13. August 2019

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Ich hab schon lange nichts mehr geschrieben. Und doch ist in der Zwischenzeit eine Menge passiert.

Ich was in einem Zeltlager in Frankreich, organisiert von einem deutschen Verein. Als ich dort hin gegangen bin, hatte ich schon länger nicht mehr darüber nachgedacht, wer ich bin.

Am dritten oder vierten Tag ist es dann passiert.

Ich hab mich in ein Mädchen verliebt.

Ich meine, ich hab davor nicht mal sicher gewusst, ob ich mich überhaupt in Mädchen verlieben kann, und dann passiert das.

Es war nicht stark, mehr so wie ein verstärktes Interesse an ihr nicht bloß als gute Freundin, sondern als mehr. Aber es hat mir gezeigt, dass ich nicht Heteroflexibel bin.

Ich hab dann noch ein bisschen nachgedacht. Sehr schnell konnte ich Pansexuell dann wieder ausschließen, da mich Menschen ohne Geschlecht oder androgyne Menschen einfach nicht reizen.

Das heißt ich bin poly. Solange jemand sich als männlich oder weiblich identifiziert und auch äußere Merkmale hat, die einem Geschlecht zuordenbar sind, kann ich mich in ihn/sie verlieben.

Kurz darauf hatte ich mein erstes Outing. Ich weiß das geht schnell, aber ich war mir sicher.

Dazu muss man wissen, in diesem Zeltlager gibt es einen Tag, den die Teilnehmer ohne die Mitarbeiter organisieren müssen.

Da zum Tagesablauf auch so genannte Andachten dazugehören, sollten die auch mitgeplant werden.

Ich wollte relativ von Anfang an eine solche Andacht halten. Das gute war, dass man sich das Thema frei wählen konnte. Einer der anderen Teilnehmer hielt seine z.B. zum Thema Kapitalismus.

Ich hatte also schon herausgefunden, dass ich poly bin, und war auf der Suche nach einem Thema. Kommt so von einem Typen der Vorschlag: "mach doch was zum Thema Tolleranz und Love-is-Love".

Gesagt getan. Und mein Outing war auch gleich noch mit drin.

Die Menschen in dem Zeltlager sind alle sehr freundlich und weltoffen. Nur deshalb hab ich mich das tatsächlich auch getraut.

Kaum war ich aus dem Zeltlager zurück, hatte ich es auch schon meiner Mutter erzählt. Sie ist relativ entspannt was das angeht, nur halt mein Vater nicht.

Sie meinte, ich solle mich noch nicht auf dieses Label festlegen und erst noch ausprobieren, ob mir das mit Frauen und Männern überhaupt tatsächlich gefällt.

Meine blühende Fantasie sagt: Ja.

Und jetzt zu einer komplett anderen Fassade der Sexualität.

Ich habe ja mitlerweile schon öfters darüber nachgedacht, ob ich vielleicht männlich und schwul sein könnte.

Irgendwann kam aber die Erkenntnis, dass ich höchstens Demigirl mit einer unbestimmten anderen Hälfte sein könne.

Nach viel Zeit in mich hinein lauschens habe ich dann festgestellt: ich bin 60% polysexuelles Mädchen und 40% schwuler Junge.

Die beiden Seiten zeigen sich aber in den unterschiedlichsten Situationen.

Fast mein komplettes Onlineleben wird kontrolliert von dem schwulen Jungen. Meine Partnerwahl trifft fast immer der schwule Junge. Viele meiner Wattpadbücher, die in meiner Bibliothek darauf Warten, gelesen zu werden, sucht der schwule Junge in mir aus.

Das poly Mädchen darf da hin und wieder auch mal mitbestimmen. Sie entscheidet aber großteils über Klamotten, Haare, Make-up. Sie bestimmt darüber, wie ich mich mach außen hin verhalte. Sie starrt Leuten gerne auf den Arsch. Und sie entwickelt langsam das Selbstbewusstsein, das schon immer mit dem schwulen Jungen in mir schlummerte.



Ich bin kompliziert. Aber ich will nichts anderes sein.

Mein SelbstfindungsprozessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt