Kapitel 12 Kerker

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Als Lord Thyren sein Arbeitszimmer betrat war er zuerst geschockt. Auf dem Boden war Papier verstreut, auch Tinte war auf den Holzboden getropft, und in der Mitte des Chaos lag der Wolfdrache, schlafend.

Nun war er wütend.
Es war eine andere Art von Wut, als der kalte Zorn, der ihn normalerweise beschlich. Das jetzt war ehrliche, lodernde Wut auf das junge Mädchen.
Doch diese Wut würde ihm nicht helfen, sagte er sich. Unwillig schluckte er sie hinunter.

Er kniete sich vor Letitia und schüttelte sie wach. Mit müden verwirrten Augen blickte sie zu ihm hoch.
Auf der einen Hälfte ihres Gesichtes hatte die Tinte abgefärbt, war also mit ihrer krakligen Schrift verziert.

Allein dies linderte seine Wut. Das Mädchen war bei ihrer Arbeit eingeschlafen. Vielleicht hatte er sie überschätzt und zu viel von ihr verlangt?

Der Lord begutachtete ihr Gesicht. Es war unglaublich symmetrisch, viel ihm auf, wenn man sich die Abdrücke der Schrift wegdachte.
Und sie war schön, rein objektiv betrachtet. Ohne die Ohren und den Wolfschweif wäre sie ein schönes normales Mädchen gewesen.

Ihr Haar war so unglaublich schwarz. Es schien wirklich alles Licht zu absorbieren. Die Wolfohren auf ihrem Kopf waren mit Fell bedeckt, dass jedoch exakt die gleiche Farbe wie ihr Haar hatte.

Er riss sich von ihr los. Ihre violetten Augen durchbohrten ihn schon fast.
"Mir ist langweilig!", grummelte der Wolfdrache auf einmal, was Thyren nur ein Seufzen entlockte.

"Sorg erstmal dafür, dass du ansehnlich aussiehst.", gab er leicht genervt zurück, "Dann habe ich vielleicht eine Aufgabe für dich."
Verwirrt blickte Liz zu ihm hoch.
...

Die Tinte war leider zum Glück vollständig abgegangen. Ihr Gesicht sah wieder normal aus.
Sie hatte zudem jetzt neue Sachen an.
Sie trug ein schwarzes Kleid, dass locker bis zum Boden reichte. Die Ärmel reichten ihr bis über die Fingerspitzen. Neben ihrem schwarzen Haar wirkte das Schwarz des Kleides lächerlich hell und fast wie ein Grauton.

Dazu hatte ihr Lord Thyren einen Mantel mit Kapuze gegeben. Dieser verdeckte recht geschickt ihre Ohren und den Schweif. Doch sie störte es. Die Geräusche wurden dadurch gedämpft. Und das mochte sie nicht.

Thyren kümmerte dies herzlich wenig. Er hatte ihr befohlen ihm zu folgen, weshalb sie ihm schon eine gefühlte Ewigkeit hinter ihm herging.

Die Flure durch die er sie führte sahen für Liz alle gleich aus. Die Gänge waren riesig, an manchen Stellen hingen Wandteppiche. Feuer an den Wänden erhellten den Weg.

"Ist es noch weit?", quengelte sie herum. Thyren hatte gemeint, er hätte eine Aufgabe, doch darunter verstand sie nicht ihm durch unendlich viele Flure zu folgen.

"Nein.", antwortete er ihr. Er schien seltsam gute Laune zu haben, nicht, dass sie das wirklich beurteilen könnte.

Es dauerte danach wirklich nicht lange, bis sie an eine vergitterte Tür kamen.
Thyren ging zielgerichtet hindurch.
Zögerlich folgte Liz.

Der Gang dahinter war sehr viel enger als die Flure, durch die sie davor gewandert waren und auch nicht so gut beleuchtet. Das behagte Ihr nicht.
Mit Kämpfen auf engen Raum kam sie nicht so gut klar.

Doch Thyren schien keine Bedenken zu haben. Angespannt folgte sie ihm und achtete auf jedes Geräusch, vor und hinter ihnen.

Das erste Geräusch, was sie vor ihnen hörte war ein Klimpern. Ihre Ohren drehten sich dem Geräusch zu. Es Raschelte und Klimperte...
Und der Ort wo sie hingingen stank fürchterlich.

Liz blieb stehen. Der Lord drehte sich zu ihr um. "Komm!", wies er sie an, seine Augen funkelten.
Sie schüttelte den Kopf. "Es stinkt dort nach Angst, Verzweiflung, Tränen und Blut!", beschwerte sie sich.
"Es ist ja auch ein Ort voller Angst, Verzweiflung, Tränen und Blut.", erwiderte Tyren ruhig, als wäre das selbstverständlich.

Wolf Und Drache -abgebrochen-Where stories live. Discover now