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Meine Füße hinter mir her ziehend betrachtete ich meine Spiegelung in den Schaufenstern einiger Läden. Die Sonne war gerade am untergehen, als ich von Taehyung's Haus zurück lief. Mir wurde mehrmals angeboten, mich fahren zu lassen, was ich aber dankend ablehnte. Ich wollte meinen Kopf mit ein wenig frischer Luft klären.

Unter meinem warmen Mantel trug ich diesmal einen dicken Hoodie und eine Jogginghose, um nicht wieder zu frieren. Es half auch, denn nun konnte ich die kalte Luft nur an meinen Wangen und Handrücken spüren.

Das braune Laub auf dem Gehweg war vom Regen der letzten Tage aufgeweicht und blieb deshalb an meinen weißen Schuhsohlen kleben. An den Bäumen zwischen Gehweg und Straße hingen nur noch vereinzelte Blätter.

Meine Eltern mussten heute beide lang arbeiten, also konnte ich noch etwas draussen bleiben, ohne dass sie sich Sorgen machen würden.

Ich entschied mich dazu, einen kleinen Umweg zu nehmen.

Anstatt geradeaus weiter zu laufen, bog ich rechts ab, und lief somit nun in Richtung Fluss weiter. Es gab viele dunkle Gassen, an denen ich schnell vorbei hopste. Je weiter ich lief, desto gleicher sahen alle der Häuser aus. Große Betonblöcke mit vielen kleinen Fenstern. An den meisten grauen Wänden waren jedoch bunte Graffitis, die alles ein wenig interessanter machten.

Staunend blieb ich vor einem der Graffitis stehen. Es war ein riesiges Bild von einem Wolf. Komplett in rot und orange Tönen knurrte er das gegenüberliegende Gebäude an. Es erstreckte sich bis hoch zum dritten Stock. Die Farben hoben sich klar und deutlich von ihrer kahlen Umgebung ab.

Nach zwei Minuten ging ich dann auch weiter. Ein weiteres Graffiti fiel mir ins Auge. Es war nur ein bunter Schriftzug, aber... Irgendwie kam es mir bekannt vor. Nach genauerer Inspektion stellte ich fest, dass ich zwei Häuser von Seokjin's Wohnung entfernt war.

Ich lief noch ein paar Meter weiter, bis ich in etwas Entfernung die steinerne Brücke sehen konnte. Über sie führte eine breite Straße. Auf der rechten Seite dieser lag das Wohnviertel, während auf der linken Seite ein Park zu erkennen war.

Kurz blieb ich vor dem grauen Gebäude, in dem der junge Mann wohnte, stehen. Sollte ich ihm einfach einen spontanen Besuch abstatten?

Dieser Gedanke wurde schnell verworfen, als ich den Park ansteuert. Er war noch ein ganzes Stück entfernt, also lief ich die nächsten fünf Minuten in Stille.

Endlich plagten keine Gedanken mehr meinen Kopf.

Die letzten Sonnenstrahlen prickelten auf meiner Nasenspitze, und ein kalter Wind bließ meine Haare hinter meine Schultern. Ein zufriedenes Seufzen verließ meinen Mund.

In dieser Gegend fühlte ich mich wohl. Es lag einfach an dieser Aura, die hier herrschte. Die Graffitis und die verschiedenen heruntergekommenen Fahrräder, die an alte Straßenlaternen gelehnt standen, ließen alles lebendig wirken. Wie in einem Film.

Endlich erreichte ich die unbefahrene Straße. Diese überquerte ich, und betrat dann den Park. Er war alle andere als klein, und in ein bisschen Entfernung war ein Sportplatz zu sehen.

Die Kiselsteine knirschten unter meinen Schuhsolen. Man konnte ganz nah an den Fluss rangehen, der friedlich vor sich hin plätscherte. Jedoch hielt ich etwas abstand von den kleinen Mauer, da ich Angst hatte, hinein zu fallen.

Zweimal musste ich niesen, als ich den Sportplatz betrat. Ein Basketball lag einsam in einer Ecke des hohen Gitterzauns. Ich lief auf diesen zu und hob ihn auf. Die orangene Farbe erinnerte mich wieder an das Laub auf dem Boden.

Unentschlossen stand ich vor dem Basketballkorb. Noch nie war ich besonders gut in irgendeiner Sportart. Trotzdem stellte ich mich so hin, wie wir es im Sportunterricht gelernt hatten. Eine Bein weiter vorne, der Ball liegt auf der einen Hand, während die andere ihn festhält... Schwan move!

Der Ball berührte zwar den roten Rand des Korbes, prallte aber von diesem ab und flog gegen das Metallgitter, was ein lautes Geräusch erzeugte. Unbeirrt lief ich dem Ball hinterher und versuchte es nochmals.

Beim elften Versuch konzentrierte ich mich. Es fühlte sich toll an, ganz alleine so viel Raum für sich zu haben und Dinge üben konnte, bei denen man sich mit anderen Leuten schämen würde. Trotz der erdrückenden Müdigkeit kehrten meine Emotionen für einen Moment zurück.

Getroffen!

Ich führte ein kleines Siegestänzchen für mich selbst auf, bevor ich mir wieder den schweren Ball vom Boden schnappte. Immer und immer wieder warf ich mit ihm auf den Korb, und mit der Zeit verbesserte sich auch meine Trefferquote.

Ich hatte so viel Spaß, dass ich gar nicht bemerkte, wie viel Zeit verstrichen war. Erst als ich wieder niesen musste, wendete sich meine Aufmerksamkeit auf den Himmel, der inzwischen komplett dunkelblau war. Sogar einige Sterne waren zu erkennen. Ein Blick auf mein Handy verriet mir, dass ich schon seit fast einer Stunde Körbe warf.

Aufgemuntert zog ich den Mantel zum erneuten mal enger an meinen Körper, und machte mich dann auf den Weg nach Hause.

𝗟𝗲𝘁'𝘀 𝗻𝗼𝘁 𝗳𝗮𝗹𝗹 𝗶𝗻 𝗹𝗼𝘃𝗲 | 𝐁𝐓𝐒Where stories live. Discover now