12. Kapitel

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Alle unterhalten sich miteinander und lachen.
Die Stimmung ist so fröhlich und ausgelassen, wie schon lange nicht mehr.
Carol's "Festmahl", war einsame spitze.
Sie hat sich wirklich selbst übertroffen.
Auch wenn alle anderen hier am Tisch feiern und guter Dinge sind und trotz des guten Essens, hebt es meine Stimmung nicht wirklich.

Mit dem Vorwand, ich würde nach Judith sehen, verlasse ich den Tisch – Daryl's Blick im Nacken.
Ich weiß, dass er mir nachsieht und dass er sieht, wie ich statt der Treppe rauf zu Judith, nach draußen gehe und das Haus verlasse.
Ich setze mich auf die Stufen der Veranda und fahre mir mit den Händen über das Gesicht.
Mein Bauchgefühl hat mich noch nie getäuscht – nicht seit dem Ausbruch dieser Seuche jedenfalls.
Die Art, wie diese Beißer eingezäunt waren – fast so, als wären sie extra dorthin gebracht worden, um dieses Lager zu schützen. Das ergibt keinen Sinn – für mich jedenfalls nicht, und doch kommt mir dass alles so bekannt vor.
Ich sitze da und grüble vor mich hin.
Ein lauter Seufzer entkommt mir und dann höre ich ihn hinter mir: „Alles Klar bei dir?"

Ich drehe mich um und sehe Daryl, der mit einem Glas Whiskey auf mich zu kommt und sich neben mich setzt.
Im ersten Augenblick bin ich etwas irritiert, dass ausgerechnet er nach mir sieht, nachdem wie er zur Zeit mit mir umspringt. Aber wenn ich so darüber nachdenke, erscheint es mir wieder völlig logisch, weil vermutlich keiner der Anderen drinnen weiß, dass ich hier draußen bin.

„Ich weiß nicht...."
Mein Gefühl sagt mir, dass ich Daryl gegenüber ehrlich sein kann, und im Grunde weiß ich das auch. Es ist eher mein Kopf, der mich zurückhält. Denn wenn ich sage, was ich denke, macht es die Sache nur realer, sollte sie denn stimmen.
Und dann hätten wir wirklich ein Problem!

„Hat es mit der Sache heute zu tun?... Das ich dir WIEDER den Arsch gerettet habe, davon will ich gar nicht anfangen..."
„Ich glaub... Ich habe das Gefühl, dass uns das alles, die Vorräte, die Waffen... die Tatsache, dass wir alles mitgenommen haben.... ich hab Angst, dass uns das irgendwann um die Ohren fliegt.", unterbreche ich ihn.
Daryl sieht mich argwöhnisch an.
Ich weiß, dass er jetzt auf eine Erklärung wartet, dass ich ihm eine Erklärung geben MUSS, aber ehrlich gesagt, weiß ich nicht wo ich anfangen soll.
Kurzerhand nehme ich ihm sein Glas aus der Hand, nehme einen Schluck und atme tief durch.

„Die Gruppe, von der ich abgehauen bin, als ich euch fand... Der Boss der Gruppe -Negan-, er hat sich angewöhnt Beißer dazu zu benutzen, um das Fabrikgebäude in denen er mit seinen Leuten lebt zu schützen. Und ich..."
„Du glaubst die Lagerhalle war seine?"
„Die Saviors – so nennen sie sich – haben einige Lagerräume im Umkreis der Fabrik. Ich könnte mir vorstellen, dass er auch dort Beißer als Wachhunde verwendet... wenn er rauskriegt, was passiert ist... wenn er rauskriegt, dass wir dahinter stecken..."
„Soll er ruhig kommen!", sagt Daryl ruhig: „Wir haben jetzt einen Haufen Waffen... und wir sind schon mal mit so einem Dreckskerl fertig geworden, der nannte sich selbst 'Governeur'."
„Du weißt nicht zu was Negan fähig ist. Die Saviors sind viele, verdammt viele... mit denen würden wir nicht fertig werden.", ich schüttle den Kopf.

„Ich hätte nie mit euch dreien hier her kommen dürfen.", sage ich zu mir selbst.
Ich weiß immerhin, was geschieht wenn Negan sieht, dass seine Waffen und alles andere weg ist.
Ich weiß, dass er alles im näheren Umfeld absuchen würde und uns zur Rede stellen würde, sollte er hier auftauchen.
Ich weiß, dass er immer noch genug Ressourcen besitzen würde um uns fertig zu machen, wenn wir uns gegen ihn stellen.
Ich weiß, was passiert, wenn er mich hier finden würde.
Ich starre auf die Mauer, die uns jetzt noch Schutz gibt.


Niemand sagt etwas. Daryl trinkt sein Glas leer und zündet sich eine Zigarette an.
„Wenn du so überzeugt davon bist, dass es ein Fehler war damals mitzukommen, solltest du vielleicht wirklich gehen."
Ich blicke in seine Richtung, aber er weicht meinem Blick aus.
Er ist gekränkt! Und dass kann ich ihm nicht verübeln. Es ist noch gar nicht so lange her, da hätte ihn ein Beißer fast erwischt, als er mir zur Hilfe kam.
Daran will ich gar nicht zurück denken, die Vorstellung Daryl würde meinetwegen etwas passieren... damit käme ich nicht klar.
Dafür ist mir dieser Redneck viel zu wichtig geworden.

Ich sehe, wie er aufsteht und die Treppe runtergeht um von mir wegzukommen.
Weil ich ihn so nicht gehen lassen will – nicht gehen lassen kann, gehe ich ihm nach.
„Daryl...", ich greife nach seinem Arm und zwinge ihn so stehen zu bleiben.
Er dreht sich zu mir um und sieht mich wütend an.
„Ich hab einfach Angst...", gestehe ich ihm.
„Und du denkst, wenn du weg wärst, würd's dir besser gehen?!"
Ich verstehe gerade gar nichts mehr. Hat er mir eben nicht zugehört??
Wenn unsere Ausbeute wirklich Negan gehört und wenn er und seine Leute uns finden, wird es Alexandria nicht mehr lange geben.
Weil ich zu verwirrt bin, um irgendetwas anderes sagen zu können, kommt mir nur die Frage nach Daryl's Problem über meine Lippen.
„DU!", fährt er mich an. „Du bist mein Problem!"
Ich weiche einen Schritt zurück, so wütend habe ich ihn noch nie erlebt.
„Wie bitte?", frage ich fast im Flüsterton.
„Du bist verdammt egoistisch, weißt du das?!"
„Ich? Ich bin egoistisch?"
„Ja verflucht das bist du!", faucht er während er seine Zigarette wegschnippt: „Seit du hier bist, die ganze Zeit, wenn wir draußen sind, tust du alles um so viele Beißer wie möglich zu erledigen, dabei ist es dir Scheißegal, ob du irgendwen der Anderen in Gefahr bringst. Heute mit Tara... du hättest einfach nur dieses verdammte Feuer legen müssen...."
„Tara hatte draufgehen können!"
„Ja, weil du sie abgelenkt hast, als du ihr zugerufen hast. Ich war fast bei ihr!"

Er starrt mich wütend an, ich bin völlig sprachlos. Ich hatte keine Ahnung, dass er so empfindet.
„Und jetzt die Sache mit dieses Saviors, statt es allen zu sagen, verpisst du dich aus dem Haus um allein zu sein, weil du Schiss vor denen hast. Hättest du es überhaupt irgendwem erzählt, wenn ich nicht raus gekommen wäre? Oder hätten wir erst davon erfahren, wenn dieses Arschloch mit seinen Leuten vor dem Tor steht?"
Wütend geht Daryl vor mir auf und ab, immer wieder sieht er mich an.
Sein Atem geht schneller als sonst, weil ich nicht mit ihm streiten will und weil ich weiß, dass er im Grunde mit allem was er eben gesagt hat Recht hat, gehe ich einen Schritt auf ihn zu.
Er bleibt stehen und sieht mich an.

„Es tut mir Leid." Ich sehe ihm in die Augen, so nah wie jetzt, war ich ihm noch nie. Und dieses Gefühl, dass ich in letzter Zeit immer habe, wenn ich in seiner Nähe bin, ist jetzt stärker, als irgendwann vorher.
Mein Herz klopft plötzlich wie wild!
Wir stehen uns so nah gegenüber, dass ich nur meine Hand ausstrecken müsste, um ihn an mich zu ziehen.
„Vielleicht bin ich manchmal egoistisch...", rede ich weiter: „... aber nur, weil ich niemanden von euch verlieren will... wiel ich dich nicht verlieren will!", spreche ich zum ersten Mal aus, was mir seit langem bewusst ist!
Daryl's Kiefer mahlen, er sieht mich weiter an, ohne irgendeine Reaktion auf das, was ich eben gesagt habe.

„Julie! Daryl!", hören wir dann plötzlich Abraham's Stimme, als er auch schon fast bei uns ist. „Rick schickt mich, er sagt es ist dringend. Ihr sollt mit mir wieder reinkommen!"
Ich nicke, während Daryl sich schon auf den Weg zurück ins Haus macht.

The dead beside meWhere stories live. Discover now