8. Kapitel - Stress

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Noch immer stand Rabenpfote mit ihrer Maus herum und wusste nicht wirklich, wohin mit sich. Tigerpfote hatte sich in den Schülerbau verzogen und alleine essen wollte sie auch nicht. Da streifte etwas weiches ihr Schulterfell. Rotsprung hatte sich zu ihr gesellt und leckte einmal tröstend über ihr Ohr.

"Ich hab alles gesehen", murmelte er leise. "Er ist einfach ein Mäusehirn. Wenn du willst, können wir uns die Maus teilen" Dankbar blinzelnd willigte sie ein. Gemeinsam tappten sie in den Schatten des Versamlungsfelsens und ließen sich dort nebeneinander nieder. Rotsprung teilte die Maus in zwei Hälften und schob ihr das bessere Stück hin. "Guten Appetit"

Doch die beiden dachten in diesem Moment eigentlich gar nicht an Essen. Sie unterhielten den Rest des Abends über Belangloses, alberten rum und kicherten wie kleine Junge. Rabenpfote war für diese Ablenkung dankbar. So musste sie nicht an Tigerpfote und sein für sie verwirrendes Verhalten denken.

Als die letzten Sonnenstrahlen verschwanden und es immer dunkler wurde, aß Rabenpfote eilig ihren Anteil der Maus auf und erhob sich. "Danke, daas du dir für mich Zeit genommen hast", miaute sie mit einem Lächeln. Er antwortete mit freundlich funkelnden Augen: "Ich nehme mir immer gerne Zeit für dich"

Mit einem "Gute Nacht" verabschiedeten sich die beiden und jeder kehrte zu seinem Bau zurück. Ala Rabenpfote in den Schülerbau schlüpfte, schnarchten Blütenpfote und Blumenpfote bereits in einer der hinteren Ecken. Tigerpfote hatte ihr in seinem Nest demonstrativ den Rücken zugekehrt und schwieg. An seiner verspannten Haltung konnte sie erkennen, dass er wohl noch nicht schlief.

Seufzend legte sich die schwarze Schülerin in das Moos. Der getigerte Schüler rutschte sofort ein paar Zentimeter weiter weg von ihr. Verärgert drehte sie ihm ebenfalls den Rücken zu und rutschte so weit weg, wie es möglich war, ohne aus ihrem Nest zu plumpsen. Als sie nach endlosen Stunden endlich den Schlaf fand, träumte sie alles andere als ruhig

"Rabenpfote! Rabenpfote, wach auf!" Die schwarze Schülerin wurde unsanft gerüttelt, sodass sie aus dem Schlaf gerissen wurde. Erschrocken riss sie die Augen auf und sprang auf. "Wer? Wie? Was? Wann? Wo? Werden wie angegriffen?" Noch ganz verschlafen stolperte Rabenpfote im Kreis, ehe sie ihre Umgebung wieder erkannte.

Der Schülerbau war bereits in ein frühes Morgenlicht getaucht, die anderen Nester waren leer. Sie musste wohl verschlafen haben! Hinter ihr stand Eisklaue, der sie aus zusammen gekniffenen Augen musterte. "Hast du Tigerpfote gesehen?", fragte er mit peitschendem Schweif. "Er sollte bei Morgengrauen am Frischbeutehaufen sein, weil wir trainieren wollten, aber er ist nicht gekommen. Hier im Bau ist er auch nicht. Wo steckt dieser unfähige Schüler?"

Rabenpfote tappte zum Nest ihres Clankameraden und untersuchte es schnuppernd. Es war kalt. Tigerpfote musste es kurz vor Tagesanbruch verlassen haben. "Ist er irgendwo anders im Lager?", fragte sie nachdenklich. Wo ist er nur? Hat er den Clan wegen unserem Streit gestern verlassen?

Der hellgraue Kater verneinte kopfschüttelnd. "Ich habe die ganze Lichtung auf den Kopf gestellt, um ihn zu finden. Er ist nicht hier" Die Schülerin wurde so langsam nervös. Bin ich daran Schuld, dass er gegangen ist?

Sie schob sich an ihm vorbei und schritt auf die Lichtung. Dort blieb sie kurz stehen und sah sich um. Katzen liefen im Lager hin und her, steckten ihre Schnauzen in alle möglichen Baue, Gestrüppe und Löcher und riefen Tigerpfote's Namen. Sie alle suchten ihn.

