[Drei] - Kurzes Nickerchen

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Tatsächlich finde ich Jolene im Wohnzimmer auf der Couch vor. Irgendwie sitzend, irgendwie liegend. Aber in eine Decke eingewickelt; auf ihrem Bauch liegt Timber eingerollt. Der Fernseher ist eingeschaltet, erhält von ihr aber keine Beachtung, weil sie mit ihrem Handy beschäftigt ist, auf dem sie mit gelangweiltem Ausdruck herumwischt.
Nur Rex hüpft freudig um mich herum und begrüßt mich.
»Hey«, spreche ich Jolene an und stelle die Tüte mit den Medikamenten auf die Kochinsel. Dort liegt auch der Laptop; zugeklappt und ausgeschaltet. Trotzdem lege ich meine Hand auf ihn, um zu fühlen, ob er warm ist. Ich hätte meine eigene Wette jetzt verloren. Keine Wärme, was bedeutet, dass sie ihn wirklich ausgelassen hat und nicht nochmal dran war.

Ohne ein Wort zu sagen, schiebt sie Timber von sich, steht auf und kommt zu mir. Nach einem kurzen Kuss gegen meine Schläfe lugt sie in die Tüte herein.
»Du übertreibst«, murmelt sie näselnd und mit heiserer Stimme und sieht mich mit hochgezogener Augenbraue an. »Es ist nur eine kleine Erkältung und keine tödliche Grippe.«
»Ändert nichts daran, dass du eine Bazillenschleuder bist. Ich will nicht angesteckt werden und Chester auch nicht«, brumme ich und packe die Tüte aus.
»Hier, was meinst du?« Sie wechselt das Thema und hält mir ihr Handy vor die Nase.
»Ein Hummer«, kommentiere ich das Foto emotionslos.
»Top Preis!« Sie wischt ein paar Mal über das Display, bis die Eckdaten des Fahrzeugs zu sehen sind; inklusive dem Preis.
»Ist das ein Neuwagen?«, frage ich unwissend.
»Was? Nein! Das ist der H2 aus dem Jahr 2006.«
»Und dann will der Verkäufer noch so viel?«
»Das ist nicht viel«, wehrt sie sich. »Guck.« Erneut hält sie mir Fotos von diesem Wagen vor die Nase. »Er ist sehr gepflegt und hat verhältnismäßig wenig Kilometer.«
»Unnötige Ausgaben«, murmle ich und schüttle verständnislos mit dem Kopf; drehe mich von ihr weg und betätige den Wasserkocher, um ihr einen Tee aufzusetzen.
»Bitte?«, hakt sie nach.
»Unnötige Ausgaben«, wiederhole ich und erwidere ihren abschätzigen Blick. »Du hast bereits vier Schlachtschiffe. Wozu noch ein fünftes?«
Ihre Miene bleibt einige Sekunden erhalten, bis sich ein zynisches Schmunzeln bildet.
»Wo du gerade unnötige Ausgaben ansprichst: Was ist eigentlich mit deiner Wohnung?«
»Was soll mit ihr sein?«
»Unnötige Ausgaben«, sagt sie lediglich und verschränkt ihre Arme vor der Brust.
»Ist es nicht!«, wehre ich mich. »Das ist meine Wohnung, darin lebe ich.«
»Tust du nicht. Du gehst seit Monaten tagtäglich hier ein und aus. Sogar Timber wohnt schon hier«, argumentiert sie und deutet auf die Katze, die sich in die geknüllte Decke eingerollt hat. »Wann hast du das letzte Mal in deiner Wohnung genächtigt?«
Irgendwann im August letzten Jahres, glaub' ich. »Willst du damit etwa unterschwellig sagen, ich soll öfters dort schlafen?«, frage ich, als ich mir nicht so sicher bin, wie genau sie diese Frage meint. »Wenn du das willst ...«, füge ich etwas schnippisch hinzu und schiebe sie zur Seite.
Sie aber hält mich am Handgelenk fest, als ich ins Schlafzimmer gehen will, um ein paar Sachen zu packen.
»Irgendwann steige ich bei deinen komischen Verzweigungen im Hirn noch durch«, grummelt sie und sieht mir direkt in die Augen. »Davon war nie die Rede. Ich möchte, dass du hier bleibst. Ganz.« Kurz holt sie Luft. »Was du im Grunde ja schon tust; weshalb es einfach unnötig ist, Monat für Monat für eine Wohnung zu bezahlen, in der du gar nicht mehr lebst.«
»Sie gibt mir Sicherheit«, gebe ich ehrlich zur Antwort und erkenne an Jolenes Ausdruck, dass sie darüber zunächst erschrocken ist, dann aber zu verstehen scheint, wie ich es meine.
Auch wenn ich mir sicher bin, dass die Beziehung mit Jolene nicht so toxisch wird, wie die mit Martin, so möchte ich im schlimmsten Fall einfach gehen können. Zwar glaube ich nicht, dass es bei uns so weit kommt, einfach weil wir bisher jede Meinungsverschiedenheit friedlich geklärt haben und beide nicht sehr gerne diskutieren oder streiten. Dennoch ... sie hatte in der Vergangenheit viele Geheimnisse und ich weiß nicht, ob es da noch mehr gibt. Vielleicht sogar ...
Jolene unterbricht meine Gedanken, als sie mich zu sich zieht und mir einen liebevollen Kuss gibt.
»Jolene Reid!«, schimpfe ich und drücke sie von mir.
»Cait Roberts«, erwidert sie grinsend.
»Ich will nicht krank werden!«
»Du liebst mich. Deswegen gehst du das Risiko ein«, trällert sie und zieht mich wieder zu sich, um den unterbrochenen Kuss einzufordern.
Weil ich ihr ohnehin nicht widerstehen kann, seufze ich und lasse es zu; spüre dabei, wie sich ihre Lippen zu einem Grinsen formen.
Immer noch triumphierend grinsend löst sie den Kuss und begibt sich wieder auf die Couch.
Freundlich aber bestimmt scheucht sie Timber auf einen anderen Platz, um sich die Decke zurückzuerobern. Dort wartet sie darauf, dass ich mit dem Tee zu ihr komme.
Ohne ein Wort zu sagen, macht sie mir unmissverständlich klar, dass ich mich zu ihr legen soll.
»Was soll's«, seufze ich und tue ihr den Gefallen, »allein' durch den Kuss bin ich vermutlich schon infiziert, macht's Fett jetzt auch nicht mehr heiß.« Kurz halte ich inne, als mir da etwas klar wird. »Wenn wir beide krank sind ...«, beginne ich.
»Ist es für meine Eltern kein Grund abzusagen«, unterbricht Jolene murmelnd. »Eine Absage akzeptiert der Admiral nur, wenn man kreidebleich in einer Holzkiste liegt.«
Während sie das sagt, wird ihre Stimme leiser, aber auch brüchiger. Ein kurzer Blick verrät mir, dass sie bereits wieder am wegnicken ist. Aber weil auch ich mich etwas erschossen fühle, recke ich mich zu ihr, um ihr einen kurzen Kuss zu geben, ehe ich mich an sie schmiege und ebenfalls meine Augen schließe. Ein kurzes Nickerchen schadet schließlich nicht.

Jolene (+ Cait)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt