Interview mit einem Homophoben

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Mein Vater ist nicht wirklich komplett homophob. Aber seine Einstellungen kommen dem schon sehr nahe.

Im Alltag macht sich seine Art von Homophobie dadurch bemerkbar, dass er beim GNTM gucken Tatjana als „er" bezeichnet. Er sieht Menschen, deren Gender nicht mit dem biologischen Geschlecht übereinstimmt, nicht als männlich oder weiblich an, sondern bezeichnet z.B. male to female Transgender als Männer oder als Grauzone. Ich meine, ist es so schwer das echte Geschlecht, als das sich eine Person bezeichnet, anzuerkennen und auch als solches zu behandeln?

Im Zusammenhang mit GNTM hat er außerdem gezeigt, dass er bei der Boys Edition es ekelhaft fand, als Tatjana ihren Shotingpartner geküsst hat! Mein Vater hätte es an seiner Stelle ekelhaft gefunden, einen halben Mann zu küssen. Und ich habe danach gefühlt Stunden lang versucht, ihm irgendwie zu erklären, dass Tatjana kein ganzer und auch kein halber Mann ist, sondern eine vollwertige Frau.

Aber nein, er mauert da komplett.

Aber immerhin, er hätte kein Problem damit, wenn ich „eine Frau nehm". Genauso wenig wie er ein Problem mit dem Schwulsein an sich hat. Aber Frauen, die ihre Haare kurz schneiden oder Männer mit langen Haaren seid „ekelhaft". Auch wenn ein Mann andere weibliche Atribute hat, und er deswegen „halb attraktiv" in den Augen meines Vaters sei, sei das ekelig. Oder wenn eine Frau sich die Brüste wegoperiert oder scheinbar keine Brüste hat (er weiß nicht, was Binder sind) dann ist das nicht weiblich und somit „ekelhaft.

Er hat einfach ein Problem damit, wenn jemand nicht in seine Schubladen passt. Also wenn jemand:

1. biologisch weiblich ist und auch so aussieht und sich verhält, ist dass ok.
2. biologisch männlich ist und so aussieht und sich auch dementsprechend verhält, ist das ok.

Wenn aber ein Mann seine weibliche Seite auslebt, ist das ekelhaft.

Männer mit langen Haaren sind ekelhaft.

Wenn ein Mann ein Klischee-Schwuler ist, dann ist das ekelhaft.

Aber (!) ein Guido Maria ist wieder in Ordnung, weil er ein männlicher schwuler Mann ist. (Er kann wohl die genäselte Aussprache nicht hören oder hat dahingehend Scheuklappen auf)

Wenn eine Frau das Klischee Kampf-Lesbe erfüllt, dann ist das ekelhaft.

Transgender sind ekelhaft.

Alle Non-binary sind ekelhaft.

Alle, die sich nicht so benehmen, wie sie laut ihrem Geschlecht sollen, sind ekelhaft.

Ich hab einfach keine Ahnung, wie ich mit ihm Umgehen soll. Ich will klarstellen, dass all diese Menschen auch ein Recht auf normale Behandlung haben. Eine Frau, die im falschen Körper geboren ist, ist trotzdem noch eine Frau. Und nach den ganzen OP's sieht man das auch äußerlich. Und dann ist das eine Frau.

Was ich noch nicht verstehe, ist dass vor zwei Staffeln GNTM ja zwei mtf Transgnder teilgenommen haben. Soweit noch alles schön und gut. Bei Melissa könnte man die tiefere Stimme noch deutlich hören. Mein Vater empfand IHN (weil sie ja kein Recht hat, als Frau bezeichnet zu werden, auch wenn sie in ihrem Perso als weiblich markiert ist) als unnatürlich und ekelhaft.

Und dann war da noch Giulianna. Ihr hat man ihr früheres äußerlich männliches Ich weniger angesehen. Mein Vater hat sie zunächst noch als schön bezeichnet. Ich hatte mich darauf gefreut, ihm zu sagen, dass sie früher mal ein Mann war, um ihm zu zeigen, dass auch mtf Transgender schöne Frauen sein können. Nur leider wurde ich enttäuscht.

Kaum findet er es heraus, fängt er an, über sie zu lästern, fragt sich, wo sie ihren Penis versteckt hat, nennt sie hässlich und fragt sich, warum sie überhaupt so weit gekommen ist. Warum konnte er es nicht einfach einsehen? Warum konnte er nicht endlich sehen, dass eine Geschlechtsumwandlung eine Frau nicht weniger Frau sein lässt, auch wenn sie biologisch männlich ist und ein Mann dadurch nicht weniger männlich, auch wenn er biologisch eine Frau ist?

Ich komm echt nicht mit ihm weiter. Kaum denke ich, er könne einen Schritt in Richtung Akzeptanz machen, beweist er mir das Gegenteil. Ich bin am verzweifeln.

Wenn irgendwer Tipps hat, wie man solche Menschen umerziehen kann, immer her damit. Ich bin mit meinen Ideen und vorallem mit meinen Nerven am Ende.

Chiao

15.06.2019
678 Wörter

Mein SelbstfindungsprozessWhere stories live. Discover now