Traitor.

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Zombeys Sicht:

Schwach hing ich auf einem Stuhl, inmitten eines Lichtkegels, der sich stark von der angrenzenden Dunkelheit abhob. Wäre ich nicht festgeschnallt gewesen, läge ich sicher schon auf dem Boden. Ich wollte das nicht. Ich wollte es ihnen nicht noch einfacherer machen, als sie es eh schon hatten. So leicht würden sie mich nicht brechen. Niemals.

Mit neuer Kraft wandt ich mich unter meinen Fesseln. Aus irgendeinem Grund wurde ich immer stärker und stärker. Ich schrie mir die Seele aus dem Leib und zerrte an den Striemen, die mich kläglicher Weise versuchten zu bändigen. Ein Knacken, gefolgt von einem sich ziehendem Reißen, zuckte durch den Raum und verkündete mir meinen Sieg. Ich riss mich komplett frei und fiel auf den Boden. Die Wucht des Aufpralls hätte einen normalen Menschen für einige Sekunden verwundbar gemacht, doch für mich gab es in solch einer Situation keine Rast. Ich musste schneller, stärker und vor allem klüger als sie sein. Viel klüger als bei unserem ersten Treffen.

Ich sah mich um. Weit und breit nur kalte Schwärze, die wie tote Hände nach mir griff und mich versuchte in die Knie zu zwingen. Ich hatte das Gefühl ich würde in ihr ertrinken, wie als würde ich sie einatmen. Als würden sich meine Lungen unaufhaltsam damit füllen und mich schließlich umbringen. Der einzige Zufluchtsort war das Licht. Der kleine Lichtkegel im Zentrum des Raumes würde mir aber nicht genug Hilfe leisten. Letzten Endes war es mir egal. Die Zeit lange nachzudenken hatte ich nicht. Ich musste handeln, jetzt.

Von Instinkten geleitet rannte ich in irgendeine Richtung. Erst dachte ich, dieser Raum wäre endlos...doch dann prallte ich mit meinem ganzen Gewicht gegen die Wand. Meine Kehle verließ nur ein dumpfes Aufstöhnen. Einen Schrei aus Schmerz hätte ich niemals zugelassen. Mit Sicherheit beobachteten sie mich in jener Sekunde. Dann würden sie denken ich wäre schwach. Diese Genugtuung konnte ich beim besten Willen nicht verantworten. Egal was hier gespielt wurde, ich würde nicht mitspielen. Niemals. 

Ich hatte mich wieder gefasst und tastete die Wand entlang. Ich hoffte eine Tür zu finden. Irgendwo in diesem Raum musste es doch mindestens eine Tür geben. Also ging ich weiter. Schritt für Schritt in die Freiheit. Ich fühlte mich eingesperrt. Eingesperrt und verlassen. Ich biss verbittert und vor Wut bebend die Zähne zusammen. Ein Knurren rollte über meine Lippen. Diese Dunkelheit schürte das Feuer des Hasses nur noch mehr und trieb mich voran. Verzweiflung spiegelte sich in dem Grollen, das immer und immer wieder ertönte, wider und wurde dann doch zu einem Schrei.

Wut.

Verzweiflung.

ANGST.

Wer würde nicht so fühlen wie ich? Wer würde solche Situationen begrüßen, am besten noch mit offenen Armen und einem Lächeln empfangen?

"LASST MICH HIER RAUS!", schrie ich. Meine Stimmbänder zerbarsteten förmlich unter meinen Schreien.

Meine Hand legte sich auf etwas kühleres und von besserer Beschaffenheit, als die rauen und kläglichen Wände. Was war das? War es ein Fenster? Aber wieso lies es dann kein Licht in diesen Raum? War das Fenster denn eigentlich als solches zu gebrauchen oder war es nur zum Hindurchsehen?

Wie wild hämmerte ich gegen das Glas und kam es dem Brüllen nicht mehr heraus.

"B-beruhig dich, Zombey...", erklang eine weinerliche Stimme. Sie war mir so vertraut..."WO BIST DU?!", schrie ich und drehte mich von dem Glas weg.

