Kapitel 10

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In Windeseile hatte ich meine Sachen gepackt und mich bei der Schwesternstation abgemeldet und im Laufschritt auf dem Weg zum Hauptgebäude der BAU unterwegs. Als ein Auto mit quitschenden Reifen neben mir hielt, erschrak ich und wollte nach meiner Dienstwaffe greifen, als die Tür des Beifahrers aufgestoßen wurde und mir Reids verwuschelte Haare entgegen kamen. Seine braunen Augen blickten mir warm entgegen und er lächelte kurz. "Spring rein!", rief er und ich tat es ohne zu zögern. Während er sich mit dem Wagen in den Verkehr einfädelte, fragten er und ich gleichzeitig: "Was ist passiert?" "Wie hast du mich gefunden?" Ich zog eine Grimasse und deutete ihm, anzufangen. Als wir an einer roten Ampel zum stehen kamen, kratzte er sich verlegen am Kopf. "Na ja, wir haben uns Sorgen gemacht. Garcia hat dein Handy geortet, dann hast du mich angerufen, als ich schon auf dem Weg ins Krankenhaus war." Plötzlich veränderte sich sein Gesichtausdruck von besorgt zu wütend. "Warum hast du nicht früher Bescheid gesagt das du im Krankenhaus bist? Warum hast du nicht angerufen?" Sein Blick streifte mich, ich meinte Enttäuschung in ihnen zu erkennen. "Es ist nichts wichtiges. Aber ich weiß wer die Morde begangen hat, Spencer!" Angesprochener sah mich an und seufzte. "Nichts wichtiges? Du weißt doch das du mir alles sagen kannst", schnell sah er mich an und korrigierte sich, "...dem Team, das du dem Team alles sagen kannst." Ich nickte und wurde ungeduldig. Hatte er mir nicht zugehört? "Jaja, jetzt hör mir doch zu! Ich kenne den Mörder!" Hektisch begann ich zu erklären, während Reids Blick zwischen meinem wildem Gestikulieren und der Fahrbahn wechselte. "Um es kurz zu machen: Er war mein ehemaliger Therapeut. Also, nicht wirklich. Nachdem meine Eltern gestorben sind, sind mein Bruder und ich in ein Waisenhaus gekommen. Weil wir anfingen uns selbst zu verletzen, schickte uns die Erzieherin zu einer Therapie für 'schwer erziehbare Kinder und Jugendliche', zu einem Schwarzarbeiter! Wir..." Weiter kam ich nicht, denn bei den Worten 'selbst verletzten' hatte Reid sich abrupt zu mir gedreht und mich erschrocken angesehen. Just in diesem Augenblick überquerten wir eine Kreuzung, als von rechts ein dunkelgrünet Van angerast kam. Panisch riss ich meine Augen auf, schrie Spencers Namen. Das Letzte was ich sah, war der gealterte, aber noch so vertaute Anblick jenes Mannes, der mich vom Fahrersitz des Vans mit blitzenden Augen zu durchbohren schien, danach hörte ich ein wiederliches, lautes Kreischen und Knacken. Glas splitterte und ich wurde mit voller Wucht nach links geschleudert, bevor unser Wagen sich zu drehen begann und wir kopfüber auf dem Asphalt zu stehen kamen.

Mein Kopf dröhnte, ich konnte nichts bis auf ein langezogenen, schrillen Pfeifton der mein Gehör maltretierte wahrnehmen.  Mein Sichtfelt schwankte bedrohlich und flackerte an den Rändern. Orientierungslos tastete ich meine Umgebung ab. Mit zittrigen Fingern tastete ich nach dem Gurt und dem Verschluss, welcher sich kaum lösen ließ. Als ich es geschafft hatte, fiel ich in die Überreste der Windschutzscheibe und wimmerte als sie die Splitter in meine Hände und Arme bohrten. Ich versuchte auf Reids Seite zu kriechen, was sich als unmögliches Unterfangen herausstellte. Mühsam kroch ich durch das Fenster der Beifahrertür, zog mich aus dem Autowrack hinaus auf dem Asphalt der Straße und richtete mich wankend auf. Schnell wollte ich zu Spencer eilen, der noch immer auf seinem Platz festzustecken schien, fiel jedoch und konnte mich nicht mehr rechtzeitig abfangen. Ungebremst prallte mein Kopf auf die Straße und ich blieb blind und stöhnend vor Schmerz liegen. Der Pfeifton hatte einem Knirschen von Glas Platz gemacht, der Geruch von Benzin war allgegenwärtig und dann hörte ich, wie sich jemand näherte. "Hilfe", flüsterte ich. "Helfen Sie uns bitte." Meine Stimme erstarb und ich versuchte die Augen zu öffnen. Eine dunkle Gestalt stand schemenhaft auf der gegenüberliegenden Seite des Wracks. 'Er hilft Spencer', dachte ich. Erleichtert schloß ich die Augen. Wenigstens war er in Sicherheit und hoffentlich ging es ihm gut. Wieder hörte ich die Schritte, diesesmal fiel es mir deutlich schwerer die Augen offen zu halten. Der Schatten hatte sich abgewandt, lief nun langsam in meine Richtung. Ich konnte nicht erkennen, das die Person Spencer aus dem Wagen gezogen hatte. Er hatte ihm nicht geholfen. Keuchend drehte ich mich zur Seite, wollte demjenigen klarmachen, das jemand in dem Wagen festhing. "Spencer...", murmelte und ich hob die Hand in Richtung des Wagens. Plötzlich war der Schatten bei mir. Grob packte er mein Hamdgelenk, riss es in die Höhe und zerrte mich mit hoch. Laut jaulte ich auf, doch er zog mich erbarmungslos auf die Füße und schleppte mich über die Straße. Immer wieder wimmerte ich Spencers Namen. Lebte er überhaupt? Ging es ihm gut? Ich wurde zur Seite gestoßen und landete auf der Rückbank des grünen Vans. Er hatte den Aufprall wesentlich besser verkraftet, als unser Dienstwagen. Meine Hände und Füße wurden mit Handschellen gefesselt, kurz darauf spürte ich, dass der Motor gestartet wurde und sich das Fahrzeug in Bewegung setzte. "Spence...", schluchzte ich, als eine Explosion hinter uns das Wrack des SUVs in Stücke riss. "Schnauze da hinten!",  wurde mir entgegen gebrüllt und ich spürte einen heftigen Schlag ins Gesicht. Ich bedeckte meinen Mund mit den Händen, schluchzte lautlos, während heiße Tränen über meine Wangen flossen. Ich wusste Spencer war verloren. Ich wusste ich war verloren. Lester hatte sein letztes Opfer gefunden.

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