Schlammbuch - Aufbruch der Elemente [überarbeitet, abgeschlossen]

Neunundvierzig

-   Eila   -

Wir warten bis zum frühen Abend, an dem die Luft drückend zwischen den Felsen hängt und der Himmel aussieht, als könne er sich nicht entscheiden, ob es heute noch regnen soll oder nicht.

Unsere Bewacher sehen ihn zuerst, denn sie nehmen plötzlich Haltung an. Lael ist ein großer Mann und deutlich jünger als ich vermutet hatte, obwohl seine Stirn zahlreiche Linien aufweist, als würde er sie ständig in Falten legen. Er kommt allein und als er näher an uns heran tritt, bin ich erleichtert zu sehen, dass er einen freundlichen und ruhigen Gesichtsausdruck hat.

Wir erheben uns und warten schweigend ab, während er uns einen Moment lang mustert. Dann kräuseln sich seine Lippen zu einem kleinen Lächeln, welches schnell sein ganzes Gesicht einnimmt. „Das sind also Eachans ‚Gäste'. Ich hoffe, er war nicht zu grob mit euch und falls doch, dass ihr es ihm verzeihen könnt. Mein Name ist Lael und ich bin in diesem Dorf der Anführer." Sein Blick wendet sich uns einem nach dem anderen zu und begutachtet den Zustand unserer Kleidung und unsere behelfsmäßigen Verbände. Als er mich erreicht, sieht er mir einen langen Moment in die Augen. Seine Züge sind jetzt versteinert und es ist mir unmöglich darin zu lesen. Lael öffnet den Mund, ganz so als wöllte er etwas sagen, doch dann schüttelt er nur leicht den Kopf und lächelt, bevor er seinen Blick auf Meany richtet und einen Schritt näher auf sie zugeht. „Ihr habt Eachan erzählt, ihr hättet eine Begegnung mit Goldgräbern gehabt?"

Meany steht die Unsicherheit ins Gesicht geschrieben, doch Jumas tritt schnell hinter sie und legt ihr schützend eine Hand auf die Schulter. „So hat er sie genannt. Wir haben so etwas vorher noch nie gesehen."

„Kennt ihr die Legenden vom Topf Gold am Ende von Regenbögen? Ich weiß nicht, ob da etwas dran ist, aber daher haben diese Kreaturen ihre Namen. Wenn es regnet und die Sonne scheint, können Regenbogen am Himmel stehen und genau dieses Wetter ist es, das die Goldgräber aus der Erde lockt, aus ihrem Element. Ihr wart einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Wobei es mich dennoch interessieren würde, wie ihr ihnen entkommen seid."

Ich kann sehen, wie Rumin unruhig mit seinen Händen spielt, doch ich bin immer noch die Einzige, die daraus etwas deuten kann.

Keiner gibt eine Antwort, doch Lael scheint sich nicht daran zu stören. „Eachan traut euch nicht. Er traut eigentlich niemandem, den er nicht kennt und vermutet, dass jeder Fremde uns schaden will. Das hängt mit unseren Erfahrungen zusammen, wie er euch sicher schon hat wissen lassen. Aber ich glaube nicht, dass ihr etwas Derartiges im Sinn habt." Er muss unsere erstaunten Gesichter gesehen haben, denn er fängt an zu lachen. „Überrascht?"

Ja, allerdings. Doch seine freundliche Miene macht es mir leicht zu glauben, dass er uns tatsächlich vertraut. Aus welchem Grund auch immer.

„Ich glaube euch, aber ich habe trotzdem eine Bitte." Seine Augen finden erneut die meinen und bekommen einen nachdenklichen Ausdruck. „Du", sagt er und nickt mir zu. „Bist du sehr verletzt?"

Ich schüttele zur Antwort den Kopf.

„Würdest du mich dann ein Stück begleiten und mir mehr davon erzählen, was euch hierher verschlagen hat?"

Diese Bitte trifft mich unvorbereitet. „Ich?"

„Keine Sorge, deine Freunde werden in der Zwischenzeit von unseren Heilern versorgt. Nachdem wir uns unterhalten haben, bringe ich dich sofort zu ihnen zurück."

„Warum soll sie alleine mit Euch kommen? Ich bin nicht verletzt und kann euch ebenso gut erzählen", wirft Rumin hastig ein.

Lael sieht mich weiterhin unentwegt an und der Ausdruck in seinen Augen hat etwas seltsam Intensives und obwohl ich ihn immer noch nicht deuten kann, weiß ich, dass ich diesem Mann vertrauen kann. Er hat etwas an sich, das mich dazu verleitet, ebenso mehr über seine Beweggründe erfahren zu wollen. Mit einem Lächeln, das hoffentlich beruhigend wirkt, drehe ich mich zu Rumin. „Ist schon in Ordnung. Ehrlich." Dann wende ich mich wieder Lael zu. „Ich komme mit Euch."