𝐁𝐔𝐆

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Bethany's POV

»David!« Ich mag es nicht, wenn mein Bruder durch die Küchentür nach draußen verschwindet. Um genau zu sein, hasse ich es. Dann liegt Mamas strenger Blick allein auf mir. Ich habe keine Lust allein weiterzulesen. Wenn ich mich strecke, dann kann ich sehen, wie David in einem übermenschlichenTempo über unsere Farm rennt. Ich möchte ihm hinterher. Ich will wissen, wohin er geht und was er dort treibt. Mein Herz klopft wie verrückt bei dem Gedanken einfach von dem unbequemen Stuhl aufzuspringen und meinem Bruder nachzurennen.

»Ich bin gleich wieder da«, höre ich Mama auf einmal sagen. Sie fasst sich an die Stirn, so wie sie es immer tut, wenn David wütend wird und wegläuft.

Jetzt oder nie. Meinen Herzschlag kann ich im ganzen Körper fühlen, als vom Stuhl rutsche. Die Bibel lege ich dennoch vorsichtig auf den Tisch, während ich lausche, wie Mama die Treppe hinaufgeht. Sobald ich das Knatschen der obersten Stufe höre, greife ich nach der Klinke, stoße die klapprige Holztür auf, ehe ich es mir doch noch anders überlege. Ich sollte mich schuldig fühlen – Mama wird sicher traurig sein, wenn sie sieht, dass auch ich weg bin. Doch die Aufregung darüber, dass ich gleich bei meinem Bruder sein würde und endlich sein geheimes Versteck sehen kann, überwiegt.

»David!«, rufe ich so laut wie ich kann. Mein Bruder ist nur noch ein kleiner Punkt auf dem rötlichen Steinboden. Jedoch kann ich – wenn ich die Augen zusammenkneife – erkennen, dass er stehen bleibt. Ein letztes Mal drehe ich mich zu unserem kleinen Haus um. Dann greife ich nach dem knöchellagen Rock, den Mama so schön an mir findet, zerre ihn nach oben und halte ihn mit einer Hand fest. Meine Beine sind nicht so lang wie Davids, weshalb mir der Weg, den er innerhalb von wenigen Minuten zurückgelegt hat, wie mehrere Meilen vorkommen. Ich schnappe immer wieder nach Luft. Es ist staubtrocken und die Sonne knallt gnadenlos auf meine helle Haut.

»Was willst du denn hier?« Ich beuge mich keuchend nach vorne, möchte David am liebsten die Zunge herausstrecken, weil er wie so oft einfach nur gemein klingt.

»Du hast gesagt, dass du mir dein Versteck zeigst!« Mein Bruder blickt zurück zu unserem Haus, welches aus der Ferne aussieht, wie ein kleines Spielzeug. Früher habe ich mit so etwas gespielt, jetzt bin ich schon zu groß dafür!

»Ich weiß nicht, ob du dafür nicht zu klein bist!« David grinst teuflisch. Er weiß, dass es mich ärgert, wenn er solche Dinge sagt. Ich bin alt genug, um mit ihm mitzuhalten.

»Du hast es versprochen!«, rufe ich. Beleidigt verschränke ich meine Arme vor der Brust und sehe in Davids blaue Augen, die aufgeregt glitzern. Ich bin ganz verwundert, denn normalerweise ist er immer gelangweilt oder zornig.

»Wenn du mich bei Mama verpetzt, setze ich Sammy auf der Straße aus!« Davids Drohung lässt mich ein paar Schritte rückwärts machen. Sein Tonfall war weder wütend gewesen, noch hat er es als Scherz gemeint. Nein. Es war die Lebendigkeit, die seine eigenen Worte, in seinen Augen ausgelöst haben. Ich würde niemals zulassen, dass meinem geliebten Sammy etwas passiert.

»Ich erzähle ihr nichts«, murmle ich und prompt greift David nach meiner Hand – zerrt mich immer weiter in die Einöde.

»Sind wir denn bald da?«, maule ich. Meine Füße tuen schrecklich weh. Ich habe genauso wie David lediglich Hausschuhe an.

»Wenn es direkt um die Ecke wäre, wäre es sicherlich kein Geheimversteck, Beth!«

Die riesigen Felsen, die ich von meinem Zimmer aus sehen kann, kommen immer näher. Ab und zu werfe ich einen kurzen Blick zurück. Irgendwann hat die Sonne unser Haus vollkommen verschluckt. Ich sehe nur noch grelles Licht, wenn ich mich umdrehe und nach zu Hause Ausschau halte.

𝐀𝐋𝐋 𝐃𝐀𝐘 𝐀𝐍𝐃 𝐎𝐍𝐄 𝐍𝐈𝐆𝐇𝐓Where stories live. Discover now