Kapitel 46

1.4K 79 5
                                    

Ich hatte keine Ahnung, wie viel Zeit mittlerweile vergangen war, aber es musste sich um einige Tage handeln. Zusammengesunken saß ich auf der Couch, die ich kaum verlassen hatte, und trank meine Whiskey-Vorräte leer. Ich hatte nichts über ihren Zustand gehört, aber sie war ohne mich ohnehin besser dran. Im Krankenhaus konnten sie sich besser um sie kümmern. Dort würde keiner einen so gravierenden Fehler begehen, wie ich. Wieder überkam mich die Wut. Ich hätte besser auf sie Acht geben müssen. Ich hätte sie mitnehmen müssen. Dafür sorgen müssen, dass sie nicht allein war. Ich hätte auf mein Gefühl vertrauen müssen. Früher. Gleich ab dem Moment, in dem ich dachte etwas stimmte nicht. Dann wäre ihr nichts davon passiert. Dann würde es ihr jetzt gut gehen und sie würde möglicher Weise neben mir sitzen. Oder in meinen Armen liegen. Doch das würde nun nie wieder passieren, wegen meiner eigenen Dummheit. Das würde sie mir nicht verzeihen. Das würde ich mir nie verzeihen. Mein Herz schmerzte so sehr, dass ich es kaum aushielt. Und gleichzeitig fühlte ich nichts als Leere in mir. Leere und Hass. Der Selbsthass, den ich vergessen hatte, je mehr Zeit ich in ihrer Nähe verbracht hatte, prasselte wieder auf mich ein. Wieder einmal hatte ich es nicht geschafft, die Frau zu beschützen, die ich liebte. Wieder war es meine Schuld. Mein Fehler. Ein weiterer Fehler, den ich mir niemals verzeihen könnte. Den ich für den Rest meines elenden Lebens mit mir rumtragen müsste. Womit ich leben müsste. Alles in mir hoffte, dass sie überlebte. Sollte sie mich hassen. Mich verachten für das, was ich ihr angetan hatte. Dafür, dass ich nicht für sie da war. Aber bitte! Sie musste leben!

Ich vernahm ein Klopfen an der Tür, jedoch regte ich mich nicht. Das würde nicht der Heiler sein, dass wusste ich, denn ich hatte ihm per Eule die Anweisung gegeben mich per Patronus zu informieren und es auf keinen Fall zu wagen, einen Fuß in mein Anwesen zu setzten. Ich wollte niemanden sehen. Und ich wollte von niemandem gesehen werden. Und wenn das wieder Lucius war, der eine Erklärung forderte, würde ich mich vergessen. Ich fühlte mich nicht stark genug, aufzustehen, aber das war mir egal. Ich hatte eh nicht vor die Tür zu öffnen.

„Professor Snape?", hörte ich die Stimme der Weasley hinter mir. Wie hatte sie mich gefunden? Und wie kam sie hier rein? Sie war noch nie hier und dem Heiler hatte ich mehr als deutlich zu verstehen gegeben, dass er niemanden verraten durfte, wo ich war. Oder wo ich zu finden war. Die einzige Person, die mir wirklich einfiel, war Minerva. Bestimmt hatte sie ihr erzählt, wo sie mich mit größter Wahrscheinlichkeit finden würde. Ruckartig drehte ich mich um. „Was wollen Sie hier?! Verschwinden Sie!", schrie ich ihr entgegen. Mutig stellte sie sich vor mich, „Hermione braucht Sie jetzt. Sie können sie doch jetzt nicht dort allein lassen."
„Es ist alles meine Schuld. Ich sollte mich von ihr fernhalten. Dann kann ich ihr nicht schaden. Wir hätten mit der Sache von Anfang an ins St. Mungos gehen sollen. Die hätten ihr besser geholfen. Die hätten sie nie allein gelassen!", spie ich ihr mit kalter Stimme entgegen.

