Kapitel 1

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Harper PoV.

Nach 9 sehr anstrengenden Monaten, in denen wir gemeinsam durch viele Höhen und Tiefen gegangen waren und 9 Monaten sehnsüchtigen Wartens, war es heute endlich so weit. Meine Schwester bekam ihr Kind. Für mich war es noch eine zusätzliche Überraschung, da Madison mir partout nicht verraten wollte, ob es ein Junge oder ein Mädchen wurde. Dabei war sie sehr konsequent. Ich durfte den beiden nicht mal helfen das Kinderzimmer einzurichten und immer, wenn ich reinschauen wollte, war das Zimmer abgeschlossen. Was mir schon etwas übertrieben vorkam. Aber ich dachte nie wirklich darüber nach, sondern akzeptierte diese Tatsache einfach.

Vor ein paar Minuten hatte sie mich gerade angerufen, um mir mitzuteilen, dass sie mit Noah auf dem Weg ins Krankenhaus war und, dass wir uns gleich dort sehen würden. Ich machte mich natürlich sofort auf den Weg. Von meiner Arbeit in dem kleinen Café, nicht weit von unserer Wohnung, auf ins Krankenhaus. Da ich weder einen Führerschein, geschweige denn ein eigenes Auto besaß, um selbst zu fahren, war ich blöderweise auf den Bus angewiesen. Wieso hattest du dann deinen Führerschein noch nicht gemacht? Notiz an mich selbst: Sobald es nur irgendwie finanziell möglich war, meinen Führerschein machen! Wir alle drei rechneten praktisch jeden Tag, jeden Moment damit, dass das Baby auf die Welt kam. Und jetzt war es endlich so weit.

Ich hatte mir eben schon fast gedacht, dass es jetzt losging. Sonst hätte meine Schwester niemals bei mir auf Arbeit angerufen und nach mir verlangt. Denn die Nutzung von Handys am Arbeitsplatz war, während der Arbeitszeit strengstens verboten. Als dann vor fünf Minuten mein Chef mit dem Telefon ankam und meinte es wäre wichtig, war ich von jetzt auf gleich extrem aufgeregt. Nachdem ich kurz mit meiner Schwester gesprochen hatte, erklärte ich meinem Chef die ganze Situation und er ließ mich glücklicherweise gehen. Zehn Minuten später saß ich in dem völlig überfüllten Bus, in dem eine Vielfalt an Gerüchen herrschte, welche ich gar nicht alle eindeutig zuordnen konnte. Schweiß. Die unterschiedlichsten Parfüms und eine leichte Urin Note. Ekelhaft., schüttelte ich mich angeekelt, als mir die unterschiedlichsten Düfte meinen Geruchssinn regelrecht überforderten.

Innerlich betete ich nur, dass alles gut ging, auch wenn ich zu spät kommen sollte. Kannst du nicht schneller fahren., wurde ich langsam ungeduldig. Einmal im Leben hatte man es eilig und der Bus bummelte. Das konnte ja wohl nicht wahr sein. Ich musste ruhig bleiben. Es brachte nichts sich sinnlos aufzuregen. Das war auch nicht gut für mein Herz. Nur eine unnötige Belastung. Die Busfahrt dauerte schon gut fünfzehn Minuten, als der Bus plötzlich anhielt. Das konnte doch wohl nicht wahr sein! Jetzt standen wir auch noch im Stau. Na toll! Ich wollte doch nur zu meiner Schwester, die gerade wahrscheinlich unter Schmerzen ein Kind auf die Welt brachte. Dieser scheiß Verkehr, wo kommen denn auf einmal die ganzen Autos her? Der lästige Stadtverkehr war wirklich einer der großen Nachteile, wenn man in einer Großstadt wie Los Angeles lebte.

Weitere fünf Minuten später vergingen, in dem der Bus immer noch an derselben Stelle stand. Einzig ein paar Sirenen waren in einiger Entfernung zu hören. Wenn jetzt noch ein Unfall war, rastete ich gleich aus! Denn wenn das der Fall sein sollte, konnte es noch mehrere Stunden dauern, bis wir endlich weiterkämen. Das konnte doch nicht wahr sein. Fuck!!! Ungeduldig fing ich an mit meinem rechten Fuß zu wippen. Könntet ihr euch mal bitte beeilen! Nach ganzen dreißig Minuten ging es endlich weiter. Das Einzige was mich wunderte war, dass meine Schwester sich nicht nochmal gemeldet hatte, da ihr das eigentlich überhaupt nicht ähnlichsah. Mein Herz stockte als ich den Unfallwagen sah. Der war komplett zu Schrott gefahren.

