68. Gedankenkarussell ✔

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Time doesn't matter love is forever.

Song: Yours - Russell Dickerson

Nach Hause kommen fühlt sich so an, als würde ich durch ein schwarzes Loch zurück in die Realität – die echte Welt – gezogen werden. Mir kommt die Zeit bei meiner Grandma und der Familie vor wie ein fernes Märchen, das einmal war und nun sein endloses Ende findet.

Ein endloses Ende...

Ja, genauso fühlt es sich an.

Zwei Tage liegen jetzt schon zwischen meinem Märchen und dem Hier.

Meine Hand zittert eigenartig, wenn ich an die letzte Nacht denke. Ich habe Clive all die Zeit so gemieden und wir haben stets diese innige Nähe nicht wahrgenommen. Aber ich muss zugeben... ich war gerne bei ihm.

Ich habe mich in Clives Armen so wohl gefühlt, wie schon lange nicht mehr. So schnell bin ich noch nie eingeschlafen, und es lag nicht an der späten Stunde oder meiner Müdigkeit.

Es lag an ihm, da bin ich mir sicher.

„Verdammt!", zische ich und taste – ohne den Blick vom Papier zu nehmen – nach dem Radiergummi. Er muss doch irgendwo sein.

Sinnlos...

Seufzend verrenke ich meine Wirbelsäule, verfluche meine Unsportlichkeit und schicke einen weiteren Fluch auf die Reise, da ich feststellen muss, dass das Objekt meiner Begierde auf meinem Schreibtisch liegt – neben meinem Handy.

Mein Handy, das ich seit einer Stunden bewusst ignoriere und das Handy, das jetzt fröhlich vor sich hin blinkt.

Ich habe nämlich gerade ein Problem. Vielleicht nicht wirklich, aber ich mache ein Problem daraus, so viel weiß ich.

Sebastian hat mir geschrieben.

Es ist nicht so, als hätte er mir die letzten Tage nicht geschrieben, aber ich habe unseren Kontakt auf ein Minimum beschränkt. Ich wollte auf keinen Fall, dass Clive etwas davon mitbekommt. Ich weiß nicht warum, aber etwas hat mir gesagt, es wäre keine gute Idee.

Und jetzt hat er mir geschrieben, ob wir uns treffen wollen... die Tage mal... vielleicht heute?

Ich verstehe nicht warum ich zögere.

Vor was habe ich Angst? Habe ich Angst?

Keine Ahnung. Ehrlich gesagt fühle ich mich ein bisschen hilflos im Augenblick. Ich fühle mich mir selbst hilflos ausgeliefert – mir und meinen teuflisch unklaren Gedanken.

Ich muss es endlich lesen. Durchs Nicht-lesen wird es schließlich nicht besser oder verschwindet auf magische Weise – obwohl... er könnte die Nachrichten löschen.

Vor ein paar Wochen hätte ich keine Sekunde darüber nachgedacht und gezögert, sondern mit einem ohrenbetäubenden „Ja" geantwortet.

Mein Versuch, mich abzulenken, war nicht unbedingt sinnvoll. Ich habe an meinem Schulprojekt gearbeitet – das für Kunst.

Das Projekt, dass unsere Footballmannschaft rund um Clive und Sebastian darstellt. Fraglich, ob das nun meine Gedanken in eine ordentliche Reihenfolge bringen kann.

Ich wünschte ich könnte sie einfach ausschalten, meine Grübelei an einen verlassenen Platz begraben und sie erst wieder herausholen, wenn ich mich bereit fühle... also nie.

Trotzdem, trotz meiner zermürbenden Gedanken, stemme ich mich auf und zwinge mich zum Schreibtisch.

Natürlich müsste ich nicht auf mein Handy sehen, aber ich tue es dennoch. Ich müsste auch nicht auf die Nachricht klicken, aber ich tue es.

Clive | Original | √Where stories live. Discover now