15. Kapitel

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Mein Blick ist immer noch auf Daryl gerichtet. Ich kann meine Augen nicht von seinen abwenden.
Dieses Blau – sie sind wie ein Ozean in dem ich mich verliere, jetzt mehr als irgendwann vorher.
Auch wenn mein Atem relativ ruhig ist, kann ich spüren wie mein Herz in meiner Brust rast.
Die Sekunden verstreichen, doch mir kommt es vor wie eine Ewigkeit, in der es nur uns beide gibt.
Mich und Daryl.
Wir sitzen uns gegenüber und genau jetzt, genau hier in diesem Moment, weiß ich ganz genau was ich will.
Ich dränge die Gedanken an die Saviors und an Negan und alles andere was mir im Kopf umgeht weg und versteife mich nur auf diesen Augenblick hier.

„Was willst du?", wiederholt Daryl seine Frage.
Ich weiß, dass ich, selbst wenn ich wüsste was ich sagen soll, jetzt nicht antworten kann – weil nicht ein Ton aus mir rauskommen würde.
Für eine Millisekunde wende ich meinen Blick von Daryl ab, nur um ihn kurz darauf wieder anzusehen.
Er sitzt immer noch völlig unverändert dar und ich frage mich, wie er so ruhig bleiben kann und ob es ihm genau so geht wie mir.
Es ist absolut still und die Luft zwischen uns ist zum Bersten gespannt.
Aber nicht so wie gestern... nein das hier, das ist etwas völlig anderes.
Und ich genieße es.
'Scheiß drauf, Julie!'
Ich nehme einen tiefen Atemzug und lasse meine Hände langsam nach vorne wandern.
Ich habe Angst, dass Daryl sich zurückzieht und ich mich gerade komplett zum Idioten mache, aber er bewegt sich nicht. Er sieht mich nur an.
Selbst dann als meine Hände seinen Oberkörper hinauf wandern und ich ihm am Kragen seiner Lederkutte zu fassen kriege, weicht er nicht zurück.
Den Blick immer noch auf seine Augen gerichtet, ziehe ich ihn langsam in meine Richtung.
Mein Atem wird schneller.
Gott wie sehr ich diesen Dreckskerl will!

Ich bin angenehm überrascht, als Daryl eine Hand an meine Wange legt.
'Also doch, es geht ihm genauso wie mir... dann war das alles keine Einbildung.'
Sachte schmiege ich mein Gesicht an seine Hand und schließe noch einmal die Augen.
Ich genieße dieses Gefühl von seiner Haut auf meiner.
Viel zu lange schon, wurde ich auf diese Art nicht mehr von einem Mann berührt.
Auch wenn es nur seine Hand in meinem Gesicht ist, für mich bedeutet so eine Geste... so eine zärtliche Geste gerade die Welt... dann auch noch von Daryl!

Ich spüre Daryls Atem in meinem Gesicht und hebe wieder den Blick.
Sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter vor mir.
Unsere Lippen trennt nicht mehr viel.
Ich schmecke den Duft der von ihm ausgeht, inhaliere seinen Geruch. Er riecht nach Rauch, Leder und Öl.
Ich schließe die Augen, als ich merke wie Daryls Hand in meinem Gesicht mich sachte zu sich zieht. Es kann nicht mehr lange dauern, bis sich endlich unsere Münder treffen.
Ich habe das Gefühl dass es schon fast geschieht, als plötzlich:


BOMM! BOOM!
Wir schrecken auf und sehen uns um. Vier Beißer sind offensichtlich auf den Wagen und auf uns aufmerksam geworden und haben es sich zur Aufgabe gemacht, ihn mit ihren – nennen wir es Schlägen – zu traktieren.

„Du bleibst hier!"
Ich sehe Daryl an, doch bevor ich etwas sagen kann, zückt er sein Messer, öffnet die Tür einen Spalt breit und erledigt bereits den ersten Beißer.
Als er die Türe hinter sich schließt, kann ich nur zusehen, wie er mit drei Beißern gleichzeitig ringt.

'Fuck...!', weil ich ihn nicht gegen mich aufbringen will, nicht schon wieder und vor allem nicht JETZT, tue ich was er sagt und bleibe im Wagen.
Ein paar Minuten später, wird die Fahrertür wieder geöffnet und Daryl gibt mir zu verstehen, dass ich rauskommen kann.

„Bist du okay?"
Er nickt knapp und wendet sich den Toten zu: „Vielleicht haben sie irgendwas nützliches dabei!"
Nachdem jeder von uns die Taschen der Leichen durchsucht hat, wobei Daryl nichts weiter als eine Packung Zigaretten und ich gar nichts gefunden habe, zündet er sich eine der Zigaretten an und inhaliert den Rauch tief, während ich mich umsehe.

Ich hab keine Ahnung wo wir eigentlich sind als ich die Straße rauf und runter schaue.
Doch plötzlich halte ich inne, denn vor uns auf der Straße in einigen Metern Entfernung kann ich irgendetwas sehen.
„Was zum Teufel ist das?", ich beschatte meine Augen und gehe ein paar Schritte in besagte Richtung.
„Hey!", höre ich Daryl hinter mir, doch ich gehe ungeniert weiter.
Als Daryl mich dann irgendwann eingeholt hat und mich am Arm festhält damit ich stehen bleibe, drehe ich mich, schon fast panisch, zu ihm um.

„Wir müssen hier weg!"
Irritiert sieht Daryl erst mich an und dann an mir vorbei: „Was läuft hier?"
Mein Atem geht schneller.
„Julie, verdammt...! HEY!!", schreit er mir schon fast ins Gesicht.
Ich ringe um Fassung und ziehe Daryl am Arm zurück zum Wagen, während ich auf ihn einrede:
„Dieser rote Truck dort vorne.... das ist Negan's! Wir müssen hier verschwinden! Wir haben keine Chance wenn sie jetzt kommen... wir sind nur zu zweit."
„Warte.. Warte!", Daryl bleibt stehen und hindert auch mich daran weiterzugehen: „Negan? Bist du sicher?"
„Ich würde den Wagen überall wiedererkennen."

Daryl nickt und geht an mir vorbei weiter zum Wagen, er will gerade einsteigen als ich ihn daran hindere: „Wir sollten den Wagen stehen lassen, er würde uns nur folgen. Lass uns zu Fuß durch den Wald weitergehen..."
Daryl hält einen Augenblick inne, fast so als müsste er nachdenken.
Aber mein Entschluss steht fest. Selbst wenn er jetzt in den Wagen steigen würde um darin weiter zufahren, würde ich zu Fuß weitergehen. Das wäre die sicherste Methode.

Ich sehe wie Daryl den Schlüssel zieht und aus dem Kofferraum seine Armbrust und unsere Rucksäcke herausholt.

Ich gehe auf ihn zu und nachdem er sich seine Waffe umgehängt hat, schnappe ich mir unsere Taschen und wir gehen in den Wald hinein.
Mir ist klar, dass es jetzt mindestens zwei Tage dauert, bis wir wieder zu Hause sind, aber immerin haben wir zu Fuß wenigstens eine Chance.

The dead beside meWhere stories live. Discover now