Wenn aus dem Auto einer überlebt hatte, grenzte das Ganze schon an ein großes Wunder. Als der Bus an dem Auto bzw. an den Teilen, die davon noch übrig waren, vorbeigefuhr, blieb mein Herz wirklich stehen. Ich kannte dieses Auto. Ein dunkelblauer Ford und als ich meinen Blick auf das Kennzeichen wandern ließ, fiel mir ein woher. Das war das Auto von Noah. Als ich das realisierte, flossen bei mir schon in Strömen die Tränen. Meine Schwester saß mit in dem Auto. Sie wollten doch zum Krankenhaus. Jetzt fiel es mir wie Schuppen von den Augen, darum hatte sich meine Schwester nicht mehr bei mir gemeldet, sie konnte nicht. „Stopp! Machen sie die Tür auf! Jetzt sofort!", schrie ich durch den ganzen Bus. Der Busfahrer schüttelte lediglich seinen und antwortete kurz angebunden, „Das geht leider nicht".

„Warum geht das nicht, ich muss zu diesem Auto, da saß meine Schwester drin.", schrie ich beinahe hysterisch. Als der Busfahrer diesmal meine Worte hörte, öffnete er schließlich doch die Türen. Sobald diese sich öffneten, sprintete ich so schnell ich konnte aus dem Bus. Geradewegs auf das Auto zu. Das Erste was ich sah, war ein Leichenwagen, welcher gerade wegfuhr. Zu diesem Zeitpunkt brach meine gesamte Welt endgültig zusammen. „Nein!, Nein!, Nein!", schrie ich. Dann sah ich einen Krankenwagen. In diesen wurde gerade eine Person auf einer Liege hineingeschoben, welche mehr tot als lebendig aussah. „Halt! Warten Sie!" In diesem Moment hoffte ich nur, auch wenn das vielleicht sehr egoistisch klang, dass die Person im Krankenwagen meine Schwester war.

Beim Näherkommen sah ich lange blondbraune Haare. Gott sei Dank. Doch kurz bevor ich den Krankenwagen erreicht hatte, stellte sich mir auf einmal eine Notärztin in den Weg. „Sie können dort nicht rein." „Ich muss aber, es ist meine Schwester!", erwiderte ich aufgebracht. „Nein das geht nicht." „Bitte lassen sie mich zu ihr. Ich habe doch nur noch sie.", sagte ich verzweifelt und völlig neben der Spur. „Können sie sich denn Ausweisen?" „Ja ich habe meinen Ausweis dabei.", antwortete ich und kramte in meiner Tasche nach meinem Portemonnaie. Als ich ihr dann meinen Ausweis reichte, fragte sie mich, „Können sie mir über ihre Schwester etwas sagen?" „Aber natürlich. Ihr Name ist Madison Wilson. Sie ist 23 Jahre alt und hochschwanger. Maddie hat mich vorhin angerufen, dass sie auf dem Weg ins Krankenhaus sind. Die Wehen haben bei ihr eingesetzt."

„Okay das ist gut zu wissen" „Wie geht es ihr denn?" „Sie ist nicht bei Bewusstsein und schwebt in Lebensgefahr, deshalb müssen wir so schnell wie möglich ins Krankenhaus." „Und was ist mit dem Mann, der noch mit im Auto saß?" „Da kann ich ihnen nur mein Beileid wünschen, er war sofort tot." „O mein Gott!", geschockt schlug ich mir die Hand vor den Mund und fing wieder an bitterlich zu weinen. „Darf ich bitte mitfahren?" „Na gut. Aber nur ausnahmsweise." „Danke.", nickte ich ihr zu. Im Krankenwagen sah ich mir meine Schwester genauer an. Ihr Gesicht wurde von einer Atemmaske bedeckt und sie trug eine Halskrause. Zusätzlich zierten Verletzungen ihren ganzen Körper. Sie sah furchtbar aus.

Vorsichtig streckte ich meine Hand nach ihr aus und strich sanft mit meinen Fingern über ihre Wange. „Ich bin bei dir Maddie, hörst du. Bitte du musst durchhalten. Wir sind gleich im Krankenhaus. Bitte du darfst mich nicht verlassen. Ich habe doch nur noch dich.", flüsterte ich ihr unter Tränen zu. Sie antwortete nicht, aber ich hoffte, dass sie mich wenigstens hörte.

The Fate of LifeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt