54|Leute, die man liebt, belügen

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Avery

Unbehaglich fühlend sitze ich auf dem Sofa, Mason ganz dicht -schon beinahe wie eine menschliche Schutzmauer- neben mir und Lydia rechts auf dem Sessel, von wo sie uns beide böse niederstarrt.
Wir sitzen jetzt seit fünf Minuten hier und keiner hat ein Wort gesagt. Ich will im Erdboden versinken. Das habe ich davon, dass ich es ständig vor mir hergeschoben habe, mit ihr zu reden. Jetzt hat sie uns auf frischer Tat ertappt und ich kann noch so oft sagen, dass ich es ihr erzählen wollte, es wird nichts an den Tatsachen ändern -ich habe es ihr nicht erzählt. Ich schäme mich in Grund und Boden.
Ein zögerlicher Blick zu Mason, der Lydia abwartend ansieht und ich glaube für eine Sekunde, dass nur ich mich unwohl fühle, aber dann zuckt sein Kiefer kurz und ich sehe, dass er seine Hand auf seinem Oberschenkel zu einer Faust gekrümmt hat.
„Seit wann läuft das?", fragt Lydia monoton und die eiserne Stille ist endlich vorbei. Ich schaue sie an, doch sie hat ihre Augen auf Mason gerichtet.
„Ende September.", antwortet er sachlich und ihre Augen weiten sich erschrocken. Sie umfasst die Sessellehnen fest und es sieht aus, als würde sie uns beide anspringen wollen.
„Warum habt ihr mir nichts gesagt?", ruft sie entsetzt aus und ich öffne den Mund, doch Mason kommt mir wieder zuvor. Er rückt etwas nach vorne, mehr zu ihr und bemüht sich um einen neutralen Gesichtsausdruck, doch seine Stimme ist dafür umso gereizter.
„Weil es dich nichts angeht, Lyli."
„Das geht mich alles an!"
„Du übertreibst." Wütend zeigt sie auf ihn.
„Du bist mein Bruder!", sagt sie entsetzt und ihr ausgestreckter Finger wandert zu mir und jeder Muskel in mir spannt sich an,„Und du meine beste Freundin! Und jetzt da ihr verknallt seid, werdet ihr euch gegenseitig die ganze Aufmerksamkeit schenken und ich werde irrelevant für euch beide!" Mason schnaubt, doch ich spüre eine kleine Erleichterung, weil sie mich als ihre beste Freundin betitelt hat.
„Die Aufmerksamkeit, die ich Avery gebe, ist eine völlig andere, als dir gegenüber.", meint er und sie lacht spöttisch auf.
„Oh, das habe ich leider gesehen."

Einen Moment lang sagt wieder niemand etwas und Lydia sieht zwischen uns beiden hin und her. Schließlich zeigt sie ausschwingend auf uns.
„Und was ist das jetzt?" Dieses Mal antwortet Mason nicht, sondern sieht mich an und ich schaue ihm kurz in die Augen, bevor ich meine Schultern zurückdrücke und Lydia fest in die Augen sehe.
„Wir sind zusammen." Es überrascht mich wie entschlossen meine Stimme klingt, wenn man bedenkt, dass ich keinen Ton mehr aus mir hervorgebracht habe, seit Mason und ich aus dem Bett gestolpert und uns in Sekundenschnelle angezogen haben. Lydia runzelt die Stirn.
„Du, die Frau, die keine Beziehungen hat, nicht einmal auf Dates geht und ihre Sexpartner gar nicht kennenlernen will, ist jetzt mit meinem Bruder zusammen?", hakt sie nach und ich ziehe eine Braue hoch.
„Willst du mir das vorhalten?", kontere ich und sie presst die Lippen aufeinander,„Denn offensichtlich bin ich nicht mehr diese Frau, wenn ich jetzt eine ernsthafte Beziehung eingegangen und zufrieden damit bin." Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Masons Mundwinkel zucken und Lydia schüttelt kurz den Kopf, als sie sich im Sessel zurücklehnt.
„Das ist doch ein schlechter Scherz. Ihr habt euch gerade noch so ausgehalten! Was ist passiert?"
„Wie gesagt; das geht dich nichts an.", wiederholt Mason seine Worte, dass sie zornig das Gesicht verzieht und er fügt noch hinzu,„Es ist nun mal so, Lyli. Ave und ich sind zusammen, ob es dir passt oder nicht."
„Ave.", murmelt sie leise und kneift die Augen enger zusammen. Mason zuckt mit den Schultern.
„Wir müssen uns vor dir nicht rechtfertigen.", sagt er fest überzeugt und verärgert sie damit wohl über alle Maße.
„Raus.", knurrt sie, doch er rührt sich nicht vom Fleck. Er sieht mich an und ich nicke kurz, versichere ihm damit, dass ich auch alleine klarkomme, denn es ist immer noch Lydia mit der wir es zutun haben und ich kenne sie.
Er lehnt sich vor und küsst mich sanft auf die Wange. „Ruf mich später an, ja?", flüstert er, bevor er sich wieder zurücklehnt und ein zweites Mal nicke ich. Lydia schaut uns schweigend zu, als Mason aufsteht und zu ihr geht, höchstwahrscheinlich um auch sie zu küssen, doch als er sich etwas vorlehnt, weicht sie an die Seite und er hält inne. Seufzend verlässt er das Wohnzimmer und geht erst in mein Zimmer, um seine restlichen Sachen zu nehmen. Still sitzen Lydia und ich da und lauschen, wie Mason seine Sachen anzieht und die Wohnung verlässt.

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