[Vier] - Beziehungsprobleme

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Während es Rex sichtlich genießt über die Wiese im Park zu rennen und sich hier und da an einer interessanten Hündin versucht, pflückt Chester kleine Blumen, die er mir immer wieder bringt. Irgendwann hat er wohl selbst genug davon und begibt sich auf den Weg zum Spielplatz ganz in der Nähe. Dankbar keine weiteren kleinen Wiesenblümchen zu bekommen, folge ich ihm. Es ist nicht so, dass ich mich darüber nicht freue, aber es sind so viele, dass ich nicht weiß wohin damit. Nicht alle sind für mich, das hat er deutlich betont. Die Hälfte davon ist für seine Mama.Innerlich stöhne ich etwas verzweifelt, als ich erkenne, wie Chester direkt auf den Sandkasten zusteuert und auf Muschelsuche geht; leider Gottes wird er aber auch jedes Mal fündig. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich all seine Geschenke in meinen Händen ausbalancieren soll. Und zu allem Übel klingelt dann auch noch mein Handy.
Also jongliere ich alles so, damit nichts kaputt geht und fische mein Telefon aus der Hose.
»Wo bist du?«, kommt es mir entgegen, bevor ich mich überhaupt richtig gemeldet habe.
»Dir auch Hallo«, grummle ich zurück.
»Ich bin verzweifelt«, wimmert mir Winnie entgegen und ignoriert meine Bemerkung. »Ich brauche deine Schulter.«
Ein Seufzen kann ich mir nicht unterdrücken. Die Beziehung von Dennis und Winnie ist eine Achterbahnfahrt. Ein Auf- und Ab und vielen Loopings. Oftmals sind es Kleinigkeiten, an denen sie sich gegenseitig hochschaukeln. Vermutlich ist es dieses Mal nichts anderes und auch nehmen wir alle diese Streitereien kaum noch ernst. Denn letztlich raufen sie sich ja doch wieder zusammen, weil sie ohne einander nicht können.
»Ich bin im Morningside Park«, gebe ich ihr meinen Standort preis.
»Andiamo? Jetzt?«
Ich nicke, als würde Winnie es sehen können, lege auf und rufe Chester und Rex wieder zu mir, die ich beide während dem Gespräch nicht aus den Augen gelassen habe. Zum Glück ist der Dackel nicht so ungehorsam und dickköpfig, wie andere Hunde seiner Rasse. Das zählt auch für Chester, der sofort alles im Sandkasten hinter sich lässt und zu mir kommt.

»Mommy, heim?«
»Noch nicht«, beantworte ich ihm murmelnd und nehme seine Hand in meine, während wir zum Auto gehen.
Behutsam lege ich das Bündel an Wiesenblumen auf den Rücksitz und helfe Chester in seinen Kindersitz.
»Wo Mama?«, will er wissen, während ich ihn anschnalle.
»Zuhause. Mama ist krank.«
»Ich weiß.« Wissend nickt er und bringt mich dazu, ihn mit gehobener Augenbraue anzusehen.
»Wir treffen uns jetzt mit Ninnie«, verrate ich ihm dann.
»Tante Ninnie!« freut er sich und hüpft in seinem Sitz herum; soweit ihn die Gurte eben lassen.

Bei Andiamo gibt es meiner Meinung nach die besten Pizzen in dieser Gegend und liegt zu meinem Glück auch immer auf dem Weg. Ob von der Arbeit nach Hause, oder so wie jetzt, vom Park aus. Ich bin irritiert, als ich auf den Parkplatz fahre und Winnie bereits an einen der Tische draußen auf der Terrasse sitzen sehe. War sie also ohnehin schon auf dem Weg zu mir, oder ist sie geflogen?
»Du hast den Knirps ja dabei!« Sie freut sich und scheint ihren Kummer plötzlich vergessen zu haben. Auch Chester rennt zu ihr und wirft sich in ihre Arme; lässt sich von ihr auf den Schoß ziehen.
»Tante Ninnie auch Blume«, sagt er und hält ihr eine, mittlerweile abgeknickte Wiesenblume hin.
Trotzdem lächelt sie, nimmt sie dankend an und drückt ihm einen Kuss auf die Wange.

