Man war ich müde. Es fiel mir schwer die Augen wieder zu öffnen. Ich schaffte es nicht, obwohl mein Hals so unglaublich trocken war und ich dringend einen Schluck Wasser benötigte. Die Überwachungsmonitore nervten mich auch mittlerweile ungemein mit dem ständigen herum Gepiepe.
"Sag mal Roman, Elena hat vorgestern nach ihrer ersten Operation so etwas vor sich hin gefaselt von wegen das ihr Ex-Freund Moritz sie angefahren hätte. Sie hat gesagt ich sollte dich fragen.", hörte ich plötzlich die Stimme meiner Schwester. Mir lief es kalt den Rücken herunter. "Glaubst du ihr etwa nicht?","Ich weiß es nicht. Ich möchte ihr glauben, aber ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass ein Mensch beziehungsweise er zu so etwas fähig ist. Ich dachte immer, sie hätte ein wenig übertrieben was das ganze angeht mit ihm.","Ich kann dir ganz sicher sagen, dass deine Schwester kein bisschen übertrieben hat. Eher hat sie manchmal noch untertrieben. Ich finde gerade als ihre Schwester solltest du sie unterstützen wo es dir möglich ist und ihr vor allem glauben. Ich habe nicht umsonst wochenlang ein blaues Auge mit mir herum getragen und sie blaue Striemen am Hals. Selbst die Polizei hat gestern gesagt, dass sie sogar von versuchtem Mord ausgehen beziehungsweise schwerer Körperverletzung im besonders schweren Fall und sie Nachts einen Wachmann am Krankenhaus postieren. Da zweifelst du noch an ihrer Vermutung?" hörte ich wie sich Roman in rage redete. Wie unangenehm, das ich alles so heimlich mitbekommen musste. Am liebsten würde ich meine Augen aufreißen und somit davon ablenken. Bloß schaffte ich es nicht, trotz mehrerer Versuche. Ich hatte mir die ganze Zeit schon gedacht, dass sie mich nicht sonderlich ernst nahm und das als meine Schwester. Romans Aussagen ließen mich jedoch auch nicht kalt. Es war schön, dass er so zu mir stand. "Ja ist ja schon gut Roman, ich wollte doch nur mal fragen wie du es so siehst.","Das weißt du dann ja jetzt." murmelte er daraufhin kurz angebunden. Ich fand es interessant worauf man alles achtete, wenn man nur zuhören konnte. Als Roman sauer wurde, zeigte sich jedenfalls sein schweizerischer Akzent viel, viel mehr als sonst. Mir gefiel das irgendwie, ich fand das unglaublich attraktiv. "Was läuft da eigentlich genau zwischen euch?" fragte meine Schwester daraufhin wieder viel zu neugierig. Hätte ich meine Augen jetzt öffnen können, hätte ich sie mit hundertprozentiger Sicherheit verdreht und ich war mir sicher, dass Roman gerade genau das tat. "Ich glaube nicht, dass es dich etwas angeht." winkte Roman ab. Ich nahm es ihm nicht übel. Schließlich war genau das einfach nur unwichtig momentan. "Ja schon klar, aber ist es eher Sex und du fühlst dich jetzt verantwortlich für sie, oder ist es mehr so das Andere, Ernstere als Sex?" fragte sie wieder dreist. Mir reichte es langsam. Was fiel der eigentlich ein? Es schien so, als hätten sich mittlerweile meine Befürchtungen bewahrheitet, die ich schon hatte als es überhaupt noch nicht fest stand, dass ich nach Dortmund ziehen würde. Meine Schwester und ich so lange auf einem Fleck zusammen, das funktionierte einfach nicht. Ich sendete Stoßgebete in den Himmel ab, dass ich endlich aufwachen würde. Ich hoffte irgendwie auch, das alles sei eine blöde Fata-Morgana und ich müsste es nicht ernst nehmen. Am liebsten hätte ich ihr eine gescheuert, doch in meinem Zustand hätte ich mir dabei bestimmt auch noch den Arm gebrochen. "Vera, ich weiß ja nicht was du gerade von mir willst, aber würdest du mich so gut kennen wie du denkst, wüsstest du, dass ich niemand bin der mit einer Frau ins Bett geht und sie dann weiterschickt. Das zwischen Elena und mir hat sich nicht plötzlich entwickelt, das hat schon vor Monaten in Rumänien angefangen und egal was es da für Umwege gab, haben wir wie es aussieht endlich zueinander gefunden. Sie ist momentan die wichtigste Person in meinem Leben, ich will einfach nur für sie da sein und ihr den Halt geben den sie jetzt braucht! Sie denkt sich da nichts mit ihrem Ex-Freund aus, alleine das du sowas schon denkst macht mich extrem wütend. Du als ihre Schwester solltest doch mindestens genauso wie ich, wenn nicht noch mehr hinter ihr stehen. Schließlich hast du doch alles mitbekommen im Gegensatz zu mir. Da ist alles andere doch einfach unwichtig." maßregelte Roman sie. Er hatte so recht. Innerlich raste mein Herz vor Freude. Am liebsten hätte ich ihn mit Küssen überhäuft und nie wieder losgelassen. Die Worte die er über mich sagte zeigten mir doch, dass ich ihm vollstens vertrauen konnte und er wie ich empfand, oder? Man, warum kam den bloß dieser dumme Unfall dazwischen?
Es wurde still im Raum. Ich spürte, wie ich immer mehr zu mir kam. Ich legte meinen Kopf zur Seite und blinzelte ein paar Mal, um mich an das grelle Licht zu gewöhnen. Ich spürte wie Romans starken, großen Hände direkt nach meiner linken Hand griffen. "Äh, ich hole mir mal kurz 'nen Kaffee." murmelte meine Schwester plötzlich als sie das bemerkte und stürmte förmlich aus dem Raum. Roman schaute ihr ein wenig erleichtert ihr hinterher und dann nervös grinsend zu mir. Nachdem die Tür laut ins Schloss fiel, wandte sich Roman mir zu und schaute mir tief in die Augen, so als ob sie ihm sagen könnten wie es mir ging: "Die Ärzte haben gesagt, dass die OP erfolgreich verlaufen ist. Die Blutungen sind wohl gestoppt. Jetzt geht es langsam Berg auf, versprochen." lächelte er und streichelte vorsichtig über meinen Haaransatz. Ich spielte mit seinen Fingern und überlegte, ob ich es ihm sagen sollte wie gerne ich ihn hatte. Aber es war für die drei Worte einfach noch viel zu früh. Ich war mir sicher er würde denken, dass ich es nur sage, weil ich quasi dem Tod von der Schippe gesprungen bin. Ich beobachtete, wie ich nervös an jedem einzelnen von Romans Fingern herumdrückte und danach unsere Finger miteinander verschränkte. "Worüber denkst du nach? Hast du Schmerzen? Soll ich die Klingel drücken?","Nein, alles gut, mir geht es überraschend gut." nahm ich ihm schnell den Wind aus den Segeln, es glich jedoch eher einem Krächzen. Er reichte mir darauf hin den kleinen Trinkbecher, der aussah als wäre er für kleine Kinder, nur eben nicht so kitschig bemalt. Ich zog ihn in einen Zug leer. Meine Lippen brannten danach höllisch. Er grinste mich glücklich an. "Was ist?" fragte ich misstrauisch und drückte mich derweil ein wenig hoch, um nicht die ganze Zeit kerzengerade in diesem unbequemen Bett liegen zu müssen. Danach wischte ich mir die Lippen trocken. "Du wirkst schon lebhafter als gestern, obwohl du vor wenigen Stunden noch operiert wurdest." erklärte er beinahe schon erleichtert. "Der Druck in meinem Bauch und Becken ist endlich weg und mein Gehirn scheint sich wieder erholt zu haben vom Aufprall, zumindest kann ich endlich wieder klar denken." lächelte ich zufrieden und ehrlich gesagt auch ein wenig erleichtert. Er musste ja nicht wissen, dass ich trotzdem noch vor Rückenschmerzen am liebsten geschrien hätte. Schon wieder kribbelten meine Lippen, wie vor dem Unfall als ich ihn beobachtete. Wie konnte man bloß so gut aussehen in einem so ausgeblichenen T-Shirt? Ich sehnte mich extrem nach einem Kuss von ihm. "Roman?" fragte ich also langgezogen, nachdem ich einen Entschluss fasste. "Ja?","Wenn du willst, dass es mir noch viel besser geht, bekomme ich dann einen Kuss? Danach wäre ich bestimmt fast schon wieder gesund." grinste ich ihn grenz debil an. Er schüttelte zufrieden und vor allem lächelnd seinen Kopf, als er mir näher kam und ich seinen warmen Atem endlich wieder auf meinen rauen Lippen spürte. Direkt fühlte ich mich quicklebendig. Sie waren bestimmt eine Art Wunderheilmittel. Es erschien mir so, als würde er immer langsamer auf mich zu kommen. Mein Bauch kribbelte vor Aufregung, bis seine Lippen endlich auf meinen lagen. Es waren viele, zärtliche küsse die er mir gab und sich erst am Ende zu einem langen, intensiven entwickelten. Es fühlte sich innerlich so an, als wäre der letzte Kuss dieser Art schon Ewigkeiten her gewesen, aber es war nicht so. In Wahrheit war er erst wenige Tage her, bloß es passierte plötzlich so viel, dass es sich wie eine Ewigkeit Abstinenz anfühlte, die nun endlich ein Ende gefunden hatte.

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Der Keeper
FanfictionDer Erfolg eines mit Diplom abgeschlossenem Journalismus-Studiums reichte ihr nicht aus. So suchte die 24-Jährige Hamburgerin Elena nach Antworten. Sie wollte wissen, warum ein erfolgreicher Start ins Berufsleben ihr nicht ausreichte. Genau deshalb...