Epilog

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-   Jori   -


Die Stadt Rhys liegt am Rande einer riesigen Graslandschaft. Als Iannes, Edik und ich uns auf den Weg gemacht haben, wurde mir bewusst, dass ich keine Ahnung habe, was dahinter liegt und von „den Fangzähnen" hatte ich erst recht noch nie gehört. Allerdings ermöglichte es der Blick über das flache Land vor uns, dass ich ziemlich schnell eine Ahnung davon erlangte, wohin unsere Reise ging. Nach kurzer Zeit schälten sich aus den dünnen Dunstschwaden am Horizont steil aufragende Berggipfel, die mit jeder weiteren Minute, die verging, höher in den Himmel zu wachsen schienen.

Die ganze Zeit über rasten mir tausend Gedanken gleichzeitig durch den Kopf, doch ich bekam keinen davon zu fassen. Mehrmals öffnete ich meinen Mund, um Iannes eine Frage zu stellen, nachdem ich das Gefühl hatte, dass mir etwas auf der Zunge brennt, doch genauso oft schloss ich ihn wieder, als keine Worte kamen. So verbrachten wir die meiste Zeit schweigend, während wir ab und an einen Wasserschlauch herumreichten und uns über die grüne Ebene hinwegbewegten.

Ich kann nicht sagen, wie viel Zeit vergangen ist, als Iannes plötzlich mit einem lauten Räuspern meine Aufmerksamkeit auf sich zieht. Als ich ihn fragend ansehe, zieht sich sein rechter Mundwinkel in einem angedeuteten Lächeln nach oben, bevor er mit dem Kinn nach vorne ruckt. Ich folge seinem Blick und kneife die Augen zusammen, während ich den Horizont absuche.

Dann erkenne ich es und atme hörbar ein. Jetzt, wo ich es einmal entdeckt habe, ist es unmöglich, es nicht zu sehen. Vor uns erhebt sich aus den Bergen eine unverkennbare Felsformation und ich verstehe sofort, warum man ihr ihren Namen gegeben hat. Zwei besonders hohe, spitze Felsen flankieren fünf kleinere, aber nicht weniger spitze Gipfel. Wie die Fangzähne eines gewaltigen Raubtieres, die in den Himmel ragen.

Als ich meinen Blick wieder Iannes zuwende, hat dieser ein breites, zufriedenes Grinsen aufgesetzt. „Bei Anbruch der Dunkelheit sollten wir da sein." Damit treibt er sein Pferd an und ich tue es ihm gleich, ganz und gar gepackt von dem Gefühl, dass etwas Bedeutendes vor mir liegt.

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Das Raffinierte an dem Versteck der Wächter in den Fangzähnen ist, dass es eigentlich mit sehr wenig Aufwand versteckt ist. Der Eingang ist einzig dadurch unscheinbar, dass er hinter einer verwinkelten und dicht bewachsenen Felsformation nicht zu erkennen ist. Schnell kommt mir der Gedanke, ob dies bedeutet, dass diese geheimnisvolle Organisation sich für so gut vorbereitet fühlt, dass sie sich nicht vor einer Entdeckung fürchten. Ich weiß nicht, ob der Anblick der schwer bewaffneten Wachen, die uns wenig später passieren lassen, diesen Eindruck widerlegt oder nur noch mehr verstärkt.

Eine lange Zeit reiten wir einen Pfad zwischen steil aufragenden Felswänden entlang, während der Iannes ein ständiges Grinsen zur Schau stellt. Ich werde den Eindruck nicht los, dass er ziemlich stolz ist, den Wächtern anzugehören, was meine Neugierde nur noch steigert.

Vor uns öffnet sich unvermittelt der Pfad zu einem... Nun. An dieser Stelle fehlt mir schlicht und ergreifend ein Wort, das alleinstehend und präzise beschreiben könnte, was ich sehe. Die Fläche vor uns gleicht einem Tal, das von hohem Fels umgeben weit in diesen hineinreicht, während es nach oben hin zum größten Teil offen ist. So spät am Abend ist die Sonne bereits hinter einem der Gipfel verschwunden, doch trotz des dämmrigen Lichts erhalte ich eine vage Ahnung von unzähligen Bauten, Feldern und Straßen. Selbst an den Felswänden kann ich Geländer und Treppen erkennen, die zu Öffnungen in den Stein hinein führen. Vor mir, verborgen inmitten der Fangzähne liegt eine komplette Stadt.

Iannes reißt mich mit einem Klaps auf meine Schulter aus meinen Gedanken. „Warte mit dem Staunen lieber, bis du das Lager am Tag siehst. Das wird dir gefallen, das garantiere ich dir. Lass uns jetzt die Pferde wegbringen und dir einen Platz für die Nacht suchen. Morgen stelle ich dich unserem Anführer vor."

Ich nicke langsam. Müde und von der Flut an Eindrücken möglicherweise leicht überfordert, bewegen sich meine Gedanken ein wenig langsamer als gewohnt. „Iannes? Was ist das für einer, euer Anführer? Was erwartet mich?"

Iannes lacht leise in sich hinein. „Er ist die verlässliche Stütze der Wächter und hält hier alles zusammen. Wenn du wissen willst, worauf du dich einstellen musst... Ferenc ist unglaublich willensstark und absolut ehrlich. Manch einen kann das irritieren, aber solange du dich entschlossen zeigst, wird er dich respektieren und mit offenen Armen aufnehmen. Du wirst schon sehen." Ein verschmitztes Lächeln erscheint auf seinem Gesicht. „Achja, er liebt den großen Auftritt."

Damit drückt er seinem Pferd die Fersen in die Seite und ich folge ihm kurz später weiter den Pfad hinab und hinein in ein neues Leben. Was auch immer mich erwartet, mit jedem Schritt brennt in mir die Hoffnung auf, dass es dazu führt, dass ich schon bald meine Schwestern wieder in die Arme schließen kann.


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So. Damit sind wir am Ende dieses Buches angekommen - knapp drei Jahre nach dem ersten Wort bis zur überarbeiteten Version jetzt. Ich würde mich unheimlich freuen, Meinungen, Kommentare, Gefühle, Gedanken etc. zu hören (:

In meinem Kopf gibt es noch genug Ideen, wie es weitergehen könnte. Ob und wann es so weit sein könnte, hängt von ein paar Dingen ab (wieviel Zeit ich finde, aber auch, wie die Resonanz hier ist), denn es geistern da auch noch ein paar ganz andere Stories in meinen Gedanken herum. Mal sehen, welche als nächstes die Oberhand gewinnt :)

Bis dahin,

Cheers! :P


Schlammbuch - Aufbruch der Elemente [überarbeitet, abgeschlossen]Where stories live. Discover now