06|𝘼𝘼𝙍𝙊𝙉

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„𝐃𝐢𝐞𝐬𝐞 𝐆𝐞𝐬𝐞𝐥𝐥𝐬𝐜𝐡𝐚𝐟𝐭 𝐢𝐬𝐭 𝐧𝐢𝐜𝐡𝐭 𝐠𝐞𝐬𝐜𝐡𝐚𝐟𝐟𝐞𝐧 𝐟𝐮̈𝐫 𝐓𝐫𝐚̈𝐮𝐦𝐞𝐫."

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Der Nachtwind weht mir entgegen und lässt mich unter meiner Lederjacke frösteln.

Es ist ganz dunkel, hier und da sieht man am Himmel einen Stern aufblitzen, doch der Mond ist nur eine schmale Sichel, und die Straßenlaternen stehen in diesem Teil der Stadt nur vereinzelt.

Vermutlich, weil nur die wenigsten hier bei Nacht unterwegs sind.

Diese Tatsache ist mein Glück, und die Dunkelheit sozusagen meine beste und einzige Freundin.

Sie schützt mich vor besorgten Bürgern, die aus irgendeinem Grund mitten in der Nacht auf die Straße starren, und sich fragen, wer da gerade an die gegenüberliegende Hauswand sprayt.
Beschädigung öffentlichen Eigentums nennen sie es.

Es passt zu jemandem wie mir, wie die Faust aufs Auge, sagen sie.

Woher sollen sie auch wissen, dass ich nicht schlafen kann?
Dass es in meinem Kopf dröhnt, wie wenn eine U-Bahn einfährt, auf mich einplärrt wie ein unendlich tickendes Metronom, und mich beinahe in den Wahnsinn treibt, bis ich es an einer ordentlich gestrichenen Hauswand, Symbol der Ordnung, auslasse?

All die ungesagten Wörter, verborgen hinter einem Grinsen oder einem grausamen Kommentar, schmieren sich wie von selbst auf den Stein, zerstören das friedliche Bild, in der Hoffnung, dass die Vorbeigehenden den gleichen bitteren Geschmack auf der Zunge bekommen, wie ich ihn schon seit Ewigkeiten nicht mehr loswerde.

Sie mögen es ignorieren, solange es weit weg ist, und selbst, wenn ich ihnen den Anblick aufzwinge, wenden sie den Blick ab und zahlen Geld dafür, dass jemand meine Gedanken mit Pastellfarbe übertüncht.

Doch für die Sekunde, den ersten Schock, der sich auf ihren Gesichtern widerspiegelt, ist es mir das wert.

Ich habe meine Leinwand auserwählt, eine hellrosa Hauswand, die den Ausblick aus dem Fenster ein Cafés darstellt.

Von diesem Moment an bin ich wie im Wahn. Ich sprühe, sprühe Worte, blutige Tränen und Schmerz, und Sterne.

Ich weiß nicht, wie lange es dauert, und es ist mir auch scheißegal, denn am Ende lautet der donnernde Schriftzug auf der Wand FUCK WHAT THEY THINK.

Abgewandte Gesichter gelten jetzt nicht mehr.

Ich muss daran denken, wie ich Louis Spind beschmiert habe.
Es war eine spontane Tat, nur ein einziges, hässlich hingeschmiertes Wort, doch es erfüllte seinen Zweck.

Der zurückgezogene Louis mit dem hoffnungsfrohen, freundlichen Lächeln, mit dem er selbst mich bedachte, wusste anschließend was man über ihn dachte.

Dass seine Naivität, mit der er glaubte, er würde in Ruhe gelassen, wenn er sich raushielt und nett war, belächelt wurde.
Das über seine Mütze gelacht wurde.

Und das alles mit nur einem einzigen, blutrot gesprühtem Loser, das er später mit traurigem Blick betrachtet hatte.

Es war gut so.
Diese Gesellschaft war nicht geschaffen für Träumer.

Besser, das erfuhr er früher, als wenn es zu spät war.

𝐋𝐨𝐬𝐞𝐫𝐜𝐥𝐢𝐪𝐮𝐞Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt