69 - Are you gonna be my girl

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Als der Nachmittag heran dämmerte, zerrte Victor sich selbst aus dem Bett. Seine Kopfschmerzen hatten die Presslufthammer-Phase hinter sich gelassen und waren in den dumpf-aber-erträglich-Modus gewechselt. Sein Mund fühlte sich an, als wäre ein kleines Tier darin gestorben und er dachte darüber nach, sich einfach aus dem Fenster zu stürzen. Dann wäre es wenigstens vorbei.

Die Neonröhre im Bad flackerte und stieß ein näselndes Summen aus, als er das Licht anschaltete. Es schien ihm die Augen aus den Höhlen saugen zu wollen und im Spiegel grinste ihn ein Zombie an. Waren das wirklich nur Augenringe, oder hatte ihm im Schlaf jemand mit einem Edding das Gesicht beschmiert? Er zeigte sich selbst den Finger und drehte die Dusche auf. Nie wieder Alkohol war immer noch zu früh.

Das heiße Wasser bohrte sich wie kleine, spitze Nadeln in seine verschwitzte Haut und er brüllte ungeniert die gefliesten Wände an. Ihn würde ja sowieso niemand hören. Eigentlich hätte er noch schlafen können, wirklich tagelang, aber so langsam war sein Bett der letzte Ort, an dem er noch sein wollte. Vielleicht ein anderes Bett. Eine Couch. Eine Wolldecke auf dem Fußboden einer schmutzigen Drogenhöhle. Irgendwas, aber bloß nicht die verschwitzten Laken mit dem ranzigen Kneipengeruch. Er hatte darüber nachgedacht, einfach alles in Brand zu stecken, und schließlich nur das Fenster aufgerissen. Isabelle war da wirklich pingelig.

Nach einer gefühlten halben Stunde hatte sein Körper sich langsam an die Hitze gewöhnt und er begann sich grimmig abzuschrubben. Selbst seine Haut hatte einen Kater und protestierte penetrant. Er musste vorhin wirklich noch ziemlich betrunken gewesen sein, sonst hätte er sich nie im Leben so gut gefühlt. Oder überhaupt ein klares Worther vorgebracht.

Als er das mit Dampf gefüllte Bad verließ, war es kalt in seinem Zimmer und roch halbwegs erträglich. Seine Füße trugen ihn von allein zum Bett zurück, aber er hatte andere Pläne. Die Diskussion war kurz und Gott sei Dank gewann er, aber sie rächten sich, indem sie ihn überein paar Schuhe stolpern ließen.

Irritiert starrte er die Kampfstiefel an, die ihm beinahe die Beine gebrochen hätten. Es waren nicht seine. Zu klein. Zu sauber. Es waren Rubys. Grinsend zerrte er irgend etwas zum anziehen aus dem Schrank und wühlte sich zu seinen Aspirin durch. Eigentlich hatte er die vorschieben wollen, aber ein paar Schuhe war auch ein guter Grund, mal bei ihr anzuklopfen. Und das brauchte er jetzt einfach: sie sehen, auch wenn er vielleicht aussah wie ein Junkie auf Entzug.

Als er endlich seine eigenen Stiefel trug - der Kampf mit den Schnürsenkeln hatte ihn fast davon überzeugt, doch einfach bis morgen zu warten - war es schon fast drei. Er schnappte sich Rubys Schuhe und riss die Tür auf. Sein Hirn fühlte sich noch immer zu groß an für seinen Schädel, aber die Dusche und das Aspirin hatten das schlimmste Katergefühl vertrieben, nur leider nicht den grimmigen Kater vor seiner Tür.

"Wartest du schon lange?", fragte Victor irritiert, als er Alexej da stehen sah.

"Eine Weile", knurrte der russische Schattenjäger durch zusammengebissene Zähne. Die Fäuste, die er unter seine verschränkten Arme gestopft hatte, ließen seinen Bizeps überdimensional erscheinen und er kam gleich zur Sache. "Hast du mit meiner Freundin geschlafen?", blaffte er wie ein aggressiver Pitbull.

Victor riss die Augen auf. "Keine Ahnung. Hab ich?" Wie erwartet hatte sich so nichts von der letzten Nacht aus dem Drogennebel geschlichen, der sich während dem Trip mit der Elbenpflaume über sein Hirn gelegt hatte. "Keine Ahnung! Ich erinner mich wirklich nicht. Und ich steh eigentlich nicht auf Rothaarige..."

Alexej sprang vor und packte ihn am Kragen. "Verarsch mich nicht!", knurrte er und seine rollenden R's klangen wie Donnergrollen. "Du weißt genau, von wem ich spreche!"

Right by your SideWhere stories live. Discover now