„Das stimmt nicht! Sie braucht Sie! Glauben Sie mir, Sie sind der Einzige, der ihr helfen kann. Das würden die dort niemals hinbekommen", sagte sie voller Überzeugung. Ich regte mich nicht. „Sein Sie jetzt kein Feigling!" Was erlaubte sich diese Person. Wütend stand ich auf und kam bedrohlich auf sie zu. Jedoch schien sie keine Angst vor mir zu haben, was ich verstehen konnte, denn momentan sah ich wahrscheinlich keineswegs bedrohlich aus. „Wagen Sie es ja nicht, mich einen Feigling zu nennen. Sie ist einfach ohne mich besser dran. Sie braucht mich nicht. Ich mache alles was ich berühre kaputt!", spie ich ihr entgegen. „Das ist kompletter Schwachsinn! Sie sind der Einzige, den sie jetzt braucht. Der Einzige, der ihr wirklich helfen kann!", wiederholte sie.

Ich wandte mich von ihr ab, konnte ihren Worten keinen Glauben schenken und ließ mich erneut kraftlos auf das Sofa sinken. Tiefe Verzweiflung überkam mich wie so oft in den vergangenen Tagen. Ich vergrub Gesicht in meinen Händen und murmelte vor mich hin „Ich liebe sie doch so sehr. Es ist alles meine Schuld. Was soll ich nur ohne sie tun. Was wenn sie stirbt. Ich liebe sie. Ich hätte ihr das viel früher sagen sollen. Es ist zu spät." Ich hatte die Anwesenheit der jungen Weasley schon wieder vergessen, als sie mich unterbrach. „Haben Sie ihr das gesagt?", ich reagierte nicht. „Professor! Es ist wirklich wichtig. Haben. Sie. Ihr. Das. Gesagt?", das letzte sagte sie betont langsam. „Haben Sie ihr gesagt, dass Sie sie lieben!", hakte sie panisch nach. Ich verstand nicht, wieso das so wichtig für sie war, und war nicht gewillt zu antworten, aber sie ließ nicht locker, weshalb ich schließlich nickte. „Hat sie es Ihnen vorher gesagt? Hat sie Sie gehört? Antworten Sie!", sagte sie beinahe hysterisch. „Nein. Sie hat gar nichts mehr gesagt, nur gelächelt, aber ja sie hat mich gehört. Wieso wollen Sie das alles wissen?", fragte ich monoton. Sie stieß erleichtert Luft aus und es war, als würde augenblicklich jede Spannung von ihr weichen.

„Kann ich mal in ihr Zimmer?", fragte sie zu meiner Überraschung. Es hatte eh keinen Sinn. Ich nickte, erhob mich und wies ihr den Weg. Eine Weile durchforstete sie jede Ecke in dem Zimmer und dann endlich schien sie zu finden, wonach sie gesucht hatte und drückte mir die beiden Bücher in die Hand. Ich erkannte sofort, um welche es sich dabei handelte.

„Lesen Sie das!", befahl sie mir. „Was? Nein das geht nicht!", keuchte ich. „Vertrauen Sie mir. Lesen Sie und Sie werden verstehen, wie sehr sie Sie braucht." Sie machte eine kurze Pause und hielt mir dann noch einen Brief hin „Der lag in einem der Bücher. Er ist an Sie adressiert." „Worauf warten Sie noch? Lesen sie schon!", sagte sie ungeduldig, als ich sie nur skeptisch musterte. Könnte ich ihr vertrauen? Woher wollte sie wissen, ob ich die Bücher doch plötzlich lesen durfte... Ich hörte tief in mich rein und mein Gefühl sagte mir, dass ich ihr Glauben schenken musste. Ich nahm diesen Brief entgegen, wollte und konnte diesen jetzt aber nicht lesen, betrachtete die Bücher, ließ mich auf das Bett sinken und begann zu lesen.

--------------------
Bitte weiterhin voten!

don't tell anyoneWhere stories live. Discover now