|Kapitel 4| - Niemals

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Liv's Sicht:

Ich kann es kaum erwarten.
Wir haben gerade unsere Vorbereitungen abgeschlossen. Jeder weiß genau was er zu tun hat, wenn wir morgen den Zug abfangen und unsere Freunde befreien.
Ich werde Jeremy wieder sehen. Und Aris. Und Sonya und all die anderen.
Und Minho. Morgen Abend werde ich ihn endlich wieder in meinen Armen halten können.
Doch was, wenn etwas schief geht? Was, wenn ANGST den Plan geändert hat und der Zug gar nicht da lang fährt?
Oder er gar nicht fährt?
Was, wenn die Organisation alle so lange gequält hat, dass sie gar nicht mehr leben wollen?
Was, wenn sie bereits tot sind?

Ich wende mich von meinen Freunden ab, die gerade dabei sind alles für ein letztes großes Lagerfeuer herzurichten. Doch diesmal gehe ich nicht zu meinem üblichen Platz am Ufer, sondern beschließe einfach eine Runde um's Gebäude zu laufen.
Ich will jetzt mit niemandem reden, ich möchte einfach allein im Dunkeln sein, damit niemand meine Tränen und meine Zweifel sieht.

"Wieso bist du nicht bei den anderen?"
Ich zucke zusammen, als ich Vince' Stimme nicht unweit von mir entfernt höre.

"Ich muss nachdenken."

"Liv ich weiß was dir durch den Kopf geht."

"Ach ja und was?"
Meine Stimme klingt gereizter als beabsichtigt.

"Hey ganz ruhig. Ich weiß du verurteilst viele Entscheidungen, die ich getroffen habe. Wir müssen keine Freunde werden. Aber ich will, dass du weißt, dass du mit deinen Sorgen nicht allein bist...
Mary war mein Lebensinhalt. Sie hat stets das Gute in allen gesehen und hatte dennoch einen sehr  eigensinnigen Kopf. Du erinnerst mich an sie. Manchmal schmerzt es mich dich zu sehen, deine Art wie du mit anderen umgehst gleicht der ihren fast haargenau. Ich möchte nicht, dass du dasselbe durchmachen musst wie ich. Es gibt Hoffnung, Liv. Auch wenn du sie nicht immer sehen kannst.
Wie wir wissen können, ob ANGST wirklich alles so macht wie sie geplant hatten? Gar nicht.
Aber wir müssen es versuchen, eine andere Möglichkeit gibt es nicht. Auch ich habe viele Freunde dort, wo dein Minho jetzt ist. Viele meiner Schützlinge wurden mitgenommen. Ich wollte ihnen ein Leben ermöglichen und jetzt das. Aber es ist noch nicht zu spät. Wir werden sie da irgendwie rausholen, okay? Das verspreche ich dir."

Ich bin sprachlos. Wirklich, dass Vince so ehrlich zu mir ist, hätte ich nicht erwartet.

Inzwischen ist er näher gekommen, ich kann nun seine Silhouette sehen, doch noch immer bringe ich keinen Ton heraus.

"Ich gehe dann mal, muss nochmal schauen, ob alles für morgen bereit ist", meint er schließlich, dreht sich um und geht.

Ich kann doch nicht zulassen, dass er einfach so verschwindet jetzt nachdem er sich mir geöffnet hat. Ich muss doch irgendwas erwidern.

"Vince?"

Ich sehe, wie er sich mir wieder zu wendet.
Und da weiß ich plötzlich ganz genau, was ich sagen muss.
"Mary wäre so stolz auf dich. Dass du das alles durchziehst ist nicht selbstverständlich. Das bedeutet mir und den anderen unendlich viel. Und ihr auch. Sie ist niemals weg, sie wird immer bei dir sein. Wie ein Engel, der über dich wacht."

Ganz schwach kann ich erkennen, wie er eine Hand hebt und sich über die Augen wischt. Er ist nicht so hart und ernst, wie er es immer vorgibt zu sein. In ihm schlummert Gutes, auch wenn es oft etwas verborgen scheint.

Wir beide gehen weiter, er in die eine, ich in die andere Richtung.

Ich bin gerade mal etwa zehn Minuten unterwegs, als ich neben mir die Äste eines Baumes rascheln höre.

"Ist da jemand?"
Langsam sehe ich mich um.

Dann muss ich blinzeln, weil mir der Strahl einer Taschenlampe direkt in mein Gesicht gehalten wird.
Kurz darauf höre ich ein Lachen. Ein tiefes, raues und dennoch angenehmes Lachen.

Weil ich dich finde || Maze Runner -Minho FF ||Where stories live. Discover now