Rotsprung kam mit angelegten Ohren und ernstem Gesichtsausdruck auf sie zu. "Du hattest Recht", miaute er an Eisklaue gewandt. "Er ist verschwunden" Es war, als würde Rabenpfote's Kehle immer enger werden und ihr die Luft abschnüren. Eigentlich hatte ich erwartet, dass er sich nach seinem kleinen Wutanfall wieder beruhigt und er mich heute wieder normal behandelt. Nun glaube ich immer mehr, dass er den Clan verlassen hat!

Dornenstern erschien als dunkle Silhouette auf dem Versammlungsfelsen und stieß einen lauten Ruf aus: "Was ist denn hier los?", verlangte die Anführerin gereizt zu wissen. Ihr schien es gar nicht zu passen, dass im Lager etwas passierte, von dem sie keine Ahnung hatte.

Eisklaue erhob seinen hellgrauen Kopf. "Mein Schüler scheint sich verlaufen zu haben", bemerkte er trocken. "Er ist seit heute Morgen verschwunden" Verschwunden. Verschwunden. Verschwunden. Dieses Wort geisterte immer wiedee in Rabenpfote's Kopf umher und ließ ihr einen kalten Schauder über den Rücken laufen. "Was ist, wenn ihm etwas passiert ist?", jaulte sie und konnte dabei ihre Sorge nicht verbergen.

"Wem ist etwas passiert?", fragte da jemand laut und alle wirbelten augenblicklich herum. Ein getigerter Kater stolzierte durch den Dornenwall ins Lager und blieb stehen, um sich stirnrunzeld umzusehen. Er tat einen auf unschuldig, aber Rabenpfote sah ihm an seiner Nasenspitze an, dass er genau wusste, dass alle über ihn redeten.

Die schlanke, graue Kätzin sprang mit einem Satz von ihren Felsen und baute sich mit gesträubtem Fell vor dem Schüler auf. "Wo in Sternenclan's Namen bist du gewesen?", fuhr sie ihn mit gebleckten Zähnen an. Tigerpfote blinzelte, zeigte aber ansonsten keine Reaktion. In diesem Moment machte er sich seinem Namen alle Ehre. Tiger fürchteten sich nicht, sondern blickten stets mit hocherhobenem Kopf ihrer Bedrohung entgegen. In diesem Fall war die Bedrohung eine fast vor Wut platzende Dornenstern.

"Ich habe meine Familie besucht", erklärte er nüchtern und zuckte seelenruhig mit seiner Schwanzspitze hin und her. "Darf man das etwa nicht?" Perplex starrten ihn die Schattenclan Katzen an. Keiner schien etwas sagen zu wollen, nur Dornenstern unterbrach mit einem verärgerten Schnauben die Stille.

"Nein, das darfst du nicht", knurrte die leise und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. "Du hast deine Familie für dieses neue Leben im Clan verlassen, also musst du ihnen auch den Rücken kehren" Tigerpfote schnappte hörbar nach Luft. "Bist du noch ganz bei Trost?", fauchte er die Anführerin an und Rabenpfote bewunderte insgeheim seinen Mut, der grauen Kätzin zu wiedersprechen. "Ich habe doch wohl das Recht, meine Familie zu sehen!"

Dornenstern schüttelte ungeduldig den Kopf. "Du kannst nicht mit jeder Pfote in einer anderen Welt leben! Denn wie können wir dir vertrauen, wenn wir nicht deine ganze Treue haben?", zischte sie und unterstrich dabei jedes Wort mit einem Peitschen ihres Schweifes. "Es wird Zeit, dass du dich entscheidest: Entweder der Clan oder deine alte Familie!"

Der getigerte Kater spannte seine Muskeln an und zeigte der Kätzin vor ihm provozierend die Zähne. "Pah! Das ist einfach!", antwortete er patzig. "Natürlich wähle ich meine Familie!" Dornenstern hob mit einem gleichgültigen Blick den Kopf. "Gut", miaute sie mit einem triumphierenden Grinsen im Gesicht.
"Dann verbanne ich dich hiermit aus dem Schattenclan!"

Warrior Cats - Katz und MausWhere stories live. Discover now