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Katleen war sich nicht sicher gewesen, ob Elijah auf ihre Antwort überhaupt eingehen würde. Doch sie hatte auch nicht erwartet, erwürgt zu werden.

Ohne sie loszulassen ging der junge Mann um den Tisch herum und drückte Kat gegen eine Wand. Elijah beugte sich ein wenig zu Katleen herunter und starrte ihr hasserfüllt in die Augen. Erst jetzt bemerkte Kat, um wie viel er eigentlich größer war als sie selbst. Ihre eigenen Hände schlossen sich um Elijahs Handegelenk und sie versuchte, sich zu befreien. Doch er ließ sie nicht los. Kat atmete schnell und flach, ein paar Minuten später würde sie wahrscheinlich ohnmächtig werden.

Sie hob ihren Blick und schaute Elijah tief in die schwarzen Augen. Kat erwartete eine Antwort, irgendeinen Konter. Doch Elijah schwieg. Sie sah die Anspannung in seinem Kiefer, die Wut in seinem Blick. Doch da war noch etwas anderes. Bewunderung? Respekt? Nein, sein Stolz würde solche Gefühle sicher nicht zulassen. Er könnte sie hier auf der Stelle töten. Langsam veränderte sich Katleens Sichtfeld, wild umherschwirrende, bunte Punkte mischten sich in die Schatten. Sie versuchte, etwas zu fokussieren, doch alles war verschwommen. Sie rechnete fest damit, ohnmächtig zu werden und dann zu sterben. Also schloss sie die Augen und konzentrierte sich auf ihre schwachen Atemzüge.

Elijah stand so nahe vor ihr, dass Kat seinen Duft stärker als sonst riechen konnte. Das Meerwasser, das Parfum, den Bourbon. Sie spürte seine Körperwärme und gerade, als sie dachte, er würde seinen Griff um ihren Hals lockern, sackte sie zusammen und verlor das Bewusstsein.

Katleen schlug die Augen auf.

Dunkelheit.

Ihr Kopf dröhnte.

Sie drehte sich um und wickelte sich aus einer Decke. In wessen Bett lag sie? Sie trug immer noch die Jogginghose und den Pulli, ihre Haare waren offen und ziemlich durcheinander. Als sich ihre Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erkannte Kat, dass sie in ihrem Schlafzimmer lag. Wie war sie hier rauf gekommen? Wer hatte die Rollos geschlossen?

Sie richtete sich langsam auf und warf einen Blick auf ihr Handy. Es war elf Uhr am Vormittag, und sie hatte fünf verpasste Anrufe ihres Vaters. Murrend stand Katleen auf und schlurfte die Treppen runter. Sie hatte gehofft, dass Elijahs Besuch ein schlechter Traum gewesen war, doch die Bourbongläser auf ihrem Küchentisch sagten anderes. Kat setzte sich und starrte die Gläser einige Zeit lang an, während sie genau wiederholte, was letzte Nacht passiert war. Sie hatte damit gerechnet, zu sterben. Warum wachte sie dann eingewickelt in ihrer Decke in ihrem verdunkelten Schlafzimmer auf?

In diesem Moment läuchete das Handydisplay auf. Der sechste Anruf von Katleens Vater. Sie überlegte kurz, ihn einfach wegzudrücken, doch vielleicht war etwas passiert. Also räusperte sie sich und hob ab.

"Kat?", fragte die allzubekannte Stimme ihres Vaters.

"Wer denn sonst?", entgegnete sie, unfreundlicher als ursprünglich geplant. Zum Glück ging ihr Vater nicht darauf ein. "Ist etwas passiert?"

"Nein, keine Sorge. Ich wollte dich nur etwas fragen. Mein Chef hat morgen seinen letzen Arbeitstag und zu seine Ehren wird heute Abend ein Polizeiball veranstaltet. Möchtest du auch kommen?"

Kat zögerte. Eigentlich hatte sie gar keine Lust, doch vielleicht brachte der Ball ihr eine Ablenkung. Alkohol und gute Tanzmusik, was konnte da schon schief gehen.

Viel. Ziemlich, ziemlich viel. Sie hätte zu Hause bleiben sollen. Dafür stand Katleen jetzt in einem weinroten Neckholder-Ballkleid in einem geschmückten und sowohl mit Tischen als auch mit vielen Menschen vollgestellten Turnsaal. Ihr Eltern winkten sie zu einem nahestehenden Tisch. Kat erkannte auch ihren Bruder und seine Verlobte.

"Seht euch das an, Katleen trägt ein Kleid", neckte Simon seine kleine Schwester, als sie sich gegenüber von ihm hinsetzte. Sie erwiderte ein einfaches Lächeln.

"Oh Gott, was ist mit dir passiert?", fragte Gina, Simons Verlobte, und deutete auf die Verletzung auf Kats Oberarm, die inzwischen weitgenug geheilt war, dass sie keinen Verband mehr brauchte.

"Ein Küchenunfall, sieht schlimmer aus, als es war", antwortete sie knapp. Dabei spürte sie den Blick ihres Bruders auf ihr und versuchte, nicht darauf zu reagieren. Er war eindeutig besorgt.

"Schön, dass du es doch noch geschafft hast", meinte Kats Mutter.

"Natürlich, ich lasse mir keine Chance entgehen, meinen Bruder betrunken zu sehen", antwortete sie und lächelte. Auch, wenn Simon abstritt, heute zu viel zu trinken, war Katleen sich sicher, dass er nach Hause getragen werden müsste.

Sie aßen die zuvor besellten Gerichte und gingen dann nacheinander auf die Tanzfläche. Katleen beobachtete ihren Bruder, wie er seine Verlobte durch den Saal wirbelte. Wie schafften die Leute auf der Tanzfläche, dass sie nicht ineinander hineintanzten?

"Na komm, es ist schon zu lange her, seit wir das letzte Mal Walzer getanzt haben. Und es dauert sicher nicht mehr lange, bis auf Discomusik gewechselt wird", versuchte Madeleine ihren Ehemann ebenfalls zum Tanzen zu überreden. Schließlich willigte er ein und verschwand mit seiner Frau in der Menschenmenge. Katleen blieb alleine an ihrem Tisch zurück und starrte auf ihr Handy. Sie wollte auf keinen Fall komisch wirken, so ganz ohne Partner an einem großen Tisch. Hoffentlich schauten nicht zu viele Leute zu ihr.

"Ganz alleine hier? Ich hätte dir zugetraut, einen der Leute zu überreden, deine Begleitung zu spielen."

Katleens Herz blieb stehen. Sie musste nicht aufschauen, um zu wissen, wer da auf sie zukam.

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