Fünfunddreißig

39 2 0
                                    

"Sag mir noch einmal, was Jumas gesehen hat."

Ich seufze. „Rumin, ich habe es dir doch vorhin erst erzählt. Jumas weiß nicht, was er gesehen hat und Meister Quimby kann sich auch keinen Reim darauf machen. Das einzige, was klar zu sein scheint, ist, dass ich – mal wieder – irgendetwas damit zu tun haben werde und dass irgendein Artefakt nötig ist, um den Baum zu heilen."

„Das heißt er hat gesehen, wie du mit irgendeinem ... Ding den Baum heilst?"

Ich seufze. Also noch einmal von vorne. „Zuerst hat er wohl eine weite Ebene gesehen mit einem Fluss und ein paar Bergen im Hintergrund. Es war Nacht und am Himmel standen zwei Monde." Ich komme ihm zuvor, bevor er mich unterbrechen kann: „Ja, ich weiß, über Mathaira scheint nachts nur ein Mond."

„Weiter nichts?"

„Die Berge waren schneebedeckt."

„Eila, bitte, das ist wichtig!"

Ich bleibe stehen, um ihn besser ansehen zu können. „Das ist mir durchaus bewusst, ob du es glaubst oder nicht. Nur ist es eine weitere Sache auf der Liste der Dinge, die keinen Sinn ergeben und schon wieder werde ich irgendwie in die Sache hineingedichtet. Und ich möchte hier einmal ganz egoistisch sagen: Das stresst mich!"

Rumin ist ebenfalls stehen geblieben und wirft mir einen versöhnlichen Blick zu. „Ich weiß, tut mir leid. Erzählst du mir noch, was Jumas weiter gesehen hat? Ich verspreche, dass ich dann nicht mehr frage!" Wie zum Schwur hebt er die Hand.

„Nach dieser Ebene kamen dann wohl Bilder von mir, wie ich einen langen Stab in der Hand halte. Zuerst in einer Art Höhle und dann neben dem Traumbaum, gesund und von neuem strahlend."

„Das ist wenigstens eine Sache, mit der wir etwas anfangen können."

Damit hat er Recht, denn der Stab, den Jumas ziemlich ausführlich beschreiben konnte, obwohl die Bilder nach der nächtlichen Ebene nur noch verschwommen waren, schien Meister Quimby bekannt zu sein. Laut ihm passt die Beschreibung perfekt auf ein Artefakt, das schon vor mehreren Generationen verschwunden ist. Der Stab von Ilayda, der ersten Wasserbegabten. Ein Wasserartefakt. Wie passend.

Jumas Vision ist jetzt einen Tag her und die ganze Schule scheint vor Aufregung zu vibrieren. Es ist mir ein Rätsel, wie schnell sich Neuigkeiten hier ausbreiten können. Trotzdem geht das Leben normal weiter. Ebenso der Unterricht und Rumin und ich sind auf dem Weg zu der Wiese mit den Häusern der Elementarbegabten, um gemeinsam für Alte Sprache zu lernen. Das Gras ist noch ein wenig feucht von dem Regen, der seit gestern bis heute Morgen durchgehend gefallen ist, doch unter einem Baum finden wir ein trockenes Stück zum Sitzen.

Eine Weile fragen wir uns gegenseitig die verschiedenen Wörter ab und helfen uns dabei sie zu verinnerlichen.

Es ist früher Abend, als Rumin seine Sachen schließlich zur Seite legt. „Das macht keinen Sinn mehr. Mein Kopf fühlt sich an, wie mit Watte ausgestopft und ich kann mir nicht ein Wort mehr merken. Außerdem kann ich sowieso nicht aufhören zu überlegen, wo dieses Wasserartefakt sein könnte."

Mir geht es genauso. „Du hast Recht, lassen wir es gut sein für heute." Ich lehne mich zurück und betrachte die Blätter über mir, die sich sanft im Wind bewegen. „Nur eine kleine Pause noch vor dem Abendessen, ja? Dort wird es sowieso kein anderes Thema geben." Ich bin so müde, dass meine Augen brennen.

„In Ordnung", antwortet Rumin und lehnt sich neben mir an den Baumstamm.

Ich merke, wie ich langsam wegdrifte und genieße den Moment der Ruhe. Wie von weit her höre ich Rumins warme Stimme. „Nicht erschrecken, da krabbelt ein Käfer auf deinem Kopf." Ich erschrecke nicht und lasse die Lider geschlossen, während ich einen bunt schillernden Käfer vor Augen habe, der auf einem Baumstamm sitzt. Ich spüre, wie Rumin den Käfer einsammelt und dabei mit den Fingern leicht meine Stirn streift.

Schlammbuch - Aufbruch der Elemente [überarbeitet, abgeschlossen]Where stories live. Discover now