39. Tiefe Gründe ✔

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It was love at first sight, at last sight, at ever and ever sight. - Vladimir Nabokov

Song: Better half of me - Tom Walker

"Rose!"

Seine bloße Stimme lässt das Blut in meinen Adern schneller strömen. Mein Herz veranstaltet einen Wettbewerb mit sich selbst, wie oft es pro Minute und Sekunde schlagen kann, ehe es explodiert.

Mühsam beherrsche ich mich, nicht wie eine Wahnsinnig herumzuwirbeln, sondern mich gesittet und ruhig umzudrehen und eine freundliche Miene – statt dämlich grinsend – aufzusetzen.

„Oh, hey." Schon fehlen mir die Worte. Ich weiß nicht wirklich, was ich in seiner Gegenwart sagen soll, ich will nicht, dass er mich für... dumm hält.

Sobald er neben mir ist, setze auch ich meinen Weg fort und wir laufen dicht nebeneinander den Gang hinunter. „Wann soll ich dann zu dir kommen?"

„Mhm. Halb drei?"

„Und ich habe keine Chance dich zu überzeugen, dass wir uns vor die Schule setzen?"

„Warum bist du so darauf versessen zu erfrieren?"

Er lacht leicht und knufft mich sachte in die Seite. Himmel, bin ich froh, dass wir vor der Mittagspause im selben Flügel Unterricht haben – genügend Zeit, um gemeinsam zur Mensa zu schlendern. „Bin ich nicht, ich habe dir nur versprochen eine Heizung mitzunehmen."

Diesmal muss ich kichern. Sebastian ist einfach zu süß... „Du kannst gerne etwas zu Essen mitbringen, dass ersetzt die Heizung bei mir prima."

„Stimmt, du kannst nicht kochen."

„Also...", protestiere ich und resigniere auch schon im nächsten Atemzug. „... ich kann dafür... Literatur."

„Das auch noch?"

Übertrieben nicke ich und kann die aufsteigende Röte nicht länger zurückhalten. Es ist mir nicht direkt peinlich, aber Sebastian macht mich unfassbar nervös und ich habe Angst, dass ich diese Coolness nicht mehr lange wahren kann und nur noch undeutlich herumstottere.

Ob sich das jemals ändert? Bestimmt!

„Du kannst dafür Malen. Besser als der gesamte Kurs."

In seiner Stimme schwingt zwar die Lockerheit und Wärme, aber dennoch färben sich meine Wangen tomatenrot. Komplimente hatten schon immer diese Reaktion hervorgerufen.

„Ich..."

„Rose, sag nichts dagegen. Ich weiß, dass du das nicht annehmen willst, aber es ist so."

Es ist einer jener Momente, wenn man absolut keinen Schimmer hat, was man erwidern soll und den anderen einfach nur stumm mit großen Augen anstarren will. Aber ich kann ihn nicht anstarren, wir laufen... wie gerne würde ich das tun. Ich könnte das vermutlich stundenlang.

Ich nehme sein Einatmen wahr, spüre, dass er etwas sagen will...

„Rose, Seb!"

Und damit verpuffen die Schmetterlinge und die Glut in meinem Inneren flackert wieder auf. Madison.

Ihr kindliches Lachen von letzter Woche schallt durch mein Bewusstsein, ich sehe sie, wie sie ihre perfekten, schwarz-braunen Haare nach hinten wirft und die Wellen so geschmeidig wie eine Feder zum erliegen kommen – perfekter Sitz.

Und ich verfluche mich dafür, dass ich diese Erinnerungen mit einem... verbitterten Filter abspielen lasse.

Clive hatte tatsächlich recht. Ich war irgendwie... verbittert. Aber warum? Weil ich eifersüchtig auf Maddie bin, wegen ihrer Perfektion?

Clive | Original | √Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt