Kapitel 2

140 8 0
                                    

Usagi

„Hey, hast Du Dir eigentlich schon überlegt, was Du für das Handarbeitsprojekt fertigen möchtest?" Naru sieht mich mit einem neugierigen Blick an, während sie nervös auf ihrem Stuhl herum rutscht.

Ich sehe sie nur an und bevor ich ihr irgendetwas antworten kann, fährt sie fort

„Ich hatte an einen Schal gedacht. Entweder gehäkelt oder gestrickt." Naru errötet und starrt verträumt auf ihre Finger. „Ich habe mir gedacht, ich überrasche Umino damit. Meinst Du, es ist okay oder wäre das jetzt doch etwas zu...ähhh...früh für uns?"

Ich ertappe mich, wie ich Naru immernoch anstarre, unfähig irgendwas zu sagen.

Seit gestern habe ich das Gefühl dass sich meine Welt verkehrt herum dreht. Das ist passiert, nachdem sie für einen kurzen Augenblick still gestanden hat. Genau in dem Moment als ich die Schlafzimmertür geöffnet habe.

Mamoru. Da war gestern etwas absolut Magisches zwischen uns. Etwas ganz Vertrautes, dennoch so fern. Nicht greifbar. Ich weiß jetzt eigentlich gar nichts mehr. Als hätte jemand auf den „Reset" Knopf bei mir gedrückt. Hätte mich Naru vorgestern gefragt, was ich als Projekt für den Handarbeitskurs in unserer Schule vorhabe, hätte ich ihr wahrscheinlich geantwortet, dass ich Topflappen oder sowas Profanes für meine Mutter häkle...aber jetzt?

„Ähhh...ich glaub ich mach auch einen Schal." bringe ich schließlich heraus.

„Oh, für Deine Mama, ja?" Naru schaut mich mit ihren grünen Augen aufrichtig an.

Bis vorgestern hätte ich einen Schal wahrscheinlich für meine Mutter gemacht...aber jetzt ist alles anders.

Mamoru. Immer wieder kommt mir dieser Junge in den Sinn. Nein, eigentlich ist er dauerhaft präsent. Er beherrscht alle meine Gedanken, jeden einzelnen. Ich kann an nichts anderes mehr denken als an ihn.

Wie in Trance bin ich heute morgen aufgestanden. Schreckliche Träume haben mich in der Nacht heimgesucht. Es hatte Stunden gedauert, bis ich überhaupt einschlafen konnte. Immer wieder habe ich mich in meinem Bett hin und her gewälzt, weil mich die Geschehnisse vom gestrigen Tag emotional so durcheinander gebracht haben.

Dann in der Nacht war da dieser Albtraum. In einem weißen langen Kleid stand ich auf einem Eisberg, mir gegenüber war eine riesige, schreckliche Gestalt, die drohte, die Welt zu zerstören. Mit all meiner Kraft versuchte ich, gegen sie zu kämpfen, indem ich eine Art Zauberstab in meiner Hand hielt. Eine wahnsinnige Energie ging von diesem magischen Gegenstand aus.

Im nächsten Moment hatte die Szenerie gewechselt und ich sah auf einmal Mamoru. Er lag in meinen Armen. Gekleidet in einer Art Rüstung, vielleicht war es auch eine Militäruniform. Das Erschreckende war, dass Mamoru vollkommen regungslos war. Als wäre er tot. Weitere Bilderfetzen tauchten vor meinen Augen auf. Gesichter von Mädchen, die ich meinte zu kennen und doch noch nie in meinem Leben gesehen hatte. Oder etwa doch? Zwei von ihnen sahen aus als gingen sie in meine Schule.

Der Wecker riss mich aus diesen seltsamen Träumen und zum allerersten Mal seit langer Zeit, bin ich ohne zu zögern aufgestanden und habe mich für die Schule fertig gemacht.

Naru hat sich die Augen gerieben und mich vollkommen verwundert angeschaut, als sie mich noch im Türrahmen stehend auf meinem Stuhl im Klassenraum heute Morgen sitzen gesehen hat.

„Du sag mal, was war denn gestern eigentlich mit Dir los?" hat sie mich dann später in der Mittagspause gefragt. Ich hätte mich beinahe an meinem Brot verschluckt. Hitze stieg sofort in mir auf und meine Wangen fingen unweigerlich zu glühen an. Jetzt bloß die Kontenance bewahren und ja nicht beim Lügen sich ertappen lassen.

Du bist aber für mich der netteste Junge!Where stories live. Discover now