"B-bitte hör auf zu schreien...", sprach die Stimme wieder und schluchzte. "Okay...", erwiderte ich ruhig. "Verrate mir wo du bist...", fuhr ich fort und presste beide Hände gegen die Scheibe. "I-ich bin hier..." Langsam legten sich weitere Hände an die Scheibe. Ich atmete erleichtert aus. Plötzlich riss ich die Augen auf. Die Stimme war von Dario! Und tatsächlich...ein kleines Licht ging auf beiden Seiten der Scheibe auf und ermöglichte mir die andere Person zu erkennen. Es war Dario. Tränen stiegen in meine Augen. "Dario...geht es dir gut?", fragte ich besorgt. Er biss sich auf die Lippen, nickte aber. Er log. "Was haben sie dir angetan?!", schrie ich gegen die Scheibe. Mein Gegenüber zuckte. "M-Micha...b-bitte schrei nicht so...", flehte er wimmernd. "Dario, sag mir jetzt sofort was los ist!", ich presste meine Hände noch mehr gegen die Scheibe. Er schwieg. Wieder wollte ich ansetzen etwas zu sagen, als ich gepackt und weggezerrt wurde. "NEIN!!!", schrie ich und wehrte mich heftig. Ich sah wie Dario weinte und ebenfalls weggezerrt wurde. Das Letzte, was ich hörte, war wie er meinen Namen schrie...

Dunkel und Kalt, wie zuvor auch. Hatte sich überhaupt etwas geändert? Der Geruch von nasser Erde stieg mir in die Nase. Ja, es hatte sich definitiv etwas geändert. Ich öffnete meine Augen und erkannte, dass ich nicht mehr lange gefangen war. Ich lag im Freien, bei Nacht. War ich allein? Langsam und vorsichtig setzte ich mich auf. Die nächtliche Stille lag in der Luft und wurde lediglich von einem leisen Wimmern durchbrochen, was ich erst nicht wahrgenommen hatte. Also war ich nicht allein.

Ich drehte mich und sah mich um. Unter einer Tanne liegend, erkannte ich einen zusammengerollten Körper. Ich stand auf und taumelte etwas unbeholfen zu der Person hinüber. Der Kies knirschte unter meinen Schuhen. Je näher ich der Person kam, desto stiller wurde sie, bis sie dann schließlich ganz den Atem anhielt. Ich blieb stehen und erkannte, dass es Dario war. Seine Sachen waren zerfetzt und teilweise sogar blutig. Sofort kniete ich mich hin, drehte ihn zu mir und nahm ihn in den Arm. Er wehrte sich heftig, doch als er zu realisieren schien, dass ich es war, krallte er sich fest in meine Sachen und weinte. Ich hielt ihn fest im Arm. "Sie werden dir nichts mehr tun, Dario...ich werde dich beschützen...", flüsterte ich. Doch daraufhin weinte er nur noch mehr. "Du kannst mich nicht beschützen, Micha...", in seiner Stimme lag völlige Überzeugung. Er spielte nicht darauf an, dass ich unfähig wäre ihn gemäß der Situation zubeschützen. Nein. Es steckte etwas anderes dahinter. Wusste er mehr als ich? Wir schwiegen.

Durch Sonnenstrahlen geweckt, blinzelte ich. Dario lag noch immer in meinen Armen und kuschelte sich an mich. Langsam jedoch fingen meine Arme an zu schmerzen, der eine mehr als der andere. Ich löste ihn aus der Umarmung und stand auf. Ich hatte Durst, ich war hungrig, aber vor allem hatte ich Schmerzen. Ich rieb meinen linken Arm und zuckte als mich weiterer Schmerz wie ein Blitz durchfuhr. War ich etwa verletzt?! Was hatten sie mir angetan!? Ich sah mir den Ärmel an und realisierte wie blutig er war. Sofort riss ich ihn nach oben und erstarrte. Mein Arm war brutal zerschnitten worden. Wären es einzelne und unbedeutende Schnitte gewesen, wäre es noch um einiges leichter zu verkraften gewesen, als diese Aneinanderreihung von Unheil verheißenden Buchstaben. Ich hätte nie damit gerechnet einmal außerhalb meiner Welt aus Spielen und Gelächter mit diesem Wort konfrontiert zu werden. Und ich wusste genau, was mit diesem Wort mitschwang...denn überall wo Traitor waren...gab es Tote...

Fate {TTT FF}Where stories live. Discover now