Mit ihrem Problem, weshalb wir uns hier treffen, wartet sie, bis wir uns etwas zu trinken bestellt haben und an den Tisch gebracht bekommen.
»Ihr habt offensichtlich keine Probleme, was den kleinen Mann hier angeht«, beginnt sie dann. »Also ich meine, Jolene hat keine Probleme damit, dass du etwas mit Chester unternimmst«, korrigiert sie.
»Was ist diesmal?«, will ich wissen, wobei ich schon eine Ahnung habe. Denn oft sind es dieselben Dinge, weshalb sich Dennis und Winnie uneinig sind.
»Ich hab' dir doch mal gesagt, dass ich glaube, dass Dennis mir nicht vertraut, wenn es um Jay geht.«
Schweigend nicke ich und warte, dass sie fortfährt.
»Das hat sich jetzt bestätigt.« Mit beleidigten Gesichtsausdruck nippt sie an ihrem Kaffee. »Am Wochenende ist doch diese Veranstaltung in Miami Beach. Dennis muss bereits ab Donnerstag Doppelschichten einlegen. Selbst schuld, er weigert sich ja immer noch jemanden einzustellen; jedenfalls, das heißt, er muss schon nachmittags im Dienst sein. Und anstatt er Jay einfach bei mir lässt, reißt er sich ein halbes Bein aus. Dabei bin ich doch da und kann ihm helfen. Aber nein! Da diskutiert er lieber mit seiner Ex-Frau und rätselt, wie er die Zeiten überbrückt bekommt, weil auch sie nicht so viel Zeit hat.«
Je länger ihre Erzählung ist, umso mehr regt sie sich auf.
Wobei ich ihr in diesem Punkt tatsächlich recht gebe. Wenn Chelsea selbst anfangen muss, ihre Termine zu verschieben, um Jay unterzubekommen, ist es doch eigentlich naheliegend, dass er einfach bei Winnie bleibt.
»Daraufhin habe ich ihn gefragt, ob er mir seinen Sohn nicht anvertrauen will.« Jetzt wird ihr Ausdruck wütend. »Er ist bisher immer lebend zu Schule und auch nach Hause gekommen, wenn ich ihn gebracht oder geholt habe. Ihm ist noch nie etwas passiert, wenn er mit mir zusammen war. Jay und ich verstehen uns wirklich gut. Ich lieb' den Kleinen!«
Weil sie immer lauter und aufgeregter wird, lege ich meine Hand auf ihre, um sie wieder etwas runterzuholen.
»Und weißt du, was er daraufhin gesagt hat?« Ihr tiefer Atemzug verdeutlicht, dass sie gar nicht auf eine Antwort von mir warten wird. »Ja. Er hat 'Ja' gesagt. Dennis vertraut mir seinen Sohn nicht an. Nach über einem Jahr!!«
Jetzt hilft auch meine Berührung nicht mehr, sie zu beruhigen. Dafür stehen nun Tränen in ihren Augen und ganz unwillkürlich drückt sie Chester fester an sich und ihre Lippen in seine braunen Locken.
»Bist du dir sicher, dass er das so direkt gesagt hat?«, hake ich nach, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass Dennis ihr den Umgang mit Jay nicht gönnt oder genehmigt. Dafür ist Dennis viel zu lieb - abgesehen davon, weil er gerade das an Winnie so liebt; dass sie seinen Sohn bedingungslos akzeptiert und mit ihm so super umgeht.
»Ja.«
»Hat er es denn wenigstens begründet?«, fragte ich irritiert weiter.
»Chelsea ist Jays Mama! Das ist seine Argumentation!«
Zugegeben, ich weiß nicht, wie ich darauf wirklich reagieren soll.
»Nun...«, beginne ich.
»Darum geht es nicht!«, gibt sie patzig von sich und unterbricht mich.
»Wenn Johnny eines Tages aus dem Gefängnis raus ist, werde ich auch den Kürzeren ziehen, wenn es um Chester geht. Er ist nun mal sein Vater und hat seine Rechte.«
»Ja, Cait. Aber Chelsea hat ja selbst kaum Zeit. Und anstatt Jay einfach bei mir zu lassen, reißen sie sich lieber Arme und Beine aus. Darum geht es! Ich glaube kaum, dass Jolene das mit dir so machen würde. Johnny hin oder her!« Kurz hält sie inne und sieht mich sonderbar an. »Du sitzt hier. Mit ihrem Sohn. Und sie ist ...?«
»Zuhause. Krank.«
»Aber sie vertraut ihn dir an! Kriegst du ständige Anrufe oder Nachrichten von ihr, wenn du mit Chester alleine bist?«
»Nein.«
»Ich schon. Das Handy steht gar nicht mehr still. Und wehe ich antworte dann nicht direkt, bricht Dennis in Panik aus.« Unglücklich sackt sie ein wenig in den Stuhl nieder und streicht Chester durchs Haar. »Ich beneide dich, Cait. Du und Jolene, eure Beziehung ist so perfekt.«
»Ist sie nicht«, bestreite ich direkt und verschränke meine Arme. »Auch wir streiten uns.«
»Das glaub' ich dir nicht«, grunzt sie ungläubig und nippt an ihrer Tasse. »Diese Frau trägt dich auf Händen.«
»Wir versuchen, unsere Dispute nicht nach außen zu tragen«, erkläre ich. »Aber wir streiten uns auch.«
»Mal abgesehen davon, dass auch ich immer eine Schulter für dich habe und du nichts mit dir alleine ausmachen musst; über was könnt ihr euch denn streiten? Wegen ihm hier schon mal nicht.« Kurz hebt sie Chester etwas an, um zu verdeutlichen, ihn zu meinen.
»Es gibt einiges«, gestehe ich. »Hauptsächlich wenn es um Johnny oder Geld geht.«
»Um Geld? Ihr streitet euch wegen Geld?« Ungläubig starrt sie mich an.

Jolene (+ Cait)Where stories live. Discover now