Afrika

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Positiv aufgeladen flog Ida zurück nach München. Bei dem Gedanken daran, dass das nächste Flugzeug in das sie stieg, nach Afrika fliegen würde, wollten sich wieder negative Gefühle anschleichen, aber Ida verbannte diese vehement. Sie freute sich darauf, Michael Patrick zu treffen. Er hatte ihr geschrieben, dass er heute und morgen noch ein paar Termine hatte, aber dass er dann wieder in München war. Und dann waren es nur noch zehn Tage bevor sie nach Afrika fliegen würden. Je näher der Abreisezeitpunkt kam, desto aufgeregter wurde Ida. Sie versuchte, das vor Michael Patrick zu verbergen, aber es gelang ihr natürlich nicht. „Ich würde dir gerne Schwester Rosa vorstellen. Also vom Sehen her kennst du sie bestimmt, aber wir wollten gerne zusammen mit Schwester Agathe alle Details einmal durchgehen. Ist das für dich in Ordnung?" „Ja natürlich." Er drückte beruhigend ihre Hand.

So setzten sich die drei Afrikareisenden also gemeinsam mit Schwester Agathe am nächsten Vormittag zusammen und gingen alle Details noch einmal durch. „Herr Kelly, ist wirklich sehr nett, dass Sie Schwester Rosa und Ida begleiten." „Das mache ich doch gerne." Bei dem Blick, mit dem er sie ansah, wurde es Ida ganz warm ums Herz. Aus diesem Blick sprach so viel Zuneigung. Der Blick war wie eine Umarmung. Ida griff unter dem Tisch nach seiner Hand und hielt sie fest. „Herr Kelly, Ida, möchten Sie beide nicht heute Mittag mit uns gemeinsam essen?" „Das wäre sehr nett, Schwester Agathe. Aber nur, wenn es wirklich keine Umstände macht." „Nein gar nicht, wir freuen uns."

Drei Tage später fuhr Jörg, der Hausmeister, Schwester Rosa, Michael Patrick und Ida zum Flughafen. Jeder der drei hatte einige tausend Dollar in bar dabei und das machte Ida sehr unruhig. Sie hatte Sorge, dass ihnen das Geld irgendwo abgenommen werden könnte. 18 Stunden dauerte der Flug mit zwei Umstiegen bis nach Harare. In Harare fuhren sie mit einem Taxi zu dem Hotel das Ida gebucht hatte und schliefen erst einmal. Erst am nächsten Tag machten sie sich auf die mehrstündige Fahrt bis zur Niederlassung der Ordensschwestern im Landesinneren. „Puh, ich bin jedes Mal wieder erstaunt wie warm und feucht es hier ist," seufzte Ida. Sie fühlte sich schon jetzt total aufgeweicht. Dieses feuchte, fast subtropische Klima war einfach nicht ihrs. Aber nun, da sie in Afrika war, freute sie sich darauf, die Schwestern wiederzusehen.

Als sie aus dem Auto ausstiegen, wurden sie herzlich begrüßt. „Ida, it's so good to see you. Beautiful as ever." Ida wurde umarmt und geherzt und stellte dann ihre Mitreisenden vor. Schwester Rosa wurde mit einem Wortschwall überfallen und Ida bemühte sich, für sie zu übersetzen. Eine andere Schwester nahm Michael Patrick einfach an der Hand und zog ihn mit ins Gebäude. Ihr Gepäck wurde ausgeladen und sie wurden in einen großen Raum gebracht, in dem die anderen Schwestern schon auf sie warteten. Der Empfang war sehr herzlich und ihnen wurden Speisen und Getränke angeboten. Die Schwestern waren begeistert, als sie herausfanden, dass Michael Patrick fließend Englisch sprach. Nach dem Empfang wurden sie herumgeführt. Michael Patrick bot Schwester Rosa, die nicht so gut zu Fuß war, seinen Arm an und übersetzte ihr alles, was gesprochen wurde. Ida war erstaunt, wie viel sich in den letzten drei Jahren verändert hatte. Die Schule war sehr vergrößert worden und die Klinik war viel besser ausgestattet. Sie machte Fotos und stellte viele Fragen.

Nach der Führung wurden ihnen die Gästezimmer gezeigt. Michael Patrick war in einem anderen Gebäude untergebracht, da im Kloster keine Männer übernachten durften. Es war für Ida sehr ungewohnt, dass sie zwar die ganze Zeit zusammen waren, sich aber nicht küssten, oder berührten. Aber da sie nicht so genau wussten, wie das auf die Ordensschwestern wirken würde, hatten sie sich zur Diskretion entschlossen.

Ida hatte die nächsten Tage viel mit organisatorischen Dingen zu tun. Es gab so viele Fragen, die sie beantworten sollte, technische Themen zu erklären, vor allem am Computer. Für den dritten Tag hatten die Schwestern einen Ausflug organisiert. Sister Beauty und Sister Mary zeigten ihnen die Umgebung und fuhren sie auch zu einer weiteren Schule, die von den Schwestern geleitet wurde. Dort wurden sie von den Kindern mit einer kleinen Aufführung begrüßt. Ida wurde von den Mädchen mit in den Hauswirtschaftsunterricht genommen und sie kochten gemeinsam. Als sie auf dem Rückweg von den Waschräumen Musik hörte, folgte sie den Geräuschen und fand Michael Patrick in der Turnhalle, umringt von vielen Kindern. Er spielte auf einer Gitarre und alle sangen dazu. Ida war vollkommen gerührt, als sie das sah. Er wirkte richtig glücklich in diesem Moment und ganz bei sich. Als hätte er ihren Blick gespürt, sah er auf und lächelte sie an. Ida warf ihm eine Kusshand zu und ging dann wieder zurück in die Küche. Sie wäre am liebsten bei ihm geblieben. Bald darauf war das Essen fertig und alle Kinder und Lehrer verteilten sich nach einem Gongschlag an den Tischen, die im Innenhof unter Bäumen aufgestellt waren. Ida half bei der Essensausgabe. „Das sieht ja gut aus. Vielen Dank!" Michael Patrick zwinkerte ihr zu. Nach dem gemeinsamen Essen fragten die Kinder Michael Patrick, ob er nicht noch einmal Gitarre spielen könnte und er ließ sich nicht lange bitten. Er holte die Gitarre und setzte sich einfach auf einen Tisch, damit man ihn sehen und hören konnte. Ida beobachtete ihn und sie spürte so viele Schmetterlinge in ihrem Bauch. Damit sie noch im Hellen zurück zum Kloster kamen, mussten sie bald fahren. Sobald sie im Auto waren, griff Ida nach Michael Patricks Hand und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich liebe dich!" Er sah sie freudig überrascht an und seine strahlenden Augen zeigten ihr ganz deutlich, wie sehr er sich darüber freute, dass sie ihm diese Worte gesagt hatte und dass er das gleiche empfand. Er drückte ihre Hand und Ida hätte nie gedacht, dass eine so kleine Berührung so schön sein konnte. Obwohl er ihr so nah war, so vermisste sie seine Nähe und das schon nach so kurzer Zeit.

Das Leben ist zu kurz für Irgendwann!Where stories live. Discover now