Innocent.

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Hollys Sicht:

"Beruhigen Sie sich!", rief eine weibliche Stimme aufgeregt. "NEIN! LASSEN SIE MICH LOS!" Ich hatte genau gesehen, was sie Peter angetan hatten. Alles hatte ich mitbekommen! Die Schreie, dieses Geräusch. Alles! Und allem Anschein nach war ich der Nächste. "LASSEN SIE MICH ZUR HÖLLE NOCHMAL LOS!" Wild strampelte ich mit meinen Beinen, fuchtelte mit den Armen in der Luft und versuchte mit aller Kraft mich loszureißen. Mir gelang es schließlich auch. Sofort rannte ich los. Ich wusste nicht einmal wohin, aber das war mir egal, ich wollte nur weg! Was war das nur für ein kranker Ort. Ich rannt weiter. Barfuß, über den kalten, unbehandelten Steinboden. Meine Lungen brannten und meine Glieder schmerzten. Nicht aufgeben! Obwohl ich unter unerträgliche Schmerzen litt, brachte ich meinen Körper dazu weiter zu machen. Meine Grenzen waren schon lange überschritten und würde es hier nicht um mein Leben gehen, hätte ich schon längst eine Pause eingelegt.

Die Wände wurden eckliger und abgeranzter. Farbe blätterte überall ab und legten tief grauen Beton frei. Vereinzelt zierten rote Spränkel, spärlich mit weißer Farbe übermalt, die Wände und ließen sich mir die Nackehaare aufstellen.

Blut. Es war eindeutig Blut. Aber die Frage war von wem und wer hatte demjenigen das angetan? Zunehmend mischte sich ein ätzender Geruch dazu, der mir meine ausgedursteten Schleimhäute reizte und mich husten ließ. Immer schwerer fiel es mir zu rennen, zu atmen, geschweige denn richtig zu sehen. Ich war ausgelaugt. Meine Energie komplett verbraucht...

Schritte! Sie hallten wider und umhüllten mich. Verzweiflung, Angst, Wut. Ich schrie und ging zu Boden. Jetzt hatten sie mich...und ich hatte so gekämpft...

Mein Herzschlag dröhnte in meinem Kopf und verschleierte Worte. Worte und Sätze, die an mich gerichtet schienen. Die Stimme war männlich, gar keine Frage, und auch kam sie mir ziemlich bekannt vor. "Holly!? Holly, hörst du mich!?" Ich wurde geschüttet. Sanft...aber verzweifelt. Langsam öffnete ich meine Augen. Alles war verschwommen. Farben, unzähliger Anzahl, verliefen ineinander und malten das wohl dramatischte Kunstwerk meines Leidens. "Oh Gott sei dank! Du lebst!"

Ich lebte...

"W-wo bin ich?", krächzte ich. Die Sicht wurde klarer und Konturen sichtbar. "Ich habe echt keine Ahnung, Holly...", er klang betrübt. Den Konturen folgten Details. Neben mir kniete ein Mann, Mitte/Ende zwanzig, schwarze Haare und dunkle Augen. Peter.

"Peter...Wie geht es dir?" Ich erinnerte mich an seine schrecklichen Schreie...Wieder stellten sich mir die Nackenhaare auf. "Wie es MIR geht?", er sah mich verwirrt an. "Die Frage ist, wie es dir geht! Sie haben dich wie einen nassen Sack und ohne Rücksicht in den Raum geschmissen! Ich dachte du wärst tot!" An das was Peter mir erzählte, erinnerte ich mich nicht. Nicht an eine kleine Sache. Langsam setzte ich mich auf und sah ihn an. Er hatte zwar etwas Dreck im Gesicht und auf den Sachen, aber dennoch sah er nicht krank oder verletzt aus. Kurz wollte ich meinen Arm bewegen, als ich jedoch vor Schmerz zuckte, stoppte ich. "Alles okay!?", erkundigte sich Peter schnell. Hatte es man mir so angesehen, dass ich Schmerzen hatte!? "Mein Arm...", gab ich Zähneknirschend von mir.

Ich sah ihn an und wartete. Ich wartete auf eine Reaktion, auf irgendetwas...aber nein. Er saß genau so vor mir wie auch schon davor und sah mich an. Dann senkte er den Blick. "Sieh dir den Arm an.", ohne auch nur hinzusehen, zeigte er auf meinen linken Arm. "Ich habe nicht vor, dich zu dabei beobachten." Er drehte mir den Rücken zu und seufzte. Was sollte das!? "W-was meinst du...?", ich klang ängstlich, obwohl ich es nicht war. Eher war ich verwirrt. "Sieh dir deinen Arm an", wiederholte er. Ich schluckte und tat, was er gesagt hatte. Erst nach erneutem Hinsehen, bemerkte ich den Verband,der meinen Unterarm zierte. "Was ist das...?", fragte ich wieder. Ich fühlte mich wie ein kleines Kind, dass alles hinterfragen musste. Vielleicht war ich sogar genau so hilflos..."Mach ihn ab...", forderte Peter wieder, je mehr Antworten er mir gab, umso monotoner wurden seine Worte. "Aber...", setzte ich an, kam aber nicht dazu meinen Gedanken weiter auszuführen. "Tu es einfach!" Ich zuckte. Peter hatte geschrien...aber keine Spur von Wut. Er hatte Angst...und war verzweifelt...und ich befürchtete, wenn ich diesen Verband abnehmen würde, ginge es mir genauso...Aber was blieb mir anderes übrig? Natürlich könnte ich mir in den Arm kneifen und realisieren, dass alles nur ein blöder Traum war. Natürlich könnte ich nach versteckten Kameras suchen und dabei lachen. So tun als wäre das alles dumm und lustig...Das wäre doch aber schwach, oder? Wäre es nicht feige? Würde ich mich dadurch nicht drücken? Ja, genau das würde es sein...so und nicht anders...

Also begann ich den Verband von meinem Arm zu lösen. Immer mehr meiner Mudkeln spannten sich an. Was befand sich unter dem Verband? Woher wusste Peter davon? Hatte er womöglich dasselbe, was auch immer es war? Und wiedo wollte er nicht hinsehen? War ich etwa verletzt!?

Die letztere aller Fragen, leitete mich dazu den Verband schneller abzuwickeln. Immer mehr nahm der Druck auf meinem Arm ab und verhältnismäßig frische Luft kühlte die angwärmte Haut. Auch die letzte Faser rutschte hinunter und legte einen blutigen Arm frei. Die Haut war gerissen, geradezu bestialisch zerfetzt. Doch sah es nicht sinnlos zugefügt aus. Bei genauerem Betrachten erkannte man einen Schriftzug. Ich schluckte. Das...das konnte nicht sein!!! Wieder und wieder las ich dieses eine Wort...

...Innocent...

und wünschte mir, es niemals gekannt zu haben...

Fate {TTT FF}حيث تعيش القصص. اكتشف الآن