7. Kapitel - Kampftraining

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"Eisklaue und ich sind der Meinung, dass wir uns auf einen möglichen Angriff des Donnerclans vorbereiten müssen", berichtete Dornenstern dem Clan am nächsten Morgen. Sie stand hoch erhobenen Hauptes auf dem Versammlungsfelsen. Ihr graues Fell glänzte im Sonnenlicht.

"Darum werden wir jeden Tag zwei zusätzliche Patroullien an ihre Grenze schicken", fuhr die Anführerin fort. "Außerdem werden unsere Schüler zusätzliches Kampftraining bekommen. Das Jagen kann erstmal warten" Damit schloss sie ihre kurze Rede und sprang mit einem eleganten Satz vom Felsen.

Der wie immer top organisierte Eisklaue stand bereits ein paar Herzschläge später in der Mitter der Lichtung und teilte Jagttrupps und zusätzliche Grenzpatrullien ein. Als jede Katze beschäftigt war und ihrer Aufgabe eifrig nachging, kam der hellgraue Kater zu Rotsprung, Rabenpfote und Tigerpfote getappt. Die drei hatten geduldig etwas abseits auf ihn gewartet.

Rabenpfote, die noch immer ein wenig verschlafen war, gähnte herzhaft und kratze sich mit der Hinterpfote am Ohr. Eisklaue blieb vor ihnen stehen und musterte sie kurz prüfend. "Ihr habt Dornenstern gehört. Wir gehen trainieren" Sofort drehte sich der 2. Anführer um und machte sich in Richtung Lagerausgang auf. Die anderen folgten.

Es war still im Nadelwald, nur ab und zu drang ein einzelnes Vogelzwitschern an Rabenpfote's Ohr. Sie genoss diese Ruhe und wollte sich ihr schnurrend mit geschlossenen Augen hingeben, doch wenn sie das getan hätte, wäre sie warscheinlich gegen den nächsten Baum geknallt. Auf so eine Peinlichkeit wollte sie nur allzu gern verzichten.

Tigerpfote, der neben ihr her schritt, beugte sich zu ihr hinüber und flüsterte leise, damit ihre beiden Mentoren es nicht hören konnten: "Ich kapiere nicht, warum wir überhaupt kämpfen lernen. Man riskiert in einem Kampf doch nur weitere, unnötige Wunden. Bis jetzt bin ich immer vor Gefahren geflüchtet und es hat funktioniert"

Die schwarze Kätzin versuchte, sich ihr Entsetzen nicht anmerken zu lassen. Deshalb war Tigerpfote also während des Grenzgefechts mit dem Donnerclan geflüchtet. Er hatte so etwas schon immer getan. Dieser Instinkt hatte sich anscheinend tief in seinem Inneren festgesetzt, sodass er sich nicht mal überwinden konnte, seinen Freunden in Not zu helfen. Ein zutiefst beunruhigender Gedanke schlich sich in ihren Kopf. Ist das mit seinen Eltern passiert? Wurden sie angegriffen und er ist einfach wie ein elender Feigling abgehauen? Haben sie ihn deshalb nicht mit zum Schattenclan begleitet? Weil sie tot sind?

Rabenpfote schüttele energisch den Kopf, um ihre Gedanken zu klären. "Es hat etwas mit Ehre zu tun, für das zu kämpfen, was man will und sich nicht gleich zu verkriechen, wenn irgendein beliebiges Mäusehirn daher kommt", antwortete sie ihm genauso leise. "Außerdem: Wenn du mal in die Enge getrieben wirst und du keine andere Möglichkeit hast, als zu kämpfen, dann ist es schon von Vorteil, ein paar Züge zu beherrschen"

Das schien ihm einigermaßen einzuleuchten, denn er nickte langsam und sagte daraufhin nichts mehr. Die Gelegenheit hätte er aber sowieso nicht gehabt, denn in diesem Moment miaute Rotsprung von weiter vorne: "Wir sind da!" Tatsächlich. Als Rabenpfote den Kopf reckte, konnte sie sehen, dass ihr Mentor recht hatte. Sie erreichten die Trainingskuhle, eine große Mulde mitten im Wald, die in jedem Winkel mit Moos ausgepolstert war, sodass man sich nicht so leicht verletzen konnte.

Eisklaue übernahm schnurstracks die Führung und ging nach unten, zur Mitte der Kuhle, wo er stehen blieb. "Was meinst du, welcher Trick gegen einen Donnerclan Krieger wirkungsvoll wäre?" Die Frage war an Rotsprung gerichtet, der nachdenklich den Kopf schief legte. "Der Flankenschubser", vermutete er. Rabenpfote hatte zwar noch nie etwas davon gehört, aber dieser Zug klang interessant. Eisklaue nickte zustimmend in Rotsprungs Richtung. "Also passt gut auf, Schüler!"

Die beiden Mentoren stellten sich gegenüber voneinander hin und verharrten dann kurz. Plötzlich schoss Eisklaue vor. Rabenpfote kniff konzentriert die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, damit ihr kein Detail entging.

Der hellgraue Kater täuschte einen Schlag nach links an und als Rotsprung sich aufbäumte, um den vermeintlichen Schlag abzuwehren, sauste Eisklaue nach rechts. Schnell wie eine Schlange schoss er an dem roten Kater vorbei und stieß ihn kräftig in die Flanke. Rotsprung, der sich nicht mehr auf zwei Beinen halten konnte, fiel um und landete mit einem "Uff" im Moos.

"Das war der Flankenschubser", erläuterte Eisklaue und lenkte sich kurz über das weiße Brustfell. "Man nennt ihn so, weil man seinen Gegner schubst. Und zwar in die Flanke" Rabenpfote nickte eifrig. Sie konnte es kaum erwarten, diesen Kampfzug endlich auszuprobieren. Die beiden Schüler wechselten einen Blick. Tigerpfote's Augen leuchteten. Ihm schien es genauso zu gehen. Die schwarze Kätzin spannte ihre Muskeln an. Na dann mal los!

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"Und wie du dann ins Moos geplumpst bist und geguckt hast! Du hast ausgesehen, wie ein verduztes Kaninchen!" Rabenpfote lachte schallend und stieß Tigerpfote freundschaftlich in die Seite.

Die beiden hatten gefühlte Ewigkeiten in der Trainingskuhle unter den prüfenden Blicken ihrer Mentoren geübt. Sie hatte alles sofort verstanden, er doch schien mit dem Kämpfen ein paar Schwierigkeiten zu haben. Ständig war er beim Herumwirbeln zur anderen Seite umgeknickt, hatte seine Pfoten miteinander verknotet oder hatte einfach vergessen, was er tun musste. Am Ende hatten sie es aber im Großen und Ganzen einigermaßen hinbekommen.

Nun saßen die beiden Schüler im Lager auf der Lichtung und lachten sich gegenseitig aus. Doch so langsam machte sich ihr Magen bemerkbar, also stand Rabenpfote auf und tappte zum Frischbeutehaufen. Dort suchte sie sich eine fette Maus aus und kehrte mit einem breiten Grinsen zu ihrem getigerten Freund zurück. "Teilen wir?", nuschelte sie.

Er warf einen Blick auf das, was aus ihrem Maul baumelte. Rabenpfote meinte, Panik, Trauer, Wut und Entsetzen in seinen Blick zu erkennen, bevor er mit gesträubtem Fell aufsprang und sie anschrie: "Wie kannst du es wagen, mir eine Maus anzubieten? Wie kannst du es wagen, mit dieser Maus im Maul rumzustehen und zu grinsen, während das arme Geschöpf gestorben ist!"

Sie blinzelte überrascht und verwirrt. "Was ist denn in dich gefahren?", fragte sie gereizt und mit angelegten Ohren. "Das ist doch nur eine Maus!" Er sprang wutendbrannt auf und zeigte bedrohlich seine Zähne. "NUR eine Maus?! NUR?! Das... Das ist..." Ihm schien kein passendes Adjektiv einzufallen, denn er stieß einfach einen Schrei aus, wirbelte herum und sprintete davon. Geradewegs in den Schülerbau.

Gekränkt und verwirrt sah Rabenpfote ihm nach. Die Maus baumelte noch immer aus ihrem Maul. Was ist denn plötzlich mit ihm los? Ich wollte doch nur nett sein!

Warrior Cats - Katz und MausWhere stories live. Discover now