25. Sowas wie Freunde ✔

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Happiness is an inside Job

Song: One more Time around – by Tyler Ward, Karis, Ray Lorraine

Meine Großmutter war schon immer eine weiße Frau, zumindest behauptet sie das von sich selbst. Ich selbst kann nur sagen, dass sie eine ist, seit ich denken kann.

Grandma Joy, eigentlich Jocelyn und eigentlich auch nur Grandma, aber manchmal wird es schwierig zwischen ihr und Grandma Angie zu unterscheiden, wenn ich nur Grandma sage...

Lange Rede kurzer Sinn, Grandma Joy hat mir so viel mehr beigebracht als „Sag niemals nie". Sie hat mich gelehrt: „Das Gesicht eines Menschen erkennst du bei Licht, aber seinen Charakter erkennst du bei Dunkelheit."

Es ist wirklich erheiternd, dass ich ausgerechnet jetzt an diesen Spruch denken muss.

Ich hätte vielleicht mit „Küssen ist die Sprache der Liebe und wenn du jemanden liebst, dann willst du mit ihm nur noch Liebe sprechen." Oder „Liebe ist wie Wasser, manche spielen damit, andere kämpfen darun."

Irgendwas, aber nicht das mit dem Charakter und der Dunkelheit.

Das hat gerade so viel mit diesem Augenblick zu tun wie eine Stabheuschrecke mit einem Tesafilm. Nichts.

Trotzdem sind das die einzigen Buchstaben, die in meinem Geist schweben, während der Mond und die Sterne helle Streifen auf Sebastians Gesichtszüge werfen. Er ist ein wunderschöner Mensch... aber an ihm fasziniert mich viel mehr seine Hingabe für Kunst.

Sie hört für ihn nicht bei einem Pablo Picasso oder seiner eigenen Leinwand auf, sondern geht weiter, bis hin zum Schminken eines Gesichts und wenn ich Azura richtig verstanden habe, dann bedeutet Kunst für Seb so viel mehr als nur das.

Und für mich ist es dasselbe.

Kunst beschränkt sich nicht nur auf einen Warhol oder Van Gogh, sondern streckt ihre Arme auf Körperkunst, auf Schreiben und auf die Art eines Menschen. Mag sein, dass ich mich auf die Kunst der Leinwände fokussiere, aber das heißt nicht, dass mir die anderen Äste nicht bekannt sind.

Einen Moment lang rechne ich fest damit, dass jetzt jemand durch die Türe oben platzen muss, oder jemand von der Terrasse herunter stolpert, uns vielleicht vor die Füße speit, aber nichts.

Ich schätze, dieser Moment gehört uns, nur uns.

Ich schätze... das Leben selbst ist eine Kunst.

Und wie jeder Moment, wie jeder Strich, endet er. Die Uhr tickt weiter, aber die Zeit ist vorbei. Ich lasse meine Hände in seinen, sie sind noch warm, von drinnen, aber ich senke den Blick.

Nichts hätte ich lieber getan, als ihn jetzt zu küssen, aber ich bin mit Clive „zusammen", mit seinem besten Freund.

„Wo hast du eigentlich deinen Doc Brown gelassen?", flüstere ich nach einer Weile des Schweigens. Keines, der unangenehmen Sorte, sondern jenes, dass sich anfühlt wie eine Massage.

Sebastian lacht, er drückt meine Hand unbewusst, weil ich ihm nun in die Augen sehe. „In der Zukunft, hoffe ich. Und was ist mit deinem Danny?" Mir war bewusst, dass diese Frage kommen würde - außer wir hätten uns eben geküsst, dann womöglich nicht...

Ein Seufzer scheint unvermeidlich, ich bin froh, dass sich seine weichen Hände um meine schließen, sonst würden sie zittern wie Espenlaub. „Danny erfüllt seine Rolle zu perfekt, schätze ich."

Bevor die Wut auf Clive wieder entfachen kann, rufe ich mir hastig ein Bild von Josh und Linda ins Bewusstsein. Ich rede mir ein, dass nur dadurch ihre Beziehung entstanden ist. Womöglich zurecht, denn wie hätten die beiden sich sonst kennengelernt?

Clive | Original | √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt