Kapitel 45

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Severus Snape

Etwa eine Stunde, nachdem ich bei Lucius angekommen war, und ihm die Situation geschildert hatte, natürlich ohne Details zu erwähnen, wieso mir das ganze so am Herzen lag, beschlich mich ein ungutes Gefühl. Ich konnte nicht sagen, woher das kam, also achtete ich nicht weiter drauf. Ich schob es einfach dem Ganzen zu, wieder hier zu sein, einem Ort, der keine guten Erinnerungen in mir wachrief. Außerdem kreisten meine Gedanken wie wild um das, was sie gesagt hatte. Wie hatte sie das gemeint, dass sie an mich gedacht hatte? Was hatte das Ganze zu bedeuten?

Ich durchforstete die Regale, darauf bedacht, immer nur die erste Seite zu öffnen, um möglicherweise Bellatrix Schrift auszumachen und nichts von all dem zu lesen. Doch dieses bedrückende Gefühl, ließ einfach nicht von mir ab und mit einem Mal tauchte Hermione in meinem Kopf auf. Was wäre, wenn das mit ihr zusammenhing? Ich verspürte den starken Drang, nach ihr zu sehen und mich zu versichern, dass es ihr gut geht und mich meine Gefühle täuschten.

Ich stürmte aus der Bücherei der Malfoys. „Severus? Hast du schon gefunden wonach du suchtest?", fragte mich Lucius verwundert. Als ich ihn jedoch nicht beachtete, sondern an ihm vorbei nach draußen lief, folgte er mir verärgert. „Ich muss zurück. Ich glaub irgendwas stimmt in meinem Anwesen nicht", versuchte ich mich der Höflichkeit halber zu erklären und apparierte. Keine zwei Sekunden danach, vernahm ich einen Lauten knall neben mir. Lucius war mir gefolgt.

„Ich komm schon allein klar!", zischte ich. „Severus, mein alter Freund, ich bin zu neugierig, was sich in deinem Anwesen abspielt und wie du darauf kommst, dass etwas nicht stimmt. Ich werde hierbleiben", antwortete er überheblich und trat einfach so in mein Haus ein. Die darin herrschende Stille beunruhigte mich und ich achtete nicht mehr auf ihn. Lucius dicht auf den Fersen, stürmte ich ins Wohnzimmer, doch dort war sie nicht. Gerade, als ich auf den Weg zur Bibliothek war, vernahm ich ein Geräusch, aus dem Flur, der zu meinen Laborräumen führte. Sofort zückte Lucius seinen Zauberstab, um vorzurennen, doch ich holte ihn ein und riss die Tür vor ihm auf.

Der Anblick, der sich mir bot, war grausam. Kälte kroch meine Knochen hoch. Es fühlte sich an, als würde mein inneres zerquetscht werden. Alles Glück wich aus mir. Meiner Kehle entwich ein undefinierbarer Schrei. Ich stürzte auf sie zu und schrie ihren Namen. Mit aller Mühe versuchte ich ihre Blutung zu stillen. Ihr Körper fühlte sich bereits eiskalt an und die Blässe in ihrem Gesicht trieb meine Panik ins unermessliche. Obwohl ich tief in mir drinnen wusste, dass es keinen Sinn machen würde, versuchte ich mit meinem Zauberstab ihre Wunden zu heilen. Erfolglos! Wie sollte ich Hilfe holen? Wenn ich den Druck von ihrem Arm nahm, würde sie nur noch schneller verbluten. Apparieren war so auch nicht möglich. Mein Blick verschleierte sich von den ganzen Tränen die unkontrolliert flossen.

Aus meinem Augenwinkel nahm ich eine Bewegung an der Tür wahr. Natürlich Lucius war ja auch noch da. Argwöhnisch betrachtete er die Situation, doch als er meinen verzweifelten und flehenden Blick traf, schien er zu verstehen und seine Haltung veränderte sich. Er nickte mir zu, als Zeichen, dass er mich verstand. Er würde Hilfe holen.

Ich versuchte mit ihr zu reden, sie musste wach bleiben! Wenn sie wirklich sterben sollte, wüsste ich nicht mehr weiter. Ich musste es ihr sagen. Sie musste wissen, dass ich sie liebe. Ich hoffte und betete, dass ihr das einen Grund zum Kämpfen geben würde. Dass sie mich auch liebte. Dass sie überlebte.

„... Ich...Ich liebe dich..." und ich drückte ihr einen Kuss auf die Lippen. Der Geschmack von Blut breitete sich in meiner Mundhöhle aus, denn das Blut war überall. Sogar meine Klamotten waren in Sekundenschnelle durchtränk. Es schien, als würde sie ein Ruck durchfahren, ehe sich ihr Körper wieder kraftlos entspannte. Ein seliges Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht auf und sie schloss die Augen. Ich heulte auf und drückte sie an meine Brust. Genau in dem Moment kam Lucius mit einem Heiler des St. Mungos rein gestürmt.

Lucius musste mich von ihr wegzerren, denn ich weigerte mich, sie loszulassen. Ich traute meinen Augen kaum, als ich wahrnahm, wie er ihre Wunden am Arm schloss. Ich hörte auf, mich gegen Lucius Klammergriff zu wehren. Wieso funktionierte es auf einmal?

„Wir müssen schnell ins St. Mungos. Ihr Puls ist kaum noch wahrzunehmen, sie hat viel Blut verloren. Jede Sekunde zählt, sonst stirbt sie ganz sicher", sagte der Heiler professionell und ließ sie hinter sich herschweben. Draußen nahm er sie am Arm und verschwand mit einem lauten Knall. Ohne zu zögern folgte ich ihm und ließ Lucius einfach stehen. Wir könnten darüber auch immer noch später reden.

Voller Verzweiflung lief ich nun schon seit drei Stunden in dem Gang vor ihrem Behandlungsraum auf und ab, als mich eine Stimme aus meiner Trance riss. „Professor Snape, was ist passiert? Was ist mit Hermione!", rief eine aufgebrachte Miss Weasley. Resigniert starrte ich sie an, unfähig zu sprechen.

„Es ist alles meine Schuld. Ich hätte sie nicht allein lassen sollen. Was soll ich nur ohne sie tun? Welchen Sinn hat mein Leben denn dann noch?", krächzte ich schließlich doch vor mich hin. „Es muss doch einen Weg geben den Fluch zu brechen. Sie kennt einen Weg. Was soll ich tun...", in dem Moment trat der Heiler aus dem Raum. „Sie können jetzt zu ihr. Wir wissen noch nicht, ob sie es schaffen wird. Sie hat sehr viel Blut verloren und wir können noch nicht sagen, ob die blutbildenden Tränke ihre gewünschte Wirkung zeigen werden", berichtete er.

Ich stürzte an ihm vorbei, dicht gefolgt von Weasley, Potter und Weasley. Wann zur Hölle waren die dazugekommen? Es traf mich hart, sie dort liegen zu sehen. Mehr tot als lebendig. Sie war leichenblass und atmete nur ganz schwach. Ihr Körper war noch immer blutverschmiert. Hätten die sie nicht wenigstens reinigen können?! Langsam sickerte die Erkenntnis zu mir durch. Es war alles meine Schuld. Wie könnte sie mir das jemals verzeihen? Wie könnte ich mir das jemals verzeihen? Galle stieg in mir auf. Schnell verließ ich das Zimmer, trat auf den Gang und suchte nach dem Heiler. „Sie werden mich umgehend informieren, falls sich etwas an ihrem Zustand ändert. Ich werde in meinem Anwesen sein, aber wagen Sie es ja nicht, irgendjemanden davon zu erzählen", drohte ich ihm, und an seinem verängstigten Ausdruck erkannte ich, dass er tun würde, was ich sagte. Ich drehte mich um und verlies fluchtartig das Gebäude. Blind vor Wut und Selbsthass apparierte ich zurück ins Manor.

Ich stürmte in mein Labor, wo noch immer die große Blutlache war, und begann alles zu zertrümmern. Ich fühlte mich innerlich hohl. Als wäre mir mein Herz herausgerissen worden. Die Verachtung, welche ich mir gegenüber verspürte wuchs mit jeder Sekunde. Meine Gedanken kreisten nur noch um die Tatsache, dass alles meine Schuld war. Ich konnte ihr nicht mal helfen. Wieso konnte ich sie nicht heilen, der Heiler aber schon? Ich fühlte mich auf einmal so leer und taub und doch so voller Schmerz. Sie war ohne mich besser dran.

Wenn sie überlebte...

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Sternchen nicht vergessen!

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