss.

In Liebe,

 E

______________________________________________________________


Ich faltete den Brief,

packte ihn in einen Umschlag,

Atmete tief durch,

Griff nach meiner Reisetasche,

schulterte diese.

Sah mich um,

alles dabei,

Machte mich auf den Weg,

zu ihrem Apartment,

Stand unschlüssig vor der Tür,

guckte diese Minuten an,

Bückte mich,

legte den Brief auf die Fußmatte,

Klopfte, 

drehte mich um

und machte mich auf,

egal wo mich das Universum jetzt hintrieb.


❥ You will always be with me I Kurzgeschichte IWhere stories live. Discover now