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Go ahead and cry little girl
Nobody does it like you do
I know how much it matters to you
I know that you got daddy issues

In meinem Kopf vor mich her singend schlenderte ich über den Gehsteig. Der Dreck von meinen Schuhsohlen spritzte hoch und verteilte kleine Flecken auf meiner dunklen Jeans.

Wieder waren meine Eltern nicht zuhause, und wieder konnte ich nicht schlafen. Also lief ich zum Sportplatz, um ein paar Körbe zu werfen.

Meine Gedanken waren so verdammt laut. Wie Kaugummi verklebten sie all meine Sinne. Das einzige, was mich in der Realität hielt, war das Geräusch meines Atems und meine laufende Nase.

Ein letztes Mal bog ich ab. Links von mir lag der Sportplatz. Als ich jedoch von Boden aufblickte, lief ich geradeaus weiter auf die Brücke. Dort stand nämlich ein junger Mann mit lilanen Haaren und breiten Schultern, die irgendwie nicht zu dem Rest seiner dünnen Körpers passten.

"Hey."

Sein Blick wanderte auf mich, als er den Rauch der glühenden Zigarette in seiner Hand ausstieß. Abwesend nickte er. Erst nach ein paar Sekunden schien er sich wieder zu fassen und fing an zu sprechen.

"Wir haben uns fast einen Monat lang nicht gesehen... Ich hab dich vermisst." Ein leichtes Lächeln formte sich auf meinen trockenen Lippen, als ich mich neben ihn an das Geländer der Brücke lehnte und den eiskalten Wasser zusah. "Ich dich auch."

Langsam wendete ich meinen Blick wieder Jin zu, der niedergeschlagen umher sah. "Was ist los?"

"Nichts ist los.", antwortete er, "Ich hab nur die Schnauze voll vom Leben. So viel wird von einem erwartet." Leicht nickend blickte ich auf die Zigarette zwischen seinen Fingern, wie sie vor sich hin qualmte. Ihr Geruch löste den Drang in mir aus, an ihr zu ziehen.

"Hier." Von meiner linken wurden mir eine weitere Zigarette und ein Feuerzeug hingehalten. Dankbar nahm ich beides an. Schon öfters war ich an so etwas gekommen.

Endlich wurden die Gedanken nach den ersten Zug leiser. Erleichtert ließ ich meinen Kopf auf Jin's Schulter fallen. Wieder stieg der Geruch von Lavendel und Rauch in meine Nase, was mich dazu brachte, mich näher an ihn zu lehnen.

"Wieso bist du noch hier? Machen sich seine Eltern keine Sorgen?", fragte er. "Die sind eh nicht da. Ich bin ihnen wieder irgendwie egal, wie vorher. Eigentlich waren sie der einzige Grund, warum ich nicht nochmal alles hingeschmissen habe." Er brauchte einen Moment, um alles zu verarbeiten. "Warte... Also... Also hast du...?"Benebelt nickte ich. Wieder zog ich an dem heißen Ding in meiner Hand.

Erst passierte nichts. Dann wurde ich auf einmal in eine enge Umarmung gerissen.

"Ach Gott, du bist so ein verdammt toller Mensch! Wieso trifft es immer die guten Leute?!" Er schien eher mit sich selbst, als mit mir zu sprechen. Verzweifelt hielt er sich an mir fest. Ich wusste nicht so ganz, wie ich damit umgehen sollte, also streichelte ich ihm über den Rücken. Er schien abwesend, bis ich ihn wieder ansprach. "Was ist denn los?"

"Mein Bruder-", schluchzte er in meine Haare, "... Er war vier Jahre jünger als ich. Er war so fürsorglich und treu, seine Freunde haben ihn vergöttert. An einen Morgen... Wurde er in seiner Wohnung tot gefunden." Einige Tränen waren auf meiner Schulter zu spüren. Instinktiv drückte ich mich enger an ihn.

"Hey, alles gut... Wie war er denn so?" Er schluchzte immer noch laut, aber irgendwie schien es leer. Als ob er weinte, weil ihm danach war, und nicht weil er traurig war. Es war so noch schlimmer.

Langsam löste er sich von mir, und setzte sich auf den Boden. Seine Beine ließ er durch das Geländer baumeln. Dieser Anblick erinnerte mich an mich selbst. Ich ließ mich neben ihn fallen und atmete ein wenig mehr Rauch ein.

"Er war so ein guter Bruder. Er hatte immer eine weiße Strähnen in seinen Haaren, die auch unser Vater hatte. Seine Name war Seokjoong. Er trug immer viel zu große Hemden und eine Kette mit einem silbernen Kreuz als Anhänger. Seine Freunde haben ihn immer Billie genannt... Ich sollte dich nicht damit belasten, tut mir Leid." Er murmelte vor sich hin.

"Ich höre dir liebend gerne zu." "Aber ich bin älter, du solltest dich lieber bei mir ausheulen." "Och Jinnie... Mir ist Alter scheiß egal."

"Weißt du..", fing er an, "Du hast dich in einem Monat irgendwie echt verändert." Zufrieden nickte ich. Er hatte Recht, ich trug Klamotten die meine Figur betonten und schminkte mich mehr.

"Wann könnte ich denn mal bei Cherry aufkreuzen? Ich will meine Haare neu haben.", wollte ich wissen. Erst wurde ich kritisch gemustert. "Komm einfach morgen Nachmittag zu mir."

Nebeneinander saßen wir über dem Wasser und rauchten. Es fühlte sich berauschend an, als er nach meiner Hand griff und diese wortlos festhielt.

Es wurde nicht viel geredet. Ich genoss die Stille um uns herum. Alles war so schön friedlich, wie es tagsüber nie sein könnte.

𝗟𝗲𝘁'𝘀 𝗻𝗼𝘁 𝗳𝗮𝗹𝗹 𝗶𝗻 𝗹𝗼𝘃𝗲 | 𝐁𝐓𝐒Where stories live. Discover now