{9} Beim Mädchen zuhause. [1]

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Das Jungchen saß auf der weißen Couch in seinem sicheren Wintergarten. Es regnete und stürmte wie am ersten Tag. Er wartete auf sie. Wartete sehnsüchtig.

Als sie endlich links in seinem Sichtfeld auftauchte, entspannte er sich. Doch mitten auf ihrem Weg zur Tür, als Jungchen gerade aufstehen wollte, verlangsamten sich ihre Schritte. Sie zögerte, bis sie schließlich stehen blieb und sich ins nasse Gras setzte. Sie saß vor dem gläsernden Wintergarten. Ein scheinbar endloser Starr-Wettbewerb zwischen den beiden. Sah sie ihn überhaupt? Er verstand nicht, wieso sie nicht an die Tür kam und klopfte, wie sie es immer getan hatte. Was hielt sie davon ab zu ihm reinzukommen, wenn sie jetzt schon vor ihm auf der anderen Seite des Glases saß?

Nach einer gefühlten Ewigkeit stand das Mädchen auf. Jungchen beschlich das Gefühl von Erleichterung. Endlich hat sie Vernunft angenommen. Er machte sich Sorgen um sie.

Doch anstatt zur Tür zu gehen, drehte sich das Mädchen um und ging in die Richtung aus der es gekommen ist.

Jungchen war verwirrt. Kurzerhand entschied er, ihr hinterher zu gehen. Vielleicht wollte sie, dass er ihr folgt?

Es ging über den Zaun, durch den Wald, durch ein überwuchertes Tor. Eine Art Gartentor. Mitten im Wald. Immer weiter weg von der Umgebung, die Jungchen kannte.

Das Mädchen schien ihn nicht zu bemerken und aus irgendeinem Grund hütete sich Jungchen auch davor von ihr entdeckt zu werden. Sie wusste zwar wo er wohnt, doch er wusste nie woher sie kam, wenn sie ihn besuchte. Der Regen prasselte heftig genug auf das Blätterdach, das Donnern krachte laut genug durch die Luft, der Wind raschelte an allem stürmisch genug, als das sie ihn hören könnte. Jedoch müsste sie sich nur umdrehen um ihren Schatten zu sehen. Aber das tat sie nicht. Sie hatte ein Ziel. Und mit dieser Zielstrebigkeit ging sie dementsprechend selbstbewusst durch diese nasse, laute, chaotische Pflanzenwelt.

Bis sie ein kleines, sehr bescheidenes Haus erreichte.

Die Tür brauchte sie nicht aufzusperren, denn sie war nicht abgeschlossen. Nun stellte sich Jungchen doch sicherheitshalber hinter einem großen Strauch. Während das Mädchen im Haus verschwand, checkte er die Lage. Das Grundstück war nicht klein, wie man auf den ersten Blick vermutete. Sie wurde ihrer Größe durch Überwucherung des Gartens beraubt. Es hatte etwas Wildes und zugleich Märchenhaftes, wie das Häuschen mitten im Nichts außer Wald und Natur dem Gewitter stand hielt.

Jungchen fror. Seine Kleidung vollkommen durchnässt. Er hatte beim übereilten Aufbruch keine Jacke angezogen.

Die Haustür öffnete sich wieder und Jungchen duckte sich. Nicht weil er ihr hinterher spionierte, sondern einfach aus einem Instinkt heraus. Non?  Das Mädchen machte sich wieder auf den Weg. Jungchen konnte sich für kurze Zeit nicht entscheiden: Folgte er ihr weiter? Doch sein Interesse an dem Ort, wo sie lebte, war größer, als das Interesse wo sie jetzt hinzugehen vermag. Nachdem er sicher ging, dass das Mädchen wirklich das Grundstück verlassen hatte, ging er zum Haus. Drückte die Türklinke runter, und betrat Mädchen’s Zuhause.

Ein kleiner Zwischenraum mit Kleiderhaken, Spiegel und Kommode machte den Flur aus. Seinen triefenden Kapuzenpullover hing er auf und er zog gewissenhaft seine nassen, dreckigen Schuhe aus. Er möchte nicht dieses Heim beschmutzen. Nach drei Schritten durch den Flur, durch den Türrahmen ohne Tür, gelang er auch schon in den Wohnbereich. Rechts war eine kleine offene Küche und der Rest war ihr Zimmer. Dieser Raum war Wohn- und Schlafzimmer zugleich.

Jungchen bemerkte schnell, dass dieses Zimmer, dieses Haus ein Manifest ihrer Persönlichkeit war. Egal wo man hinsah, egal welchen Gegenstand man näher betrachtete: Es war ein Teil von ihr. Dementsprechend hielt er sich zurück und fasste nichts an. Er setzte sich in den Ohrensessel, welcher aus Patchwork-Stoff gemacht worden ist und er Blick auf die Tür und das ganze Zimmer hat. Während er da saß, auf die Heimkehr des Mädchens wartete, um sie zu fragen, weshalb sie ihn heute nicht besuchen kommen wollte, das Zimmer mit Interesse und Faszination unter die Lupe nahm, er sich der Wärme erfreute und sich rundum wohlfühlte, schlief er ein.

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Meinungen erwünscht. Irgendwie unzufrieden.

JungchenTahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon