Kapitel 47

1.4K 83 5
                                    

Hermione Granger

Dunkelheit. Schmerz. Mehr war da nicht. War ich tot? Was war passiert? Würde ich jetzt meine gerechte Strafe für das, was ich meinen Eltern angetan hatte bekommen? Meine Gedanken rasten zu vergangenen Ereignissen. War das mein Leben, welches an mir vorbeizog? So wie es immer beschrieben wurde? Aber wieso war hier nichts? Stand ich gerade an der Schwelle? Wenn ja, wo musste ich hingehen, um zu sterben. Um mich meinen Dämonen endlich zu stellen...

War ich vielleicht gar nicht tot? Lag ich vielleicht irgendwo im Krankenhaus? Aber wenn das so wäre, wäre Severus dann nicht bei mir. Würde ich ihn dann nicht spüren... Und was ist mit meinem Körper, den spürte ich nämlich auch nicht. Es konnte nicht anders sein. Ich war nicht länger am Leben.

Längst vergessene Szenen tauchten vor mir auf und es war, als würde ich sie alle wieder erneut durchleben. In nicht wenigen davon tauchte Severus auf. In diesen ließ ich ihn nicht eine Sekunde aus den Augen. Da fiel es mir wieder ein. Er liebte mich! Aber ich konnte es ihm nicht sagen. Vielleicht war es ja besser so. Vielleicht würde das alles nur schwerer machen für ihn, zu wissen, dass ich ihn auch liebte, aber wir keine Chance mehr haben würden gemeinsam glücklich zu werden.

Vor mir tauchte unser erster Kuss auf. Wie sehr ich mich doch danach sehnte! Seine Lippen, sein Geruch, sein Verstand, alles an ihm fehlte mir und diese Szene erneut zu durchleben, nur um sie im nächsten Moment vor mir verschwimmen und verschwinden zu sehen war grausam. Wie jedes Mal, wenn eine Szene mit ihm erschien, zerriss es mich von ihnen heraus. Ich wollte so sehr bei ihm sein. Leben! Für ihn. Mit ihm.

Als nächstes tauchte eine Szene aus meiner Kindheit auf. Auch diese gestaltete mir meinen Aufenthalt hier nicht angenehmer. Es war Weihnachten mit meiner ganzen Familie. Ich war vielleicht vier Jahre alt und alles war perfekt. Meine Eltern waren am Leben, sie liebten mich bedingungslos nicht ahnend, was ich ihnen eines Tages antun würde. Auch meine Großeltern waren bei dem Fest. Sie waren auch schon lange tot. Es gab viele Geschenke und dauernd Umarmungen. Jeder war fasziniert und gefesselt von mir, denn als einziges Kind in der Familie, hatte ich die volle Aufmerksamkeit und Begeisterung auf mir. Diese ganze Idylle und Harmonie ließen mich das Glück von damals spüren. Die Magie, welche ich an Weihnachten immer gespürt hatte. Und dann wurde sie mir wieder entrissen. Erneut umhüllte mich die Schwärze und mein Herz wurde zusammengequetscht. Ich schrie. „Bitte! Es muss aufhören! Mach, dass es aufhört! Es tut so weh!" So laut ich konnte, doch es war niemand hier, der mich hätte hören können.

Eine weitere Geschichte erschien mir. Ein Tag den ich ganz allein mit meiner Mutter verbracht hatte in den Ferien von meinem fünften Jahr, bis uns irgendwann Dad suchte und sich zu uns gesellte. Wir waren in dieser Eisdiele nicht weit von unserem Haus entfernt und Mum gab mir gerade einen Rat. Wie ich das vermisste. Sie hatte immer die besten Ratschläge parat. Für sie war nichts unlösbar. Dunkel fiel mir ein, dass es sich um die Zeit handelte, in der ich meine Gefühle für meinen Professor zurückgedrängt hatte und dachte mir einzubilden, etwas für Ron zu empfinden. Erst jetzt, als ich ihren Ratschlag erneut vernahm realisierte ich, dass meine Mutter schon damals erkannt hatte, dass meine Gefühle für Ron nicht die waren, für die ich sie hielt. Sie kannte mich schon immer besser als ich mich selbst. Unser Mutter-Tochter Gespräch wurde von meinem Vater unterbrochen, der sich zu uns gesellte. Mum und ich hörten auf zu reden und grinsten uns nur an. Dad wurde schlagartig klar, dass es um Jungs ging und war weniger erfreut. Er dachte immer, mich vor allem und jedem beschützen zu müssen. Das hatte ich wohl von ihm geerbt. Dann kamen unsere Eisbecher und wir verbrachten einfach den restlichen Tag als glückliche Familie miteinander. Die Erinnerung verschwamm und ohne, dass ich mich an den Kontext unserer Unterhaltung erinnern konnte vernahm ich noch die Stimmen meiner Eltern „Du könntest uns niemals enttäuschen!" „Wir werden dich immer lieben!" Und dann breitete sich wieder der schmerzhafte Verlust in mir aus und die Dunkelheit umgab mich wiederholt.

Und erneut zog es mich in eine Erinnerung. Dieses Mal mit Harry und Ron. Es waren die Sommerferien im Haus der Blacks. Nachdem Harry von dem Orden erfahren hatte und sauer auf uns war, dass wir ihm nichts verraten hatten und sich dann wieder eingekriegt hatte. Wir saßen zu dritt in deren Zimmer und lachten über irgendetwas. Dann erschreckte uns ein lauter Knall und schon standen Fred und George im Zimmer. Keine Sekunde später öffnete sich die Zimmertür einen Spalt breit und Gin tapste leise herein. Diesen Moment hatte ich komplett vergessen. Es war einer dieser schönen Augenblicke, in denen nicht viel passierte, aber wir einfach glücklich waren. Wärme umgab mein Herz, wie wir alle auf dem Bett saßen, Süßigkeiten naschten und von unseren bisherigen Ferien erzählten. Nur damit mich eine Sekunde später die Kälte wieder einholte und ich zurück in der Dunkelheit war.

Es ging ewig so weiter. Immer mehr dieser harmonischen Erinnerungen prasselten auf mich ein, nur um mir einen Augenblick später wieder jedwedes Glück zu nehmen. Die nächste Erinnerung traf mich am härtesten. Es war die intensivste von allen und ich konnte alles spüren und riechen, als würde mir das jetzt im Moment passieren. Sie lag noch nicht sonderlich weit zurück. Es war der Tag, an dem Severus und ich uns endlich wieder vertragen hatten. So lange hatte ich mich danach gesehnt, nichtsahnend, dass all dies nur von kurzer Dauer war. Dass ich ihn bald für immer verlieren würde. Ich durchlebte erneut das Gefühl, seine Lippen nach einer gefühlten Ewigkeit wieder richtig auf meinen zu spüren. Zu spüren, dass er mich nicht gleich wieder von sich stoßen würde. Und sein warmer Körper wie er neben mir schlief. Ich durfte sogar meinen Traum aus der Nacht wieder erleben. Ich träumte von unserem ersten Mal. Meinem ersten Mal. Das hatte ich ihm nie erzählt. Wie es aussieht, würde er das wohl auch nie erfahren. Diese Erinnerung dauerte länger als jede andere zuvor. Ich durfte sogar noch den Morgen erleben, als ich aufwachte und mich pures Glück durchströmte, als ich in sein noch schlafendes Gesicht blickte und ihm die Haarsträhne aus diesem Strich. Es schien alles in Echtzeit abzulaufen, nicht so, wie bei den anderen Erinnerungen, die zum Teil Sprünge vollführten. Das war die ultimative Folter. Denn aus dieser Erinnerung gerissen zu werden, hinterließ in meinem Herzen eine klaffende Wunde. Wieder schrie ich und bettelte, dass all das aufhörte. Doch das tat es nicht. Im Gegenteil kamen nun nur noch mehr solcher Ereignisse, die ich mit ihm erleben durfte, nur um mir dann immer und immer wieder das Herz aufs Neue zu zerquetschen, zu durchstoßen und rauszureißen.

Wenn ich noch ein Zeitgefühl hatte, würde ich behaupten es waren einige Tage verstrichen. Alle gefüllt von dieser Dunkelheit und dem unsagbaren Schmerz. Dabei handelte es sich nicht ausschließlich um den physischen Schmerz. Nein, dieser war erträglich. Viel schlimmer war die psychische Folter. Die ganzen Erinnerungen. Mir wurde immer mehr klar, dass ich so gut wie niemanden daraus je wieder sehen würde. Nur die, die bereits tot waren vielleicht. Denn schließlich war ich ja auch tot, oder? Aber am meisten schmerzte mich der Gedanke an Severus. Er fehlte mir. Ich fühlte mich leer. Einsam. Kalt.

Mir wurde immer klarer, dass ich all das hier verdient hatte. Es war mein persönliches Fegefeuer. Musste ich nun bis in die Unendlichkeit hierbleiben, immer daran erinnert, dass ich ihn niemals haben könnte? Dass mir ein glückliches Leben mit ihm verwehrt blieb?

-------------------------
Nicht vergessen auf das Sternchen zu drücken!

don't tell anyoneTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang