Kapitel 5

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Ich spürte ein Dröhnen in meinem Kopf und eine Übelkeit im Magen. Ich wollte mich umdrehen und die Decke über den Kopf ziehen, doch jede Bewegung tat weh. Ich stöhnte und blinzelte langsam. Ich blickte benommen zu meiner Couch hinüber, auf der ich die ebenfalls aufwachende Allison vorfand.

„Na, wie geht's dir?", brachte sie hervor. Ich brummte bloß verschlafen und schaute auf die Uhr. Wir hatten bereits Nachmittag. Mein Oberkörper erhöhte sich langsam und ich setzte mich auf, Allison tat es mir gleich. Während ich die Füße aus dem Bett streckte, viel mir langsam wieder der gestrige Abend ein. Ich dachte an den Club, das Tanzen und Alex und Ethan und – scheiße! Mein Vater. Ich musste mir eine Predigt von meinem Vater anhören.

„Öhm, Alli?", sprach ich sie an und sie nickte verschlafen. „Ich glaube du solltest gehen..." Sie verstand, erhob sich ebenfalls und wir zogen uns langsam an. Als wir runter gingen, sah ich schon meinen Vater am Wohnzimmertisch sitzen und mit seinem Kugelschreiber auf den Tisch trommeln. So, wie ich es immer tat.

Allison sammelte ihre Tasche und Schuhe aus dem Wohnzimmer zusammen und umarmte mich noch kurz zum Abschied, bevor sie auch schon aus der Haustür wischte. Ich lief in die Küche und ließ meinen Vater noch warten, ich wollte erst Kaffee aus der Küche. Dann ließ ich mich auf eine der Stühle am Tisch nieder und blickte meinen Vater direkt in die Augen. Es dauerte einige Sekunden bis er sich räusperte und mit seinem Vortrag begann: „Also, ich habe die halbe Nacht nicht geschlafen und über dein lächerliches Verhalten nachgedacht. Ich habe keine Lust mehr, dich ständig verwarnen zu muss, um dann doch ignoriert zu werden. Du gehst nur noch feiern, kleidest dich unangemessen und bist andauernd betrunken. Ich möchte das nicht und es wird sich auch ab sofort ändern. Du wirst einen Job bei mir in der Firma annehmen und nicht deine Zeit mit dem unnötigen Studium vergeuden, du wirst es abbrechen-"

„Bitte was? Sicherlich werde ich das nicht tun!", brüllte ich ihn an und knallte meine Kaffeetasse auf den Tisch.

„Lass mich ausreden!", antwortete er nun ebenfalls sehr gereizt. „Du wirst das Stu-"

„Nein, wirklich, nein! Das kannst du knicken, das wird ich nich tun!"

„Lass mich verdammt noch mal ausreden!", brüllte er. „Du wirst dieses Studium abbrechen und wirst später die Firma übernehmen. Ich habe mir nicht umsonst jahrelang den Arsch aufgerissen, damit meine einzige Tochter, all meine Pläne über den Haufen wirft."

„Und was wenn ichs nich tu? Was wenn ich deine scheiß Firma nicht übernehme? Was willst du tun, mh?"

„Ganz einfach Zoe, ich werd dir den Geldhahn zudrehen. Dann kannst du deine Sachen packen und gehen. Und dann will ich sehen wie du dir dein Studium noch leisten kannst und wie du ohne mich über die Runden kommst."

Ich war geschockt. Mein eigener Vater wollte mich rausscheißen. Mein eigener Vater erpresste mich, damit ich einen scheiß Job annahm. Das konnte er vergessen.

Mittlerweile war ich aufgestanden und funkelte ihn böse an. Nach ein paar Sekunden drehte ich mich blitzschnell um und raste die Treppe hoch, in mein Zimmer.

Ich nahm mir die erst beste Tasche die ich finden konnte und fing an Kleidung und alles was ich sonst noch finden konnte, hineinzustopfen. Mein Dad war mir gefolgt, stand nun im Türrahmen und beobachtete mich.

„Das ist doch jetzt nicht dein Ernst oder?", fragte er mich mit einer Stimme, die probierte gleichgültig zu klingen.

„Es war doch dein Ernst oder? Du willst mich doch rausschmeißen!", brüllte ich ihn an. „Du kannst von mir viel verlangen, aber nicht, dass ich mein Studium hinschmeiße!"

„Ich habe nie gesagt, dass ich dich rauswerfen werde, ich sagte, dass du gehen wirst, wenn du nicht auf meine Kompromisse eingehst."

