Kapitel 8 Lernen

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Ein "Was machst du da?" riss Lord Thyren aus seiner Konzentration. Auf allen vieren kam Letitia zu seinem Schreibtisch gekrabbelt, mit großen Augen sah sie zu ihm herauf.
"Arbeiten", knurrte er als Antwort schlecht gelaunt. Dieses Mädchen brachte ihn noch zur Weißglut.

Sie hatte nun ein schlichtes violettes Kleid an, dessen Farbe aber nicht zu kräftig war. Für ihren schwarzen Wolfschweif war das Kleid extra angepasst worden. Das Halsband aus dunklem Metall lag locker um ihren Hals, die meiste Zeit beachtete sie es nicht mal. Ihre Haare waren gekämmt und jetzt sah sie auch fast zivilisiert aus.

Es war schwer für den Lord. Vieles alltägliche kannte das Mädchen nicht und bevor sie eine Waffe wäre müsste sie noch so viel lernen. Hoffentlich würde sich der Aufwand am Ende lohnen.

"Was arbeitest du?", Mit großen Augen sah der Wolfdrache zu ihm hoch.
Der Gefallene sah nicht von seinen Unterlagen auf: "Wenn du dich auf zwei Beine stellen kannst und richtig gehen übst erzähle ich es dir sogar. Vielleicht."

Mühevoll zog Liz sich am Tisch hoch, ohne Stütze würde sie das Gleichgewicht verlieren.
Bisher war gehen für sie das schwierigste, dass sie kannte. Wie konnte das jeder so einfach? Für sie schien es wie eine unlösbare Aufgabe.

Vorsichtig versuchte sie einen Schritt vom Tisch Weg zu machen, prompt fiel sie hin.
"Aua.", nuschelte sie und schaute wieder zu Lord Thyren hoch. Da dieser sie jedoch nicht weiter beachtete zog sie sich schmollend wieder hoch.

Ihre nächsten Versuche waren zu gehen und sich am Tisch abzustützen. Dies ging eindeutig besser. Mit jedem Schritt wurde sie sicherer. Ganz langsam ließ sie den Tisch los.
Die nächsten Schritte klappten ohne, dass sie halt brauchte. Begeistert und stolz auf sich selber sah sie zu Thyren.
"Ich kann gehen!", verkündete sie vor ihm stolz und streckte die Brust raus.

Der Gefallene musterte Letitia zweifelnd. Dafür, dass das ihre ersten Schritte als Mensch gewesen waren, war das zu schnell gegangen. Obwohl, sie hatte im Prinzip nur die richtige Koordination der Bewegungsabläufe lernen müssen. Wenn Sie jetzt alles so schnell lernen würde, wäre das sehr angenehm für ihn.

"Ist ja schon gut.", seufzte er und erklärte was er tat, "Ich lese Berichte und Briefe durch und treffe gegebenenfalls Entscheidungen. In letzter Zeit geht es hauptsächlich um Streitereien zwischen Adligen."

"Was sind Adlige?", fragte der Wolfdrache mit großen Augen.
"Leute, die mit der Zeit viel politischen Einfluss gewonnen haben und mehr Macht besitzen als normale Bürger."
"Was heißt politisch?"

Die ganzen Fragen! Warum musste das angeblich mächtigste Wesen auf dem gesamten Planeten in der Wildnis ohne Eltern aufgewachsen sein? Aber etwas amüsantes hatte es schon, dass der Wolfdrache, der mehrere Soldaten allein besiegt hatte, nichts von der Welt wusste.

Da er in ihren Geist gesehen hatte wusste er alles über sie. Sie hatte sich in den Wäldern versteckt und wann immer sie einem Wesen begegnet war, war sie sofort geflohen. Wenn sie nicht fliehen konnte kämpfte sie. Am konnte kaum glauben, dass dieses naive unwissende Mädchen schon Drachen getötet hatte, die mindestens dreifach so groß gewesen wären und auf doppelt so viel Erfahrung wie sie zurückgreifen konnten.

"Politik ist kompliziert.", grübelte der Lord und suchte nach passenden Wörtern, "Hauptsächlich geht darum wer herrscht oder mehr Einfluss und Macht besitzt. Ein wenig ist es manchmal wie ein Kampf..."

Liz nickte auch wenn man ihr ansah, dass sie schon ihre nächste Frage überlegte. Vorsorglich legte Thyren das Blatt, das er gerade in der Hand gehalten hatte zur Seite. Die restlichen Sachen könnte er auch noch morgen erledigen.

"Kämpfst du diese Politik?", das Wort fühlte sich seltsam für Liz an.
"Jeden Tag, immer wieder...", Thyren seufzte schon wieder, dieses Mal klang es erschöpft.
Die Augen des Mädchens leuchteten: "Gewinnst du denn?"
"Oft, aber nicht immer. Du bist da um mir zu helfen."
Er sah ihr ernst in die Augen.

"Ich darf kämpfen?", ihre Freude darüber war deutlich zu hören.
"Davor müsst du aber noch vieles lernen. Im Kampf der Politik ist vor allem Wissen machtvoll und oft entscheidet dies über deinen Sieg oder Niederlage.", die Worte waren von Thyren überlegt gewählt worden. Ihm war klar, dass das Mädchen kämpfen wollte, das hatte er ja schon erlebt und in ihren Erinnerungen auch gesehen.

"Dann brauch ich dieses Wissen!", entschlossen erwiderte Liz den Blick des Lords.
Ein Kampf war für sie das beste Gefühl der Welt. Das Adrenalin, das Blut... Sie schüttelte diese Gedanken ab. Wie man wohl Politik kämpfte? Aus dem was Lord Thyren ihr sagte war das nicht zu erschließen.

Aufmerksam beobachtete sie ihn, als er von seinem Tisch aufstand und zu einem Bücherregal hinter ihm ging. Er zog ein Buch heraus, es war nicht wirklich dick, und setzte sich wieder an den Schreibtisch. Dann winkte er Liz zu sich. Verwirrt kam sie zu ihm und schaute in das aufgeschlagene Buch. Aus den Strichen und Punkten darin wurde sie nicht wirklich schlau. Warum sammelte man sowas? Alle Seiten sahen für sie glich aus.

"Das ist Schrift.", erklärte Thyren, bevor sie fragen konnte, "Es ist geschriebene Sprache. Viel Wissen wird aufbewahrt indem man es aufschreibt, deshalb ist es wichtig, dass du lesen und schreiben lernst."
Gebannt lauschte das Mädchen seinen Worten.

Wolf Und Drache -abgebrochen-Where stories live. Discover now