„Dad, das kommt genau auf gleiche raus!", schrie ich wutentbrannt.

„Du wirst es eh nicht schaffen, innerhalb von zwei Wochen stehst du wieder hier vor der Haustür"

Innerhalb von fünf Minuten hatte ich alles in eine Tasche geschmissen, dass mir im Weg lag und rannt förmlich aus dem Haus. Ohne Tschüss zu sagen. Ohne mich noch einmal umzudrehen.

Ich fuhr mit meinem Auto davon. Wohin? Das wusste ich selbst noch nicht. Ich wusste auch nicht, was die letzte halbe Stunde gewesen war, doch jetzt befand ich mich auf dem Parkplatz eines Supermarkts wieder. Als nächstes stand ich vor Allisons Wohnungstür und klingelte. Sie öffnete und blickte in ein verheultes Gesicht und zwei Arme, die Wein, Schokolade und eine große Tasche hoben.

„Hey, komm rein Süße, was ist denn los?", fragte sie mich besorgt und nahm mir die Sachen aus dem Arm. Ich betrat ihre winzige Einzimmerwohnung, nahm aus dem Küchenschrank zwei Weingläser, öffnete die Weinflasche und warf den Korken in die Ecke. Ich befüllte die beiden Gläser, setzt mich auf ihr Bett und trank eifrig aus einem der Gläser. Allison setzte sich vorsichtig zu mir und nahm das andere Glas. Dann heulte ich mich bei ihr aus. Bestimmt zwei Stunden lang. Die ersten eineinhalb Flaschen Wein waren schon getrunken und die zweite Tafel Schokolade aufgegessen. Ich stand, zu Allisons Überraschung auf und ging schnurstracks wieder zum Küchenschrank, um mir das Nutella zu holen.

„Ja, und jetzt hab ich keine Ahnung was ich machen soll. Ich mein, ich kann schlecht wieder zurück nach Hause. Meinst du ich kann erst mal hierbleiben?", fragte ich Allison immer noch halb heulend. Sie zog leicht die Augenbrauen hoch und blickte sich um. „Wo willst du denn schlafen?"

Das war eine gute Frage. Hier gab es nicht wirklich viel Platz, ich musste wohl oder übel auf dem Boden schlafen.

Es wurde eine lange Nacht, mit sehr viel Wein, Nutella und Gejammer, doch Allison war für mich da und trank so viel mit mir, wie ich wollte. Es war ein schönes Gefühl zu wissen, dass jemand für einen da war. Das dich wenigstens ein Mensch verstand und du dich bei ihm ausheulen durftest, doch all das änderte nichts an der Tatsache, dass ich um 00:23 Uhr morgens, bei Allison über der Badewanne hing und mir die Seele aus dem Leib kotzte. Wein und Schokolade waren eben nicht die beste Mischung. Warum hatte mir das niemand früher gesagt?

So hing ich da also, in meiner Jogginghose und verlaufenem Make-Up, einer Allison, die mir die Haare hob, über dieser Badewanne und brachte gerade noch so, meine Sätze aus mir heraus: „Und weißt du, bei dir kann ich ja auch nicht ewig bleiben Alli. Und Geld hab ich auch keins und-", da kam auch schon der nächste Schwung Schokolade und Wein aus mir raus und mir wurde behutsam der Rücken gestreichelt. Als ich erst mal fertig war mich zu übergeben, redete ich weiter: „Ich weiß auch nicht wie ich weiter meine Studiengebühren zahlen soll. Ich weiß, ich muss mir jetzt einen Job suchen, aber so viel kann ich doch gar nicht arbeiten, als das ich mir das Studium und eine eigene Wohnung leisten könnte." Und der nächste Schwall kam heraus. Irgendwann hörte Allison auf mir den Rücken zu streicheln, nahm mein Gesicht in ihre Hände und wischte mir mit einem nassen Tuch das Gesicht ab. Dann blickte sie mir tief in die Augen und sagte behutsam: „Weißt du was wir jetzt machen? Wir gehen jetzt schlafen und dann reden wir morgen über alles wenn du ausgeschlafen hast und wieder nüchtern bist. Und dann werden wir schon eine Lösung für dich finden."

Und nach diesen Worten erhob ich mich von ihrem alten Badezimmerboden und wir gingen schlafen, wenn auch in meinem Fall, nur auf einer dünnen Matte auf dem Boden. 

 

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zoe.Where stories live. Discover now